Boutique Studios: Events auf kleinem Raum
6. Februar 2019
Alumni des CAS Change & Innovation Management mit Wladimir Klitschko bei cardioscan
6. Februar 2019

Das schlechteste Fitnesscenter der Welt

Der tägliche Kommunikationswahnsinn im Fitnesscenter

Mit Floskeln oder gut gemeinten Redewendungen Kompetenz zu beweisen, ist nicht immer der optimale Weg zur Kundenbindung. Kommunikation wird oft an erster Stelle genannt, wenn es um die Kompetenzen der Fitnesstrainer geht. Doch wie steht es tatsächlich um diese Komeptenz im Fitnesscenter? Einige Müsterchen dazu finden sich in diesem Artikel wieder – nicht frei erfunden, sondern leider der tägliche Wahnsinn. Willkommen im schlechtesten Fitnesscenter der Welt.

Da stehe ich also am Empfang, nenne meinen Namen mit dem Hinweis, dass ich bei Trainer X, nennen wir diesen Felix, einen Termin für das Probetraining habe. Die gute Fee hinter dem Empfang nimmt das Telefon in die Hand, ruft Felix an und sagt: „Felix, dein Termin ist da“. Wow, da bin ich keine Nummer, aber „ein Termin“. Wusste gar nicht, dass ich diesen Spitznamen trage. Bereits jetzt frage ich mich, was ich hier mache, wenn ich als Mensch nicht wahr genommen, sondern als Termin behandelt werde; ein denkbar schlechter Start in eine Kundenbeziehung. Jeder Mensch trägt einen Vornamen und einen Namen, wobei der Vorname deshalb so heisst, weil er vor dem Namen kommt. Sprechen Sie um Himmelswillen die Menschen mit ihren Namen oder beim Vornamen an!

Bist Du schon Du oder noch Sie?

Womit wir bereits zum zweiten Pardoxon kommen. Warum um alles in der Welt soll ich jeder und jedem im Fitnesscenter Du sagen? Ich habe mit den wenigsten Schweine gehütet, spätestens dann ist man per Du. Ich behelfe mir oft mit dem unvergänglichen Hallo. Weil – stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie sprechen nach dem Mittagstraining in der Sauna mit einem anderen Mitglied einige inhaltlich belanglose Dinge; in der Du-Form, versteht sich. Am Nachmittag um 16 Uhr haben Sie einen Termin bei der Bank für einen Firmenkredit. Nun steht Ihnen eben jenes Mitglied aus der Sauna im Anzug gegenüber in seiner Rolle als Mitarbeiter der Bank. Sagen Sie jetzt auch Du? Oder doch eher das förmliche Sie, weil Sie jetzt ja quasi in einer Geschäftsbeziehung sind? Ein Dilemma, das sich umgehen lässt, wenn Sie mit allen förmlich beim Siezen bleiben. Das Du biete ich gerne an, wenn es sinnvoll und situationsgerecht ist – und dabei bleibt es dann auch, für immer. Der Trainer darf folglich gerne mit mir per Du funktionieren, aber mit allen anderen Mitgliedern bleibe ich gerne beim Sie.

Die unsägliche Anamnese zu Beginn

Die Fitnesscenter schimpfen sich, in der Gesundheitsbranche tätig zu sein. Sie sorgen für die Gesundheit der Mitglieder. Zumindest meinen sie das und bewerben sich auch so – und das ist auch richtig so. Warum führen die Trainer in diesem Fall eine Anamnese durch?

Das Wort „Anamnese“ stammt aus dem Griechischen und ist zweideutig. Beide Deutungen eignen sich nicht für ein Fitnesscenter. Folgende zwei Deutungen sind bekannt:

Die im Gespräch ermittelte Vorgeschichte eines Patienten in Bezug auf seine aktuellen Erkrankungen.

Das feierliche Gedächtnis des Todes und der Auferstehung Christi.

Drehen wir noch weiter am Deutungsrad. „Anamnese ist die professionelle Erfragung von potentiell medizinisch relevanten Informationen durch Fachpersonal, beispielsweise den Arzt. Die Anamnese ist die wesentliche Grundlage für das Stellen von Diagnosen und ist in allen medizinischen Disziplinen von hoher Bedeutung“. Soweit leicht verändert, was Wikipedia dazu sagt.

