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Bischof Bonnemain macht regelmässig Krafttraining

Das Bistum Chur ist eines der sechs Bistümer der Schweiz und umfasst die Kantone Graubünden, Schwyz, Uri, Glarus, Obwalden, Nidwalden und Zürich. Ländliche Gebiete auf der einen Seite, aber auch die Metropole Zürich mit ihren eher liberalen und finanzstarken Katholiken.

Am 19. März 2021 wurde Joseph Maria Bonnemain (72) zum neuen Bischof im Bistum Chur ernannt. Bonnemain wohnte bis vor Kurzem in Zürich und ist jetzt nach Chur umgezogen; er war seit vielen Jahren höchster Kirchenrichter sowie als Bischofsvikar für die Beziehungen zwischen dem Bistum und den Kantonen zuständig.

Er geniesst einen guten Ruf unter den Churer Katholiken, auch im progressiven Flügel. Als Arzt und Krankenhausseelsorger kennt er die Sorgen der Menschen und ist ein Brückenbauer. Der neue Bischof ist aber nicht nur ein Geistlicher: Er betreibt seit vielen Jahren regelmässig Krafttraining und findet, dass dies alle tun sollten. Denn wer gut aussieht, macht seinen Mitmenschen eine Freude. Grund genug, um mit dem Bischof ein Interview zu führen.

Roger Gestach im Gespräch mit Bischof Joseph Maria Bonnemain:

RG: Herr Bischof Bonnemain, es ist doch schon sehr aussergewöhnlich, dass ein Geistlicher sich so gezielt um seinen Körper kümmert. Was fasziniert Sie so am Krafttraining?

JB: Für mich ist es ein willkommener Ausgleich. Nach vielen intensiven Stunden intellektueller und spiritueller Tätigkeit fördert die Kombination von körperlicher Anstrengung und mentaler Konzentration eine wohltuende Harmonie. Beim Stemmen und Drücken gewinne ich Distanz von Sorgen und Problemen und kann für frische Kraft sorgen. Nach dem Training sehe ich die Welt entspannter und zuversichtlicher. Es klingt vielleicht seltsam, aber es ist ein ähnlicher Zustand wie nach Gebet und Meditation. Auch der Austausch und die Begegnungen mit anderen Trainierenden, die ich seit Jahren kenne, sind mir wertvoll.

RG: Wann und warum haben Sie mit dem Training angefangen?

JB: Den entscheidenden Impuls gaben Rückenschmerzen. Mein Arzt riet mir: «Machen Sie Krafttraining, das kann helfen.» So bin ich zum ersten Mal im Studio gelandet. Zuerst war es etwas seltsam, aber bald habe ich Spass daran gefunden. Ich weiss auch, dass regelmässiges Krafttraining der Osteoporose vorbeugt und den Alterungsprozess verlangsamt. Der hormonale Haushalt wird aktiviert. Das alles kommt mir entgegen, denn ich muss mindestens fünf Jahre als Bischof wirken – und da hilft mir eine gute Portion Vitalität.

RG: Wie oft trainieren Sie?

JB: Idealerweise zwei Mal pro Woche. Seitdem ich Bischof bin aber weniger als mir lieb ist. Es ist derzeit eher etwa alle zwei Wochen einmal. Und im Glücksfall ist es einmal pro Woche. Ich hoffe aber, dass nach der intensiven Anlaufzeit als Bischof regelmässiges Trainieren wieder möglich sein wird.

RG: Haben Sie eine Lieblingskraftübung?

JB: Ja. Brustmuskeltraining und Beinpresse. Beim Schultertraining muss ich mich jedes Mal recht überwinden.

RG: Religion und Fitnesstraining. Gibt es für Sie da Ähnlichkeiten?

JB: Durchaus. Nehmen wir das Rosenkranzgebet. Wer es nicht kennt, für den ist es am Anfang eine echte Herausforderung. Darum sollte man auch langsam daran herangehen und hineinwachsen, indem man nur ein Gesätzlein (10 Ave Maria) betet und dann langsam steigert, bis man einen ganzen Psalter (5 Gesätzlein, d.h. 50 Ave Maria und ein paar Vaterunser) meditieren mag. Und plötzlich fällt es einem leichter und man erfährt Erfüllung. Für Aussenstehende mag das Rosenkranzgebet mit seiner repetitiven Art monoton erscheinen. Aber wenn man sich darin vertieft und die meditative Konzentration sucht, will man es nicht mehr missen. Ähnlich verhält es sich mit dem Reiz des Krafttrainings.

