
Product – Die menschliche Interaktion vor Ort forcieren
Unabhängig von jedweder politischen Diskussion, ob aktuelle Corona-Massnahmen angemessen sind oder nicht, müssen wir faktisch festhalten: die 2G- oder sogar 2G+-Regeln, wie sie vielerorts im Winter Einzug gehalten haben, stellen für Mitglieder eine weitere Hürde für den Studiobesuch dar und erschweren somit die Bedingungen für Mitglieder und Betreiber zugleich. Demzufolge muss der Mehrwert eines Vor-Ort-Erlebnisses noch viel deutlicher fokussiert werden, um diesen Zustand auszugleichen oder im Wettbewerb mit Home-Fitness-Anbietern, wie etwa Peloton, ein starkes Abgrenzungsmerkmal zu verwenden.
Das Produkt Fitness im Studio hat den klaren Vorteil, dass Menschen direkt mit Menschen interagieren können. Das betrifft zwei Bereiche, nämlich den Kontakt zwischen Trainer und Mitglied sowie zwischen Mitglied und Mitglied. Der Trainer hat durch die direkte Interaktion die Möglichkeit, sein Coaching direkt an der Person durchzuführen und somit einen höheren Mehrwert zu stiften als standardisierte Online-Angebote, weil er gezielter und unmittelbarer auf sein Gegenüber eingehen kann. Wichtig hierbei ist aber, dass Sie es Ihrem Personal aber auch ermöglichen, diesen menschlichen Kontakt so gut es geht proaktiv zu nutzen, indem sie den Fokus von repetitiven, administrativen Aufgaben nehmen und somit Kapazitäten für die Interaktion schaffen (mehr dazu im Abschnitt «Prozess»). Somit wird die Fülle an Traineraufgaben während des Coachings in Summe reduziert und das Produkt Trainingsbetreuung bekommt durch eine folglich intensivere Auseinandersetzung direkt mit dem Kunden eine ganz neue Qualität.
Gleichzeitig ermöglicht der Kontakt zwischen den Mitgliedern es Ihrem Studio, eine Community zu erschaffen, die ein Gemeinschaftsgefühl vermittelt. Es geht dabei nicht nur darum, gemeinsam an der Theke einen Kaffee zu trinken, sondern gemeinsam Erlebnisse zu schaffen, die begeistern und die den zusätzlichen Aufwand eines Studiobesuchs rechtfertigen. Kreieren Sie in Ihrem Studio eine Nutzererfahrung, die Ihre Kunden an Sie bindet, indem Sie ein ineinandergreifendes Konzept entwickeln, welches Mitglieder emotional ergreift. Ob Sie bewegende Kurskonzepte entwickeln, in denen Ihre Kunden sich gemeinsam motivieren können, oder Räume und Veranstaltungen zur Interaktion schaffen, eine feste Integration in die Studiogemeinschaft als grosses Ganzes bringt Zugehörigkeit und verstärkt die Mitgliederbindung.
Price – Flexible Vertragsgestaltung ohne Rabattschlachten
Die Corona-Zeit hat nicht nur bei den Anbietern deutliche Spuren hinterlassen, auch unsere Kunden haben diese Zeit von ihrer Seite aus erlebt und mussten sich anpassen. Bedürfnisse und Anforderungen haben sich verändert. Zunehmend werden flexiblere Lösungen für Mitgliedschaften verlangt. Auch der Gesetzgeber mischt sich mittlerweile in die Vertragsgestaltung ein (Stichwort «Faire Verbraucherverträge-Gesetz»). Home-Fitness-Anbieter, wie etwa Freeletics, bieten hier bereits nur Mitgliedschaften im Bereich drei bis maximal zwölf Monaten an, während andere Anbieter wie DAZN, Netflix oder auch Sportaggregatoren wie Urban Sports Club, fast ausschliesslich auf Ein-Monat-Modelle setzen. Fitnessstudios werden hier nachziehen müssen, um den veränderten Kundenbedürfnissen gerecht zu werden. Ob dies final wirklich monatliche Mitgliedschaftsmodelle bedeutet oder andere Laufzeiten sich durchsetzen werden, wird die Zukunft zeigen, aber die 24-Monate-Mitgliedschaft mit längerfristiger Vertragsverlängerung, auf dem so viele Konzepte der Fitnessbranche noch immer aufbauen, wird sich langsam als primäres Angebot verabschieden.

