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Andreas Bredenkamp Kolumne: Können Einzelstudios zukünftig überleben? Teil III

Teil III

Laut Roger Gestach (Herausgeber FT) hat bisher kein anderer Beitrag in der FITNESS TRIBUNE eine vergleichbare Beachtung erfahren wie meine Artikelreihe über die wirtschaftliche Zukunft der Einzelstudios. Der Grund dafür sind die sich ändernden Rahmenbedingungen am Fitness- und Gesundheitsmarkt. Sie lassen ein lineares Denken – „Was gestern gut war, kann morgen nicht falsch sein!“ – nicht mehr zu. In Zukunft werden die Einzelstudios sowohl mit der „Gebrauchsüberlassung der Geräte“, als auch mit der Trainerdienstleistung Umsätze erzielen müssen, um weiterhin vom boomenden Markt profitieren zu können. Dafür müssen jedoch notwendige Voraussetzungen geschaffen werden. Zwei dieser notwendigen Voraussetzungen habe ich in den ersten beiden Teilen meiner Artikelreihe vorgestellt:

  1. Die klare Trennung von Vermietung und Dienstleistung und
  2. die Umstellung der Dienstleistung auf ein skalierbares Geschäftsmodell.

Der hier folgende Teil nun behandelt die dritte Voraussetzung, ohne die es nicht klappen wird, neben der Vermietung der Hardware auch mit der Vermarktung der Software relevante Umsätze zu erzielen. Dieser dritte Punkt ist

  1. die Trennung von Beratung und Ausbildung

Zwischen Beratung und Ausbildung wird in der Fitnessbranche üblicherweise ebenso wenig unterschieden wie zwischen Vermietung und Dienstleistung. Mit vergleichbarer Wirkung, denn während mit Ausbildung Einnahmen zu generieren wären, produzieren Beratungsleistungen, die nicht auf der Grundlage einer fundierten Ausbildung erfolgen, vornehmlich Kosten.

Beratung und Ausbildung werden oft synonym verwandt. Es wird angenommen, Beratung und Ausbildung gingen quasi Hand in Hand: „Wer beraten wird, lernt ja auch was.“ Tatsächlich aber handelt es sich um sehr verschiedene Kompetenzbereiche. Als Beratung bezeichnet Lay eine „vereinbarte, zeitlich begrenzte und durch Gespräche geleistete Begleitung und Unterstützung bei der möglichst selbständigen Bewältigung von […] Aufgaben“ (Lay, Ethik … (2012) S. 101), während Ausbildung laut Wikipedia „die Gesamtheit aller Lehrmassnahmen umfasst, die die Qualifikation [zur möglichst selbständigen Bewältigung von Aufgaben] zum Ziel hat.“

Mit anderen Worten: Für eine qualitativ anspruchsvolle Beratung ist eine fundierte Ausbildung die Voraussetzung. Denn wo eine ausreichende „Qualifikation zur möglichst selbständigen Bewältigung von Aufgaben“ fehlt, da kann selbst kostspieligste „Begleitung und Unterstützung“ sie nicht ersetzen. Beratung vermittelt kein Wissen, sondern Beratung erfolgt auf dem Wissensstand, den der Kunde hat. Da keine Entwicklung im Wissensstand stattfindet, wird der Beratungsaufwand – und infolgedessen auch die Beratungskosten – trotz jahrelanger kostenaufwändiger Beratung nie geringer. Mangelnde Ausbildung befördert die Kunden quasi in eine nie endende „Beratungsschleife“. Die Kosten für diese Form von „Endlosberatung“ trägt das Studio. Damit stellt mangelnde Ausbildung für das Einzelstudio die wahrscheinlich grösste „Kostenfalle“ dar.

Im Trainingsprozess ist Ausbildung und Beratung zu übersetzen mit Trainingssteuerung und Trainingsbetreuung. Fehlende Trainingssteuerung bewirkt Trainingsbetreuungsschleifen. Da die Trainingsbetreuung im Hinblick auf die Zielerreichung ein passiver Prozess der „Begleitung und Unterstützung“ ist, verursacht sie Kosten, während es sich bei der Trainingssteuerung im Hinblick auf die Zielerreichung um einen aktiven Vorgang handelt. Durch Trainingssteuerung erhält der Trainierende die „Qualifikation zur möglichst selbständigen Zielerreichung“. So reduziert Trainingssteuerung nicht nur die durch Betreuung anfallenden Kosten, sondern mit Trainingssteuerung lassen sich ausserdem noch relevante Umsätze generieren. Damit ist die Trennung von Beratung und Ausbildung für das Einzelstudio eine der wichtigsten Massnahmen zur Sicherung einer dem Aufwand angemessenen Rendite.