Wovon ich aber dringend abrate: Fitnesstraining zu einer Art Religion zu machen. Hier beginnt der Narzissmus, die Selbstverliebtheit und das dient den Menschen nicht.

RG: Gemäss unserer Religionsauffassung ist der Körper vergänglich. Warum messen Sie Ihrem so viel Gewicht bei?

JB: Ich lebe im Hier, Heute und Jetzt. Und ich muss dafür sorgen, dass ich genügend Kraft und Ausdauer habe, um die Herausforderungen, die ich zu bewältigen habe, auch meistern kann. Nur wenn ich fit bin, reicht die Energie für den ganzen Tag und speziell für das Durchstehen einer Krisenzeit. Und stellen Sie sich vor: Jesus arbeitete damals als Zimmermann, in einer Zeit, da es noch kaum Hilfsmittel gab. Gehen Sie davon aus, dass er aufgrund körperlicher Tätigkeit kräftig gebaut war – und das hat ihm sicher geholfen, viele Strapazen zu überstehen.

RG: Sie haben mal gesagt, dass Krafttraining ein Akt der Nächstenliebe sei. Wie meinten sie das?

JB: Wer sich selber Sorge trägt und auch seinem Körper Beachtung schenkt, der ist auch aufmerksam seinen Mitmenschen gegenüber. Ganzheitliche Harmonie und gepflegtes Aussehen erleichtern die zwischenmenschlichen Beziehungen.

RG: Sie sind seit diesem März Bischof. Was sind Ihre ersten Erfahrungen oder Erkenntnisse im neuen Amt?

JB: Dass ich als 72-Jähriger zu wenig Zeit habe, um alles anzupacken und umzusetzen, was getan werden sollte. Mein Leitspruch als Bischof lautet: «Homo est via Ecclesiae» – «Der Mensch ist der Weg der Kirche». Jeder Mensch stellt einen Reichtum dar, den es zu entdecken gilt. Eines meiner Hauptanliegen ist es, den Menschen ins Zentrum zu stellen. Wir haben uns in der Kirche viel zu lange mit Strukturen und Meinungsverschiedenheiten beschäftigt. Und dabei haben wir eine so schöne Botschaft: Gott liebt dich! So, wie du bist, mit deinen Stärken und deinen Schwächen.

RG: Was möchten Sie als Bischof noch verändern?

JB: Ich möchte, dass unser Bistum wieder eine Familie wird, in der jeder (s)einen Platz hat, auch jene, die mit Religion nicht viel anfangen können. Am 17. Oktober lade ich alle jungen Menschen, die gefirmt worden sind, nach Einsiedeln ein. Gemeinsam wollen wir aufbrechen auf einen sogenannten synodalen Weg, der uns noch viele Überraschungen bereithalten wird. Das Ziel ist eine lebendige Kirche als Gemeinschaft voranzubringen in der alle mittragen und mitbestimmen können.

RG: Was machen Sie nebst dem Krafttraining in Ihrer Freizeit gerne?

JB: Freizeit war schon früher und ist seit meiner Ernennung zum Bischof ein rares Gut geworden. Mein Tag beginnt morgens um 5.20 Uhr und endet irgendwann abends spät. Wenn ich aber einen persönlichen Freiraum habe, dann jogge und schwimme ich gerne. Einen guten Film geniesse ich auch. Leider komme ich derzeit recht selten dazu, ein Buch zu lesen, was ich sehr vermisse. Und ich freue mich sehr, in diesem Sommer ein paar Ferientage am Meer in Sizilien verbringen zu können.

RG: Herr Bischof Bonnemain, vielen Dank für diese spannenden Einblicke.

Photocredits: Arnold Landtwing

Trainingsbilder, Quelle: srf.ch