Oder ist das unwahr? Unfair? Oder gar ein Tabu innerhalb der Branche?
Die Aussage in meiner letzten Kolumne, in welcher ich Bodybuilding als Doping verseuchte Fleisch-Show bezeichnet habe, hat mir harsche Reaktionen eingebracht. Angefangen bei „Du hast ja keine Ahnung“ bis hin zu “Das müssen Sie erstmal beweisen“.
Gar nichts muss ich beweisen… ich sehe ein Neandertaler-Kinn, wenn ich ein Neandertaler-Kinn sehe, ich sehe einen Gorilla-Rücken, wenn ich einen sehe und ich sehe einen Kutschpferde-Arsch, wenn ich einen sehe… Und wenn dann jemand behauptet, das sei alles Genetik, dann ist das eine Beleidigung für jeden denkenden Menschen und jeden erfahrenen Trainer.
Grundsätzlich ist es mir absolut egal, wie sich jemand sabotiert, ob jemand trinkt oder über Berge hetzt oder sich das Hirn weg kifft. Für seinen Lebensstil ist jeder Erwachsene selbst verantwortlich.
Was mich jedoch empört ist, dass sich die sportlichen Jugendlichen mit dem Dreck, den sie spritzen und schlucken, ihre Gesundheit ruinieren. Und das in einer Branche, die sich über das Thema Gesundheit verkauft.
Ich bin mir bewusst, dass der Weg ins Erwachsenendasein kein einfacher ist. Ob man dabei als Tuning seines Selbstwertgefühls die PS eines Autos oder dicke Muskeln einsetzt, sind zwei unterschiedliche Strategien gleichen Ursprungs. Und gerade in unserer Facebook-Instagram-Zeit, wo aussehen und Körper derart überbewertet werden, ist die Verführung umso grösser etwas nachzuhelfen. Der Online-Handel öffnet dazu Tür und Tor.
Mitte August ist der wohl bekannteste Bodybuilder Rich Piana im Alter von 46 Jahren gestorben, wenige Wochen später der 26-jährige Bodybuilder Dallas McCarver. Zitat pa/Zumapress: „Dallas McCarver galt als einer der verheissungsvollsten Athleten im professionalen Bodybuilding. Er galt bei vielen Fans sowie Experten als zukünftiger Mr. Olympia.“?!
Zwei Drogentote-Sportler, schade! Zwei Drogentote, die auf der ganzen Welt besprochen wurden, zwei unter vielen, von denen wir nichts hören, zwei Tote und unendlich viele Kranke und vom Drogenmissbrauch gestörte Kraft-Patienten.
Rich Piana, ein 150 kg-Koloss, hat immer öffentlich und sogar stolz von seinem Drogen-Missbrauch gesprochen. Er hatte weit über eine Million Follower auf Facebook und Instagram und soll ein Vermögen von über zwei Millionen Dollar verdient haben. Ich erwähne dies wegen der Fans, je nach Quelle 1,2 bis 1,8 Millionen!
Zitat Rich Piani: „Wenn Ihr die Wahl habt, Steroide zu nehmen oder natürlich zu bleiben, bleibt natürlich! Es gibt keinen Grund sie zu nehmen, Ihr schadet nur Eurem Körper und Euch selbst. Aber, wenn Ihr professioneller Bodybuilder werden wollt, ratet mal, dann müsst Ihr sie einnehmen, dann habt Ihr keine andere Wahl.“ Wenn sich seine und alle Bodybuilding-Fans an diese Empfehlung halten würden, dann könnten wir uns zurücklehnen und sagen: “Was geht uns das an? Das hat nichts mit uns und unserer Branche zu tun!“ Nur ist das leider nicht so. Der Drogenmissbrauch, die Einnahme von Anabolika ist vom Teenager bis zum älteren, über 40-jährigen Herren, in der breiten Bevölkerung angekommen.
Der Gewinner ist die globale Dopingindustrie mit ihren mafiös organisierten Vertriebskanälen, die Verlierer sind wir alle. Wir alle haben eine Verantwortung in diesem Drama:
– Wir als Schule, alle Ausbildungsorganisationen müssen dieses Thema in den Ausbildungen aufarbeiten
– Fitnesscenter müssen eine klare Haltung zu diesen Substanzen einnehmen, bei Drogenverdacht handeln
– Trainer, Ausbilder, Prüfungsexperten mit Vorbildfunktion müssen drogenfrei sein
Ich weiss, dass dies schwierig ist, denn es geht dabei immer auch um Kollegen, um Berufskollegen mit Kompetenz und um Menschen, die man mag. Ich weiss, es ist schwierig. Aber Wegschauen darf nicht die Lösung sein.