Gleichzeitig müssen aber besonders die wirklichen Premium-Anbieter lernen, sich aus dem immer wiederkehrenden Rabattschlachten herauszuhalten. Gerade in Sachen Mitgliedsbeitrag müssen wir dem Kunden klarmachen können, dass unser Preis gerechtfertigt ist. Individuell angesetzte Preissenkungen, sei es individuell pro Mitglied oder auch als Gesamtes z. B. durch einen Rabatt einer Aufnahmegebühr, waren noch nie eine gute Idee, denn sie werfen beim Kunden letztlich die Frage auf, ob der ursprünglich angesetzte Preis angemessen ist bzw. war. Zudem kann gerade wegen individuellen Preissenkungen im Verkaufsgespräch Neid innerhalb des Fitnessstudios geschürt werden. In beiden Fällen gilt: der Ärger ist vorprogrammiert. Schafft man klare, nachvollziehbare und insbesondere indiskutable Preise, wird das eigene Leben als Studioverantwortlicher, wie auch eines jeden Mitarbeiters deutlich leichter.
Place – hybride Konzepte vs. Fokus auf die vier Wände
Digitalisierung ist ein schon lange anvisiertes Thema der Branche. Die vergangenen zwei Jahre haben für einen beschleunigten Wandel gesorgt. Teilweise werden sogar ganze Dienstleistungssparten online angeboten und durch digital aufbereitete Inhalte abgewickelt. Die grosse Frage ist, wo sich die Dienstleistung zukünftig hauptsächlich abspielen wird. Hierbei gibt es zwei Optionen: zum einen könnte sich ein hybrides Modell langfristig etablieren und dem Bedarf an digitalen Leistungsnutzungen nachkommen. Dies würde neue Potentiale für überregionalen Mitgliederzuwachs eröffnen. Die andere Möglichkeit ist das Fokussieren auf die Leistung im Rahmen der eigenen vier Wände als Kernkompetenz der meisten Trainer und Studio-akteure. Wie bereits im Absatz «Produkt» beschrieben, besteht hier auch ein deutliches Abgrenzungsmerkmal zu Home-Fitness-Anbietern.
Bislang gibt es viele Diskussionen mit starken Meinungen und verschiedenen Argumentationsgrundlagen. Allerdings ist noch keineswegs eine verlässliche Tendenz erkennbar – wir können nicht mit Sicherheit sagen, in welche Richtung sich das Schiff bewegen wird. Trotzdem ist es für die strategische Ausrichtung Ihres Unternehmens wichtig, eine Entscheidung zu treffen, wie Sie sich in Zukunft positionieren wollen. Setzen Sie auf hybride Angebote und investieren in den Auf- und Ausbau digitaler Möglichkeiten? Oder perfektionieren Sie das Portfolio bei Ihnen vor Ort? Eine Orientierung an Marktbegleitern ist möglich, nimmt Ihnen jedoch Zeit und Geschwindigkeit und somit Wettbewerbsvorteile, die in einem hart umkämpften Markt mit gänzlich neuen Anbietern entscheidend sein können. Als Betreiber werden Sie auf kurz oder lang nicht um diese Fragestellung herumkommen und müssen dann wählen, welche Strategie Sie fahren und womit Sie Ihre Zielgruppe am besten bedienen können.

Promotion – Betonung auf den echten Kundennutzen
Kunden kaufen in der Regel keine Gerätemarke im Studio, durchtrainierte Menschen auf Plakaten oder besondere Trainerpersönlichkeiten. Kunden kaufen eine Lösung für ihr Problem. Hier muss der Fitnessanbieter verdeutlichen, wie er das Problem lösen kann. Dabei kann sie natürlich einer der vorrangigen Punkte unterstützen, aber die zentrale Werbebotschaft darf es nicht sein.
Content-Marketing dürfte diesbezüglich das wesentliche Instrument im Jahr 2022 werden. Der Kunde kann so über diverse Marketing-Instrumente wie Blogartikel, ePapers, Podcasts, YouTube-Videos etc. sich ein Bild vom Know-how des künftigen Studios machen. Erst diese regelmässigen, positiven und wertstiftenden Kontakte mit dem Anbieter werden mittelfristig zur Kauf-entscheidung führen. Hauruck-Marketing-Massnahmen gehören bald der Vergangenheit an.
