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Die Bedeutung der Muskulatur und die Fitnessbranche

Fortsetzung von FITNESS TRIBUNE Nr. 193

Vorbemerkungen

Die am Ende der letzten Ausgabe gestellten Fragen zur Bedeutung der Muskeln, haben angesichts der aktuellen Vorgänge in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie sozusagen eine neue Dimension erhalten. Von den zwei Fragen «a) Wenn die Muskulatur so fundamental wichtig für den Menschen und seine Gesundheit ist, warum tragen wir als Spezies Mensch ihr denn nicht mehr Sorge?» und «b) Wenn die Muskulatur so fundamental wichtig für den Menschen ist, warum wird denn die Fitnessbranche, die als einzige effizientes Muskeltraining für jede Frau und jeden Mann anbietet, nicht als systemrelevant angesehen und beispielsweise während einer Pandemie gleich geschlossen?» ist zumindest letztere (Frage b) verhältnismässig einfach zu beantworten:

1. Eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung kennt die Fitnessbranche nicht von innen.

Das wird sich aber ändern. Wenn man davon ausgeht, dass die Fitnessbranche heute einerseits etwa 1,2 Millionen Mitglieder zählt, andererseits auf Grund der bekannt hohen Fluktuation wohl noch einmal so viele Ex-Mitglieder «Fitnesscentererfahrung» besitzen, dann sind dies eben nur etwa 28 Prozent der Schweizer Bevölkerung. Erreicht die Branche aufgrund eines gesteigerten Gesundheitsbewusstseins und Anstrengungen einmal skandinavische (= 20–22 Prozent) oder gar amerikanische Werte (= über 25 Prozent), dann wird die Dienstleistung der Fitnesscenter in einem viel grösseren Bevölkerungssegment bekannt sein.

«Der beste Indikator
für funktionelle Unabhängigkeit im Alter
ist der Oberschenkelumfang»

Walt Bortz
Stanford Medical School

2. Das Image der Fitnessbranche ist noch zu viel «Lifestyle» und zu wenig «Gesundheit».

Das Image muss sich ändern und vielfältiger sowie bedürfnisgerechter werden. Dies braucht grosse, länger dauernde und insbesondere gemeinsame Anstrengungen. Um das Image zu ändern und bedürfnisgerechter, d. h. vielfältiger zu machen, braucht es ein Distributionsnetz vielfältiger Center über das ganze Land. Das schaffen die Ketten nicht alleine und die inhaberbetriebenen Einzelcenter auch nicht. Für Bedürfnisgerechtigkeit braucht es Vielfalt. Auch die Ausrichtung auf Lifestyle oder Gesundheit oder Schönheit und Attraktivität allein wird nicht genügen. Auch eine 85-jährige Frau will selbstverständlich noch möglichst attraktiv sein, trotzdem steht ein Knackpo vielleicht nicht mehr zuoberst auf der Prioritätenliste, sondern den Einkauf nach Hause tragen und deshalb selbständig leben zu können. Und dem Arzt für innere Medizin ist in Zusammenhang mit Diabetes Typ 2 der Muskel als sehr stoffwechselaktives Gewebe wichtiger, als dem 18-jährigen Burschen der V-Oberkörper dank eines super trainierten Latissimus dorsi.

«Funktionelle Unabhängigkeit
im Alter ist eine Frage der Kraft,
nicht des Herzkreislaufvermögens»

Maria Fiatarone Singh
University of Sydney

 

3. Die Fitnessbranche hat noch zu wenig Wirtschaftskraft und ökonomische Bedeutung für die Schweiz.

Die relative ökonomische Bedeutung wird sich kaum signifikant ändern. Selbst wenn sich die Anzahl der Center und/oder der Kunden verdoppelt, wird die Fitnessbranche kein Machtfaktor der Schweizer Wirtschaft.

4. Das Image der Muskulatur ist aus verschiedenen Gründen nicht gut.

Das kann erklärt und deshalb auch geändert werden. Um das Image der Muskulatur zu verbessern, müssen die Gründe für das aktuelle eher negativ belastete Image verstanden werden. Darüber handelt dieser Beitrag.

Das belastete Image des Muskels ist der Evolution geschuldet

Das Image der Muskulatur ist belastet durch die Evolution. Während sich die Pflanzenwelt autotroph von Licht, Luft und Wasser ernährt und sich dazu offensichtlich nicht bewegen muss, ernährt sich der Mensch wie die gesamte Tierwelt heterotroph und isst andere Organismen. Dazu braucht es Bewegung und dazu wiederum Muskeln. Kontrahierende Muskeln sind aber Energieschleudern; denn der Wirkungsgrad bei Muskeltätigkeit beträgt etwa 30 Prozent kinetische (= Bewegungsenergie) und zu 70 Prozent thermische Energie (= Abwärme). Die Muskulatur ist also nicht besonders effizient, denn sowohl der Verbrennungsmotor und insbesondere der Elektromotor erreichen höhere Werte. Weil die Verhältnisse das Verhalten prägen, hat die stets herrschende Knappheit an verwertbarer Energie (= Nahrung) dazu geführt, dass Tiere und Menschen angeboren dazu tendieren, sich nur zu bewegen, wenn es nötig ist. Das Bewegungslernen findet im frühen Kindesalter statt, wenn die zu bewegenden Massen klein und die Energiekosten deshalb tief sind.

