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Denkanstoss – Gibt es Ihr Fitnesscenter in 10 Jahren noch?

Von Roger Gestach

Die Welt verändert sich sehr schnell! Eindrücklich sieht man das an folgenden Beispielen aus der Wirtschaft: 1996 hatte die Firma KODAK einen Wert von 30 Milliarden und war Marktführer bei Fotofilmen. 2012 musste KODAK Konkurs anmelden, weil sie den Sprung in die digitale Welt verpasst hatten. Noch krasser das Beispiel NOKIA: 2011 war NOKIA noch Weltmarktführer im Handybereich mit einem Marktanteil von über 60%. Gerade mal drei Jahre später, 2014 musste NOKIA in Not verkauft werden, um den Konkurs abzuwenden. Heute ist nicht mehr viel übrig geblieben von dieser Firma. Sie hat die Smartphone-Revolution von Apple mit dem iPhone verschlafen.

Ein Beispiel aus der Fitnessbranche gefällig? 2000 hatte TC Training Center 80 Standorte in der Schweiz und in Deutschland und war eine der führenden Fitnessketten. Man wollte an die Börse und pokerte zu hoch! Heute gibt gerade mal noch 5 TC Training Center in der Schweiz und ein paar wenige in Deutschland!

Wissen Sie wer der grösste Musikhändler der Welt ist? Apple. Ohne dabei auch nur je eine CD produziert zu haben. Wissen Sie wer die grösste Hotelkette der Welt ist? Airbnb. Ohne dabei je ein eigenes Hotel besessen zu haben. Oder kennen Sie das grösste Taxiunternehmen der Welt? Uber. Ohne dabei auch je ein eigenes Fahrzeug besessen zu haben.

Auch das Konsumverhalten hat sich total geändert! Früher kaufte man entweder günstig, in der Mitte oder teuer ein! Oft immer am gleichen Ort. Die Kunden waren schlechter informiert als heute. Vieles lief über den persönlichen Kontakt. Meine Eltern zum Beispiel kauften nur immer bei Migros ein. Sie gingen nie in ein teures Fachgeschäft, sonst würden die Nachbarn denken man sei reich. Sie kauften aber auch nicht bei Denner ein, schliesslich war man auch nicht arm!  Der Kunde heute kauft sowohl günstig, wie auch teuer ein. Er geht zum Lidl, Coop und in den Globus. Ich hatte mal das Vergnügen bei einem der reichsten Schweizer eingeladen zu sein. Zum Trinken gab es einen 300 CHF teuren Wein, dazu günstiges M-Budget Wasser. Durch das Internet ist der Kunde heute auch sehr gut informiert und er kauft Online ein.

Was hat dieses neue Konsumverhalten für Auswirkungen auf die Fitnessbranche?

  • Kunden wissen sehr gut Bescheid über Training und Ernährung
  • Kunden vergleichen
  • Wer im Discountcenter trainiert, muss nicht „arm“ sein

Erst vor kurzem konnte ich an einem Meeting von Einzelstudios in der Schweiz teilnehmen. Dort wurden die Teilnehmer gefragt, wie sie die Zukunft sehen, vor allem auf Grund der Tatsache, dass die Ketten und Discounter weiter wachsen. Alle Teilnehmer waren sich zwar einig, dass zukünftig die Marktsituation schwierig wird, doch keiner der Teilnehmer sah die Situation als existenzbedrohend an.

Diese Einschätzung teile ich nicht! Ich bin überzeugt, dass in der Schweiz in 10 vielleicht 15 Jahren viele der heutigen Einzelstudios über 1‘000 m2 nicht mehr geben wird! Es passiert nun in der Fitnessbranche, was im Detailhandel vor 20 Jahren passiert: Es findet eine totale Marktbereinigung statt. Oder kennen Sie noch ABM, Waro, EPA oder Pick Pay? Sind alle verschwunden!