People – Gutes Personal kostet Geld
Die Fitnessbranche gehört zu den Branchen, welche die Corona-Krise auch personell schwer getroffen hat. Es mangelt an gutem Personal, da viele Mitarbeiter während des Lockdowns in andere Berufszweige abgewandert sind (Quelle: fitness MANAGEMENT). Dieses Verhalten kommt wenig überraschend, denn wenn man Anforderungen für die Jobs und das dafür gezahlte Gehalt miteinander vergleicht, so ist doch (zumindest in den qualitätsorientierten Fitnessstudios) ein gewisses Ungleichgewicht vorhanden. Dass wir unsere besten Köpfe verlieren, wird sich daher auch in Zukunft wahrscheinlich regelmässig wiederholen. Das Gehalt ist zwar sicherlich nicht alles, aber letztlich doch ein entscheidender Faktor. Machen wir uns also klar, dass wir nur mit einem wettbewerbsfähigen Gehalt unsere Mitarbeiter auch dauerhaft werden halten können.
Aber nicht nur die Bezahlung ist ein grosses Thema, auch die Qualifikation steht seit Jahren auf der Agenda der Trendreports. Hier sind in der Vergangenheit auch Besserungen erkennbar. Wenn man zudem den vorherigen Abschnitt zugrunde legt, dann muss man auch sagen dürfen, wer gut bezahlt, darf auch eine entsprechende Qualifikation verlangen.
Wichtig ist aber genauso, dass hier von Personal die Rede ist, welches solche Qualifikationen bereits erworben hat. Viel zu viele Anbieter sprechen immer davon, dass ihnen höchst qualifiziertes Personal von grösster Bedeutung ist. Gleichzeitig sehen wir in der Branche sehr oft Anlagen, die mit einer hohen Rate an dualen Studenten geführt wird. Begründet wird dies dann gerne damit, dass jene dualen Studenten eine hohe Qualifizierung durch die Hochschule geniessen. Das Entscheidende ist dabei aber, dass sich diese noch in der Ausbildung befinden. Eines Tages mögen sie zwar höchst qualifizierte Mitarbeiter sein, aber in der Regel fehlt diesen naturgemäss zum aktuellen Zeitpunkt noch sowohl Wissen als auch Erfahrung. Beides können duale Studenten auf gehobenem Niveau schlichtweg noch nicht liefern, sodass bereits fertig ausgebildete und erfahrene Personen benötigt werden, um den Qualitätsanspruch in der Personalplanung zu gewährleisten. Diese müssen das Kernteam meines Betriebs ausmachen, während Personen in der Ausbildung als Ergänzung dienen und von der Erfahrung der Kollegen profitieren können.
Process – Effektivität und Effizienz beachten
Viele Studios haben bereits grundlegende Abläufe definiert und wickeln verschiedene Prozesse mehr oder weniger standardisiert ab. Gerade vor dem Hintergrund, dass in den letzten Jahren zunehmen reine Online-Anbieter mit intelligenten Softwares und grossen Skalierungspotenzialen den Markt betreten haben, droht durch exakt geplante und maschinell automatisierte Prozesse eine sehr effiziente Konkurrenz. Für Betreiber gibt es hier noch zahlreiche Stellschrauben. Dabei soll es aber nicht darum gehen, bloss weitere Leistungsdetails zu ergänzen und somit mehr Arbeit auf den Schultern des Personals zu verteilen, sondern sich anzuschauen, welche Teilprozesse ich effizienter gestalten kann, um eine noch bessere Kundenerfahrung bei maximal gleichem Aufwand bieten zu können.
Hierzu ist aber zunächst eine konkrete Vorstellung der Prozesse notwendig. Sie müssen klar definiert und strukturiert werden. Wie so etwas angegangen werden kann haben Andreas Bechler und Stefan Rauch in ihrem Artikel Blueprinting in der Fitnessbranche (siehe unten) vorgestellt. Im Endeffekt geht es darum, sich anzuschauen, welche Aufgaben Mitarbeiter zwingend selbst übernehmen müssen und welche durch Digitalisierung sinnvoll automatisiert werden können. Das Potential ist enorm, denn wenn ich administrative Aufgaben wie das Erstellen und Zuweisen eines Trainingsplans oder sogar Teile der Einweisung digitalisieren bzw. automatisieren kann, dann muss mein Trainer sich darum nicht mehr kümmern und kann sich voll und ganz auf die individuelle Betreuung und das Gespräch fokussieren, besser zuhören und Reaktionen aufnehmen, somit eine Beziehung zum Mitglied aufbauen, stärker zum Trainingserfolg beitragen und somit letztlich die Kundenbindungsrate erhöhen.