Wirkungsgrad

Der Wirkungsgrad ist das Verhältnis
von Aufwand zu Ertrag.
Bei der Muskulatur oder bei Motoren
ist das eben das Verhältnis von zugeführter Energie
zur erwünschten resultierenden Energie.

Seit Jahrmillionen sucht die Gattung Homo und insbesondere die Spezies Homo sapiens recht erfolgreich nach Möglichkeiten, die für Muskelkontraktionen benötigte Energie zu reduzieren – von der Erfindung von Faustkeilen über das Rad und die Arbeitsteilung bis hin zur Mechanisierung und Digitalisierung – immer erhöhen neue Entwicklungen und Erfindungen die Möglichkeiten menschlichen Handelns und/oder sie senken den Energiebedarf. Die Digitalisierung und die damit verbundene Möglichkeit des «Homeoffice» haben das eindrücklich gezeigt – auch in der Gewichtszunahme vieler Menschen während der pandemiebedingten Lockdowns… Das durch die Evolution geprägte normale Verhalten von Warmblütern wie Homo sapiens ist «so viele Kalorien als möglich sichern, so wenig Kalorien als möglich brauchen, denn Muskeln sind Energieschleudern»! Das führt unter anderem dazu, dass beispielsweise bei der Berufswahl jene Berufe bevorzugt werden, bei denen man gemütlich und im Winter in der Wärme sitzen kann. In Verbindung mit dem Nahrungsmittelüberfluss in der sog. zivilisierten Welt führt das stete streben nach Erleichterungen zu einer richtig toxischen Mischung.

Die überragende Bedeutung der Muskulatur

Die überragende Bedeutung der Muskulatur muss in die Köpfe der Menschen, in die Lehrpläne von Schulen und Universitäten, ins Handeln der Politik etc. etc. Die Muskulatur ist viel mehr als Lifestyle und Schönheit. Dabei ist es natürlich nicht der Muskel alleine, es ist die Sensomotorik, die uns in einem hoch komplexen Rückkoppelungssystem überhaupt erlaubt, mit der Umwelt zu leben, mit ihr in Kontakt zu treten, sie zu beeinflussen. Ohne die Sensomotorik bliebe Homo sapiens einzig Schwitzen als Möglichkeit über die Verduns-tungsenergie Einfluss auf die Umgebung zu nehmen. Wir könnten noch Denken, aber nicht sprechen, nicht schreiben, nicht sehen, nicht tasten, nicht…

Die Sensomotorik besteht aus den Muskeln und den Sinnesorganen mit den dazugehörenden Hirnarealen, dem Rückenmark sowie den zubringenden (afferenten) Nervenbahnen der Sinnesorgane und die wegführenden (efferenten) Nervenbahnen zur Muskelstimulation. Erst durch die Muskeln werden Wahrnehmungen sinnvoll – unabhängig von welchem Sinnesorgan sie stammen. Die Muskeln liefern die Bewegungsenergie, die Kraft, um überhaupt auf die Umgebung adäquat zu reagieren und einzuwirken.

Dabei verlangen wahrgenommene Umweltsituationen unterschiedliche Muskelreaktionen bezüglich der Grösse und Dauer der für eine angepasste Reaktion nötigen Bewegungsenergie. Die Grösse der produzierbaren Bewegungsenergie ist abhängig vom diesbezüglich grössten Potential der Muskeln, d. h. die Grösse der pro Zeit produzierbaren Bewegungsenergie. In der Terminologie der Trainingslehre heisst diese Bewegungsenergie Power bzw. Schnellkraft. Die Fitness- und Trainingscenter sind gegenwärtig der einzige Ort, an welchem jede Frau und jeder Mann mit den individuell optimalen Belastungen das Potential von jedem Bewegungsmuskel effizient trainieren können.

Die Fitness- und Trainingscenter erlauben es als einzige Anbieter im Markt ihren Kunden, die eigenen Voraussetzungen für eine passende Bewegungsreaktion für ein grosses Spektrum an Umweltsituationen zu schaffen. Aber dabei allein darf es nicht bleiben… Lesen Sie mehr in der nächsten FITNESS TRIBUNE.

Paul Eigenmann

QualiCert AG

www.qualicert.ch