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Ein guter Umgang mit Reklamationen zahlt sich aus

Eigentlich machen wir ja alles richtig. Immer! Alle! Die Kunden werden von uns allen wie Königinnen und Könige behandelt und es ist selbstverständlich, dass wir von diesen auch das entsprechende Verhalten erwarten dürfen. Wir bieten keinen Anlass für Beschwerden und sollte sich doch einmal einer dieser Edlen getrauen, sich bei uns zu beschweren, verlieren sie ihren angesehenen Status und werden postwendend der Gruppe Pöbel zugeteilt und erfahren auch die entsprechende Behandlung.

Hand aufs Herz – Königinnen und Könige können einem doch hin und wieder so richtig zünftig auf die Nerven gehen. Immer im Recht, über allem stehend, anspruchsvoll und aufsässig. Oft fehlt ihnen auch der nötige Respekt und dies macht es für uns noch schwieriger, auf ihre Beschwerde einzugehen. Soll es also wirklich unser Ziel sein, diese anspruchsvolle Kundschaft in Zukunft so zu behandeln, dass sie sich danach wie Kaiserinnen und Kaiser fühlen und aufführen?

Die Theorie

In der Theorie ist das Beschwerde-Management (Complaint-Management) ein Bestandteil des Kundenbeziehungs-Managements (Customer-Relation-ship-Management oder CRM). Innerhalb des CRM gilt unser Fokus in der Regel den Bereichen Marketing und Verkauf, der Bereich Service kommt eher zum Schluss. Und im Bereich Service kommt ganz am Ende die bei vielen unbeliebte Disziplin der Bearbeitung von Beschwerden. Nicht weiter erstaunlich, wird das Wort Beschwerde doch vom Verb «beschweren» mit der Bedeutung «mit etwas Schwerem belasten» abgeleitet.

Die Theorie besagt aber, dass die messbare Zufriedenheit eines Kunden bei einer guten Bearbeitung einer Beschwerde danach auf einem deutlich höheren Level liegt als zuvor. Ziel ist es also, die Zufriedenheit nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern zu steigern. Dies ist doch eine erfreuliche Tatsache, die unsere Aufmerksamkeit auf den Umgang mit Reklamationen erregen sollte – wissen wir doch, dass eine höhere Zufriedenheit unserer Kundinnen und Kunden auch grossen Einfluss auf die Erneuerungsrate haben wird. Aber mit welchen einfachen Massnahmen können wir auf die Qualität der Reklamationsbearbeitung in der Praxis Einfluss nehmen?

Die Praxis im Fitnessbereich

Beschwerden entspringen immer einem oder mehreren Fehlern, egal, ob diese objektiv vorhanden sind oder nur der individuellen Wahrnehmung eines Gastes entspringen. Kundinnen und Kunden haben deshalb ein ehrliches Bedürfnis, eine Beschwerde einzureichen. Sie nehmen diesen Aufwand allerdings nur auf sich, wenn ihnen die angebotene Dienstleistung und die Infrastruktur auch etwas bedeuten, wenn also eine emotionale Bindung vorhanden ist. Ist diese nicht vorhanden, so werden sie sich die Mühe für eine kritische Rückmeldung nicht machen. Sie haben allenfalls bereits innerlich gekündigt und wir merken nichts davon.

Wo wir ständige Nörgler vermuten, verstecken sich aber oft sehr treue und anspruchsvolle Kunden, die uns helfen möchten, unsere Leistungen zu verbessern. Sie haben den Mut, aus der Kundenmasse hervor zu treten, sich zu erkennen zu geben und es liegt an uns, diese Chance am Schopf zu packen. Unsere Einstellung gegenüber Kritik ist matchentscheidend. Wir müssen für jedes Feedback von Kunden dankbar sein und uns bewusstmachen, dass diesen unsere Angebote wichtig sind und sie sich gerne auch in Zukunft bei uns aufhalten möchten. Wer ausser unseren treuen Kunden könnte Missstände besser aufdecken? Zudem müssen wir davon ausgehen, dass es unter unseren Gästen sicher auch solche gibt, die sich am gleichen stören, sich aber nie melden werden.

In vielen Fitnessbetrieben werden die Gäste deshalb dazu aufgefordert, ihre Reklamationen in schriftlicher Form auf vorbereiteten Formularen in einen Briefkasten zu werfen. Dieser Briefkasten lässt sich auch einfach auf einer Homepage einrichten. Aber aufgepasst: Erste Möglichkeit muss immer der direkte Kontakt mit einem Mitarbeitenden bleiben. Wenn ich mich darüber beschweren möchte, dass in der Toilette schon wieder das Papier fehlt, so möchte ich dazu nicht ein Formular ausfüllen müssen, sondern dass sich sofort jemand darum kümmert und dies in Ordnung bringt.

Reklamationsbehandlung ist nicht (nur) Chefsache

Jede Beschwerde braucht einen Besitzer (Complaint-Owner). Er oder sie trägt ab Eingang bis Abschluss der Reklamation die Verantwortung und sorgt dafür, dass die Beschwerde den internen Richtlinien entsprechend bearbeitet wird. Was aber nicht bedeutet, dass die Besitzer das Problem alleine lösen müssen. Betrifft eine Reklamation einen anderen Bereich, so holen sich die Beschwerdebesitzer die nötigen Informationen bei ihren Kollegen, bereiten diese auf und geben sie als Antwort an den Kunden weiter. Ein häufiger Fehler ist, dass Beschwerden einfach an die Kollegin oder den Kollegen zur Beantwortung weitergegeben werden. Damit gibt man die Kontrolle aus der Hand und die Beantwortung erfolgt verspätet, gar nicht oder unzureichend.