In den grösseren Einzugsgebieten (ab 25‘000 Einwohner) machen zukünftig mehrheitlich die grossen Ketten das Massengeschäft (ab 1‘000 m2) unter sich aus! Aber auch bei den Ketten wird es eine Konsolidierung geben und wir werden auch dort noch einige Übernahmen erleben.

Welche Einzelstudios gibt es in 10 Jahren definitiv nicht mehr? Aus meiner Sicht sind es die Folgenden:

  • Schlechte Dienstleister
  • Wer heute schon eine ungenügende Rendite hat
  • Grössere Center die nicht gut positioniert sind und alle Zielgruppen ansprechen wollen
  • Wer kein Experte in seinem Fach ist
  • Inhaber welche nicht mehr selber im Geschäft stehen
  • Center mit Nachfolgeproblemen

Selbstverständlich wird es sie aber noch geben, die erfolgreichen Einzelstudios, welche trotz Ketten und Discountern auch zukünftig erfolgreich wirtschaften. Welche Einzelstudios können überleben und wer von hat die besten Zukunftschancen? Aus meiner Sicht ganz klar:

Wer mit seinem Fitnesscenter in seinem Einzugsgebiet eine starke Marke hat und der Experte ist!

Dabei muss das Center das Folgende erfüllen:

  1. Top Service & Dienstleistung (Kunden überraschen)
  2. Top Betreuung (Kunde braucht Trainingserfolg)
  3. Wir-Gefühl (Events, Persönlich)
  4. Sich permanent hinterfragen, tun wir noch das Richtige und bereit sein für Veränderungen

Wenn also starke Marken überleben, sind dann Markenprodukte besser als No-Name-Produkte? Meistens nicht! Es gibt viele Beispiele bei der Stiftung Warentest, wo die No-Name-Produkte gleich oder sogar besser abschneiden als die teuren Markenprodukte. Die krassesten Beispiele dafür gibt es in der Kosmetikindustrie. So findet man hier einen Test mit Nachtcremen für Frauen. Gemäss Testlabor ist die Wirkung der getesteten Cremen absolut identisch. Die günstigste No-Name Creme kostet 18 CHF, die Creme in der Mittelklasse 80 CHF und die teure Luxusmarke 800 CHF! Das identische Produkt, mit der gleichen Wirkung!

Die Qualität der No-Name-Produkte ist also oft gleich. Trotzdem ist der Kunde für eine Marke bereit mehr zu bezahlen.

Was macht den Wert einer Marke aus? Es sind dies:

  • Qualität
  • Bekanntheit
  • Akzeptanz
  • Vertrauen
  • Identifikation

Entscheidend ist die Identifikation! Das beste Erfolgsgeheimnis für Einzelstudios gegen die grossen Ketten lautet deshalb:

Die Kunden müssen Fans Ihrer Marke werden!

Was ist der Unterschied zwischen Kunden und Fans? Kunden muss man über Rabatte locken. Fans kommen alleine. Kunden geben ihr Geld aus. Fans verschenken ihr Herz. Kunden wechseln, Fans bleiben! Kunden reklamieren, Fans verzeihen! Kunden sind Kritiker, Fans sind Werbeträger!

Würden Sie ein Produkt kaufen, welches ziemlich unzuverlässig, reparaturanfällig und nicht wirklich innovativ ist und im Vergleich zur Konkurrenz viel zu teuer? Sie nicht, aber hunderttausende Töff-Fans machen es. Oder anders gefragt: Haben Sie schon einmal einen Hells Angels gesehen der auf einer Yamaha fährt?

Harley Davidson hat keine Kunden! Ein Kunde kauft keine Harley! Würde man nämlich eine neutralen emotionslosen Vergleich der Töffmarken machen, würde Harley keinen einzigen Töff mehr verkaufen! Nein, Harley hat Fans!

Machen Sie aus Ihren Kunden im Fitnesscenter Fans! Ich wünsche Ihnen dabei einen guten Ride! Ihr Roger Gestach.