Ein Fitnesstrainer darf niemals eine Diagnose stellen und mit Erkrankungen im klassischen Sinn hat er nichts zu tun. So wird unter anderem gefragt: Rauchen Sie? Ja – und jetzt? Darf ich nicht trainieren? Darf ich weniger oder mehr trainieren? Darf ich kein Ausdauertraining machen oder jetzt sogar unbedingt? Eine ziemlich doofe Frage, weil sie für das Training keine Relevanz darstellt. Und solche Fragen gibt es noch mehr auf diesem Anamnesebögen. Hört auf mit diesem Quatsch und macht bitte ein Beratungsgespräch, das seinen Namen verdient. Wenn die Branche sich verändern will zum Thema Gesundheit, gehört das Anamnesegespräch als Erstes weg und wird durch ein wirklich gutes Beratungsgespräch ersetzt, das auf Hirnschmalz und nicht auf Anamensekreuzchen basiert. Die Branche widerhandelt hier dem Grundsatz «Was drauf steht, ist auch drin» – und ist damit schon fast ein Fall für den Konsumentschutz. Aber wir wollen es ja nicht gleich übertreiben. Sonst müsste ich noch über unsägliche AGB’s schreiben, was aber eine andere Geschichte ist.

Die Frage nach dem Fettverbrennungspuls

Diese Frage ist so alt wie die Fitness-center selber: Wo liegt mein Fettverbrennungspuls? Als fachkompetenter Trainer ist die Antwort einfach:  Es gibt keinen Fettverbrennungspuls. Es gibt den Fettstoffwechsel, dieser funktioniert aber nicht nur bei einem fiktiven Fettverbrennungspuls, sondern, je nach Intensität, werden einfach mehr oder weniger Fettsäuren verstoffwechselt. Dies gilt für hohe und tiefe Intensitäten gleichermassen. Und der Beginn ist nicht erst nach 20 oder 30 Minuten, was auch 2019 noch kolportiert wird! Und schon gar nicht bei Faustformeln wie «220 minus Alter und 75 Prozent davon». Korrekt ist, dass der beste Wirkungsgrad bei 75 Prozent der maximalen Herzfrequenz liegt. Was lehrt uns das?

Es ist zwingend notwendig, mit jedem Kunden, und damit meine ich jeden Kunden, ob männlich oder weiblich, die individuelle maximale Herzfrequenz zu bestimmen. Nur so ist es möglich, dass Ziele im Ausdauerbereich erreicht werden. Machen wir es nicht, gibt es zwei Zahlen dazu:

80 Prozent der Mitglieder trainieren mit dem falschen Pulsbereich!

Und daraus resultierend:

Nur 7 Prozent der Mitglieder erreichen ihre Ziele! (Gilt für Kraft und Ausdauer)

Eine absolut grauenhafte Quote! Dafür braucht es keinen Trainer. Das ist auch mit dem Prinzip Zufall möglich. Wollen wir zufriedene Mitglieder, die mir langfristig erhalten bleiben, bestimme ich unter anderem die maximale Herzfrequenz, um individuelle, perfekte Trainingspläne zu erstellen.

Weisse Pferde sind immer Schimmel

Die Aussage vom weissen Schimmel ist doppelt gemoppelt. Ein Schimmel ist immer ein weisses Pferd. Also kann ich das «weiss» vor dem Schimmel weglassen. Genauso verhält es sich mit Kraft und Kondition. Wollen Sie bei uns Kraft trainieren oder die Kondition? Wobei Kraft wahlweise mit Ausdauer ersetzt werden kann. Kondition ist die individuelle Leistungsfähigkeit eines Menschen. Diese besteht aus dem optimalen Zusammenspiel von Kraft, Ausdauer, Koordination, Schnelligkeit und Beweglichkeit. Meine Antwort auf die obige Frage ist Kondition. Der Trainer macht mir dann ein Programm ohne Kraft – was definitiv nicht die Meinung war. Kraft ist aber explizit schon im Begriff der Kondition enthalten. Also, liebe Trainer, sprecht mit den Mitgliedern so, dass wir alle dasselbe verstehen! Wenn nicht, muss ich mich als Trainer auf den neusten Stand bringen.

Peter Regli 

ist Buchautor, Dozent und Referent. Er unterrichtet an diversen Ausbildungsinstitutionen und bietet Workshops im Bereich Gesundheitsmanagement und Strategieentwicklung für kleinere Unternehmen an. Individuelle Themen bietet er als Inhouse-Schulungen oder als Online-Coaching für Menschen und Unternehmen an. Sie erreichen ihn per Mail mit pr@peter-regli.ch oder auf seine Website www.peter-regli.ch