Aber nicht alle Mitarbeitenden eigenen sich als Beschwerde-Besitzer. Mit dem Motto «jeder kommt mal dran», wird die Chance auf Erfolg verkleinert. Wer Beschwerden bearbeitet, muss ein Talent dazu besitzen, muss über ein gutes Mass an Empathie verfügen und sich gut schriftlich und mündlich ausdrücken können. Zudem sollte die zuständige Person mit den Prozessen vertraut sein und in einer ersten Phase Erfahrungen mit einfachen Fällen sammeln können. Der Chef nimmt eine Controlling-Funktion wahr, kümmert sich darum, dass die vereinbarten Prozesse eingehalten werden und übernimmt dann, wenn der Beschwerde-Besitzer keine Lösung finden konnte, welche den Kunden zufrieden stellt.

Das Beschwerdegespräch: eine Anleitung

In der ersten Phase ist geduldiges Zuhören gefragt. Achten Sie darauf, dass das Gespräch an einem ruhigen Ort und nicht mitten unter anderen Gästen stattfindet. Warten Sie ab, bis der Kunde seine Beschwerde fertig formuliert hat und fallen Sie ihm nicht ins Wort. Gerade bei schwierigeren Beschwerden muss der Gast zuerst «Dampf ablassen» können. Bestreiten Sie auf keinen Fall die Aussagen des Kunden mit Aussagen wie «das stimmt nicht» oder «das ist nicht möglich». Damit giessen Sie höchstens Öl ins Feuer und Ihr Gegenüber wird erst recht in Rage kommen. Bleiben Sie freundlich und machen sich allenfalls Notizen. Hat der Kunde seine Beschwerde fertig vorgebracht, stellen Sie als erstes Verständnisfragen wie «wann genau haben sie dies festgestellt» oder «wer genau hat dies gesagt». Damit zeigen Sie Interesse, der Gast fühlt sich von Ihnen abgeholt und Sachverhalte werden richtig dargestellt. In der zweiten Phase zeigen Sie Verständnis und Ihr Bedauern, auch wenn Sie persönlich nicht dafür verantwortlich sind. Damit können vorhandene Emotionen geglättet und eine weitere Eskalation vermieden werden. Meistens hat der Kunde danach ja eine Lösung bereit. Damit ist das Gespräch auf einer sachlichen Ebene angekommen, Zusammen mit dem Gast können Sie jetzt konstruktiv diskutieren und er wird auch Ihre Argumente verstehen können.

Die schriftliche Beschwerde

E-Mails sind für Kunden wohl die beliebteste und einfachste Form der Beschwerdeführung geworden. Im Schatten einer gewissen Anonymität lassen sie sich oft zu Anschuldigungen und Beleidigungen verleiten, welche sie in einem Gespräch nie so anbringen würden. Diese kommen bei uns Empfängern meist nicht so gut an. Es empfiehlt sich daher, sich mit der Antwort etwas Zeit zu lassen und nicht aus der Verärgerung heraus eine Antwort zu lancieren. Oft suchen solche Kunden auch die Provokation und freuen sich bereits darauf, dass sie mit einer Replik auf ihren Konter noch mit etwas mehr Schärfe reagieren können. So entsteht ein unschöner Ping-Pong-Match, welcher letztendlich nur Verlierer kennt. Daher macht es Sinn, auf solche beleidigenden Wortmeldungen gar nicht schriftlich einzugehen, sondern den persönlichen Kontakt zu suchen und das Problem in einem Gespräch zu lösen. Sie werden staunen, wie anders Sie solche Kunden verhalten werden, wenn sie Ihnen gegenübersitzen!

Wenn Kunden uns auf unsere Fehler aufmerksam machen, zweifeln sie damit an unserer Kompetenz als Fitnessanbieter. Diese Kompetenz ist allerdings die Grundlage unserer geschäftlichen Beziehung. Daher ist es angesagt, solche Zweifel möglichst schnell auszuräumen und alles daranzusetzen, diese Kompetenz wiederherzustellen. Dabei steht für die Kunden nicht etwa die Lösung des Problems im Vordergrund, sondern wie wir mit dem Kunden kommunizieren! Je besser wir unsere Königinnen und Könige also verstehen, umso höher wird die Kompetenz von uns und unserem Unternehmen bewertet.

Die wichtigsten Tipps im Umgang mit Beschwerden

  • Dankbar sein und Verständnis zeigen
  • Anliegen der Kunden ernst nehmen
  • Keine Rechtfertigung von Fehlern
  • Gut zuhören, um das Problem zu erkennen
  • Nicht provozieren lassen
  • Gemeinsam nach Lösungen suchen

Andy Karrer

Centerleiter Fitnesspark Winterthur seit 2003.

Andy Karrer (59) ist ausgebildeter Pädagoge, arbeitete als Jugendhausleiter, Radiomoderator und Event Manager bevor er vor 18 Jahren den Quereinstieg in die Fitnessbranche wagte.