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Holistisches Fitnesskonzept
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Aggregatoren, Alligatoren und anderes Getier…

Paul Eigenmann / QualiCert AG

Was denn? Wie denn? Wer denn?

Alligatoren, klar. Sind eine Art der Krokodile. «Kiss you later Alligator». Aber was sind Aggregatoren? Und was machen die in der Fitnessbranche? Der Begriff «Aggregat» ist den meisten bekannt. Er bezeichnet in der Technik das Zusammenwirken mehrerer Einzelmaschinen wie beispielsweise ein Notstromaggregat oder ein Kühlaggregat. «Aggregare» ist Lateinisch und heisst «anhäufen» oder «ansammeln» oder «hinzunehmen». In der Fitnessbranche werden Organisationen als Aggregatoren bezeichnet, wenn ihr eigentliches Business darin besteht, den Fitness- und Trainingscentern zusätzlich zu den traditionellen «Mitgliederkunden» neue Kunden hinzusammeln, im Idealfall sogar anhäufen, aber auf andere, als die traditionelle Art und Weise des (Ver)Kaufens einer Standardmitgliedschaft.

Voraussetzung für neue Arten des (Ver)kaufs von Fitnesstraining setzen neue Einkaufsgewohnheiten bei den potentiellen Kunden voraus. Einkaufsgewohnheiten wiederum hängen natürlich stark davon ab, was man kauft, wie viel das «Objekt der Begierde» kostet, wie wichtig eine individualisierte Version des Produktes oder der Dienstleistung ist und wie variantenreich der Käufer das Produkt oder die Dienstleistung nutzen will. Ein Auto beispielsweise kauft kaum jemand online bei Amazon. Bei einem Buch hingegen ist der Online-Kauf und die Zustellung direkt nach Hause wirklich praktisch und auch sinnvoll.

Auch die in der Fitnessbranche allgemein gängige Verkaufsvariante «Dauermitgliedschaft» könnte unter ähnlichen Gesichtspunkten gesehen und perspektivisch beurteilt werden. Dabei ist natürlich keineswegs sichergestellt, dass beispielsweise das Standardangebot eines Centers – in der Grafik der rote Teilkubus – mit einem hohen Preis, einem grossen Nutzen, aber einer nur geringen Trainingsvielfalt auf die Dauer für viele Kunden attraktiv ist. Allein die Tatsache, dass die Trainingsvielfalt eingeschränkt ist – beispielsweise durch den Maschinenpark – widerspricht ja auch den Grundprinzipien der Trainingslehre…

Das typische aktuelle Angebot der Schweizer Fitnessbranche bestehend aus einer Mitgliedschaft mit einer relativ langen Dauer und Angeboten in unterschiedlichen Preissegmenten stimmt offenbar für etwa 1 Million Schweizerinnen und Schweizer, wobei natürlich die Frage gestellt werden muss, warum ein signifikanter Anteil der Mitglieder dem Angebot, welches anfänglich offensichtlich überzeigt hatte, nicht treu bleibt. Der Preis dürfte es nicht sein, gibt es doch Angebote in jedem Preissegment. Ausserdem sind wesentliche der bekannten «Barrieren» gegen die Aufnahme und Beibehaltung eines regelmässigen Trainings beim Fitness-centerangebot eliminiert:

  • Witterungsabhängigkeit
  • zeitlich fast unbeschränkter Zugang
  • örtliche Angebote mit kurzen Wegen für fast jede Einwohnerin und jeden Einwohner unseres Landes
  • individuell, aber nicht allein
  • kein Wettkampf und Leistungsvergleich

Liegt es möglicherweise doch am zwar wirksamen, aber eben auch sehr abstrakten und recht eintönigen Training oder an der langen Dauer der vertraglichen Verpflichtung?

Ist die traditionelle Mitgliedschaft vom Aussterben bedroht?

Die Antwort ist eindeutig: NEIN! Aber vielleicht müssen insbesondere für jene Kunden, die nicht zu den Enthusiasten gehören, doch auch noch andere Nutzungsvereinbarungen angeboten werden. Zu diesen Kunden zählen auch viele jener potenziellen Nutzer des Angebotes der Fitnessbranche, die bis heute noch nicht rekrutiert werden konnten. Und für dieses Kundensegment haben Aggregatoren teilweise sehr attraktive Angebote und häufen dadurch im wahrsten Sinne des Wortes zusätzliche Kunden an.

Aggregatoren wie Gymhopper, MyClubs, Gympass, Urban Sports, Qualitrain, Trainaway, Fitpass etc. wenden in ihrem Geschäftsmodell grundsätzlich eines der zwei unten aufgeführten Konzepte an und sind bezüglich Administration auch IT-mässig entsprechend ausgerüstet:

Angebotsverbund mit Verbundsmitgliedschaft, die für den Besuch bei allen Angeboten gilt.

Mitgliedschaft bei den einzelnen Anbietern erlaubt – oft zahlenmässig limitierte – Besuche bei allen andern Anbietern des Verbundes.

Die beiden Konzepte unterscheiden sich natürlich sowohl bei Ihrer Vermarktung als auch bezüglich der Auswirkungen auf die teilnehmenden Anbieter (Center / Sportvereine / Kursanbieter / Schwimmbäder). Die Kernfrage, die sich den Trainingsanbietern – seien es Schwimmbäder, Sportvereine, Fitnesscenter oder Anbieter von Yoga, Pilates, Beckenbodentraining, Nordic Walking etc. – stellt, ist doch «Kosten mich oder bringen mir diese Aggregatoren-Modelle Mitgliedschaften beziehungsweise Umsatz?» Überlegungen und Erfahrungen zu dieser Frage in der nächsten Ausgabe der FITNESS TRIBUNE.