Ein aktuelles Beispiel könnte etwa ein, wie der Onboarding-Prozess für ein Neumitglied funktioniert, das online einen Vertrag abgeschlossen hat. Wie motivieren Sie die Person, das erste Mal ins Studio zu kommen? Wie vergeben Sie Einweisungstermine und wie funktioniert dann das Onboarding vor Ort? Welche Berührungspunkte gibt es und welche Aufgaben fallen dabei an? Wie werden diese nachgehalten? Welche davon muss zwingend mein Trainer übernehmen und welche können auch über automatisierte Kommunikation oder Softwares geregelt werden? Idealerweise gibt es klar definierte Abläufe wie und in welcher Frequenz Sie mit Ihren Neukunden interagieren und wie Sie fest integrierte Teilprozesse zur Eingliederung in die Studiocommunity durchlaufen. Wichtig ist, dass ein Zahnrad ins nächste greift.
Physical Environment – Die Einzigartigkeit des Studios spiegelt sich in der Anlage
Betritt man eine Filiale bekannter Brands, so weiss man häufig, selbst wenn man den Brandnamen nicht gesehen haben sollte, in welcher Filiale man sich befindet. Bekannte Brands haben es verstanden, einen Wiedererkennungswert in die physische Umgebung der Filiale zu transportieren. Zahlreiche Fitnessstudios unterscheiden sich aber nicht merklich voneinander. Würde man als Kunde die Person hinter der Theke nicht kennen, so wäre optisch die Anlage nicht von anderen im grossen Masse unterscheidbar. Auch hier kann man sich mit individuellem und wiedererkennbaren Studiodesign und Logo sowohl Offline als auch Online und sowohl als Ketten- wie auch als Einzelanbieter von der Konkurrenz absetzen und sich somit für den Kunden wiedererkennbar machen. Im besten Fall schafft man es sogar, dies von der Offline- in die Online-Welt zu übertragen.
Fazit
Die Fitnessbranche steht 2022 vielen Herausforderungen gegenüber. Leicht wird es sicherlich nicht, aber wie heisst es so schön im Fitnessbereich: «No Pain, No Gain». Packen wir die Herausforderungen unserer Branche also an und bewältigen sie. Denn eines ist gewiss, die Fitnessbranche hat definitiv eine Zukunft!
Schön, dass Sie es bis zum Ende unseres Artikels geschafft haben. Was ist Ihre Meinung dazu? Welche Herausforderungen sehen Sie für die Fitnessbranche im Jahr 2022? Wir freuen uns auf Ihre Meinung. Einfach den QR-Code scannen und auf LinkedIn mitdiskutieren. Zusätzlich finden Sie dort noch einige weiterführende Artikel und Podcasts zu den einzelnen Punkten.
Literaturverzeichnis
- Bechler, Andreas (2021): «Kann die Fitnessbranche sich niedrige Gehälter auf Dauer leisten?», online abrufbar unter: https://www.linkedin.com/pulse/kann-die-fitnessbranche-sich-niedrige-geh%C3%A4lter-auf-dauer-bechler/ (Stand: 05.01.2022)
- Bechler, Andreas (2021): «Warum kurze Vertragslaufzeiten die Fitnessbranche dominieren werden», online abrufbar unter: https://www.linkedin.com/pulse/warum-kurze-vertragslaufzeiten-die-fitnessbranche-werden-bechler/ (Stand: 05.01.2022)
- Rauch, Stefan / Bechler, Andreas (2021): «Blueprinting in der Fitnessbranche», FITNESS TRIBUNE Nr. 191, S. 88 ff., Fitness-Experte AG
- Rauch, Stefan / Bechler, Andreas (2021): «Das hybride Studiomodell – Tipps zur Umsetzung», TT-Digi 2-2021, S. 92 ff., Verlag für Prävention & Gesundheit GmbH
- Scheller, Nico / Bechler, Andreas (2021): «Monatlich kündbare Mitgliedschaften erfolgreich im Studio umsetzen», Hashtag Fitnessindustrie, Folge 44
- Zott, Nadine / Bechler, Andreas (2021): «Moderne Kommunikation für Gesundheitsanbieter», Hashtag Fitnessindustrie, Folge 52
- Weirich, Dominik (2021): «Interview mit Dominik Weirich, FACEFORCE GmbH, zur Kampagne: Mitarbeiter suchen & finden», online abrufbar unter https://www.fitnessmanagement.de/digital/interview-dominik-weirich-faceforce-mitarbeiterrekrutierung-faceforce-kampagne (Stand: 05.01.2022)