Aber Ausbildung kann noch mehr; denn sie hat nicht nur entscheidenden Einfluss auf das Betriebsergebnis, sondern führt zu einer völligen Transformation des Unternehmens. Wobei mit Transformation nicht nur Prozesse der Veränderung innerhalb des Unternehmens gemeint sind, sondern ein grundlegender Wandel in der Unternehmensstrategie:

Ausbildung transformiert den Fitnessclub von einem Lösungsanbieter zur Lösung. Zum besseren Verständnis eines Transformationsprozesses, der einen vollständigen Wandel in der Strategie umfasst, wählen wir als Allegorie für die Lösung den Zahnarzt. Der Zahnarzt steht hier für die Lösung, weil sich seine Patienten die Lösung von ihm erhoffen und nicht von seinem Werkzeug. Als Allegorie für einen Lösungsanbieter wählen wir den Baumarkt. Die Kunden im Baumarkt wollen die dort angebotenen Werkzeuge kaufen oder mieten. Sie sehen die Lösung nicht im Baumarkt, sondern in den dort angebotenen Werkzeugen.

Ist also der Discounter Lösungsanbieter, ist das Einzelstudio gut beraten, sich als Lösung zu positionieren. Denn ist das Einzelstudio selbst die Lösung, sehen die Mitglieder ihren Erfolg in den Erkenntnissen aus der Schulung und betrachten die Geräte nur noch als Werkzeug. Dieser Unterschied in der Wahrnehmung verändert alles. Das Einzelstudio entzieht sich quasi dem Wettbewerb mit dem Discounter.

Nächstes Jahr werde ich eine Ausbildungsreihe beginnen. Mit dieser Ausbildungsreihe verfolge ich das Ziel, die Einzelstudios darin zu unterstützen:

  • die Dienstleistung zu trennen von der Vermietung, ohne mit dem Aufbau eines neuen Geschäftsmodells den laufenden Betrieb zu gefährden,
  • die Trainerdienstleistung auf die Grundlage eines skalierbaren Geschäftsmodells zu stellen und
  • durch eine hervorragende Ausbildung, die die Einzelstudios ihren Kunden anbieten können, die Kosten für Betreuungsleistungen zu reduzieren, Umsatz zu generieren, auf diese Weise das Betriebsergebnis zu verbessern und überdies das Einzelstudio in Abgrenzung zum Discounter noch deutlicher als Lösung zu positionieren.

Das alles wird für die Einzelstudios möglich, ohne zusätzliche Kapitalbindung und ohne eine nochmalige Aufstockung ihres im Verhältnis zur Rendite sowieso schon sehr hohen Fixkostenapparates. Was allerdings notwendig sein wird, ist mit nichts besser auszudrücken als mit einem Witz:

Die hübsche Studentin sagt zum Professor:

„Für ein besseres Ergebnis würde ich alles tun. Wirklich alles!“

Da antwortet der Professor: „Auch lernen?“

Lernen musste ich auch. Meine Anfänge auf dem Gebiet der Ausbildung und der Beratung sind für immer in dem Buch „Muskelmänner. In den Maschinenhallen der neuen Körperkultur“, rororo, Mai 1987, von Prof. Gerd Würzberg, Hochschullehrer für Journalistik, Universität Dortmund, festgehalten. Er schrieb über meine ersten Ausbildungsversuche:

„Ich nahm mir also vor, einen dieser Extremisten persönlich kennenzulernen. Die Gelegenheit ergab sich rascher als ich gedacht hatte – in Gestalt eines bunten Plakats, das eines Tages in meinem Studio hing. Andreas Bredenkamp, Deutscher Meister 1986, Fachreferent für Trainings- und Ernährungsfragen, wurde angekündigt. Das Seminar für Training und Ernährung versammelte eines schönen Sommernachmittags ungefähr 20 Teilnehmer im Studio zwischen den beiseitegeschobenen Kraftmaschinen. Bredenkamp wirkte auf dem Poster mindestens einen halben Meter grösser als er in Wirklichkeit war. Sein Seminar, so begann er, sei keine Showveranstaltung wie sonst üblich, sondern ein Fachseminar. Und wirklich zeigte Bredenkamp nicht seine Muskeln (was ich eigentlich erwartet hatte), sondern referierte neben seinem individuellen Trainingsplan tatsächlich fachkundig – wenngleich rhetorisch wenig versiert – über Trainings- und Ernährungsregeln des Bodybuilders…“

Diese kleine Anekdote zeigt, dass auch ich nicht als Rhetoriker vom Himmel gefallen bin und dass offensichtlich auch acht Semester Germanistik für eine wirklich gute Rhetorik noch nicht ausreichend waren.

Mein Wunsch ist, auf meiner Schulung mutige Unternehmer begrüssen zu dürfen, die nicht „wie bislang weitermachen wollen“ (Bill Bryson, Sommer 1927), sondern die sich vorgenommen haben, durch eigene kluge Entscheidungen die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft zu stellen.

Andreas Bredenkamp

Jahrgang 1959

Studierte Germanistik und Sport, Autor des Buches „Erfolgreich trainieren“ und des „Fitnessführerscheins“