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Ein M weniger: Der orangefarbene Riese trimmt sich fit

Von Roger Gestach

Es war kein guter Start in den Sommer für die Migros! Innert kürzester Zeit jagte eine Negativmeldung die andere, beinahe täglich.

Globus und MFIT sollen verkauft werden

Zuerst gab die Migros Ostschweiz bekannt, dass in der Zentrale 90 Arbeitsplätze gestrichen werden. Dann gab der Migros Genossenschaftsbund (MGB) bekannt, dass sie Globus, Interio, M-Way und Depot mit insgesamt über 9‘000 Arbeitsplätzen verkaufen wollen.

Dann wurde publik, dass die Migros Ostschweiz sich von MFIT trennen will und einen Käufer sucht. MFIT verfügt aktuell über 13 Fitnesscenter, zwei Neueröffnungen stehen in den nächsten Monaten an. Ebenfalls will die Migros Ostschweiz für die Chickeria-Restaurants eine zukunftsfähige Lösung ausserhalb des Unternehmens suchen. Zudem wird sich die Migros als Betreiberin aus dem Gründenmoos, einer Sportanlage in St. Gallen mit 75 Angestellten, zurückziehen. Der Spar-übung zum Opfer fallen künftig auch freiwillige Leistungen der Migros Ostschweiz an die Mitarbeitenden. Per 1. Januar 2020 fallen die finanziellen Zuschüsse des Unternehmens für die Personalrestaurants in Gossau weg, Beiträge an den Personalanlass werden nur noch alle zwei Jahre vergütet, auch der Pensioniertentag soll nur noch jedes zweite Jahr stattfinden. Darüber hinaus sinkt der Maximalbeitrag für Klubschulen und Freizeitanlagen sowie die Kostenbeteiligung bei Aus- und Weiterbildung.

Auch in der Genossenschaft Neuenburg-Freiburg fliegen die Fetzen! Die Migros-Zentrale hat Strafanzeige gegen deren Präsidenten eingereicht. Er soll sich privat bereichert haben. Und in den anderen Genossenschaften soll auch gespart werden. In Zürich werden Lohnnebenleistungen und Personalrabatte kritisch untersucht und auch im Tessin und im Wallis werden ebenfalls Sparmassnahmen analysiert. In Basel kämpft man mit dem zunehmenden Einkaufstourismus. Bei der Migros Aare, die grösste der zehn Regio-nen, befindet man sich in der Phase der Grobanalyse, in der die gesamte Kostenbasis durchleuchtet wird. Die Karten sollen spätestens Ende 2020 auf dem Tisch liegen. Was ist los mit der Migros? Müssen wir uns Sorgen machen um den grössten privaten Arbeitgeber der Schweiz?

Einkaufexzesse bis 2017 unter Herbert Bolliger

Unter der Führung von Herbert Bolliger (Geschäftsleiter und Präsident der Generaldirektion des Migros-Genossenschafts-Bundes 2005–2017) kaufte die Migros munter ein. Eine Firma nach der anderen wurde übernommen. Wachstum und mehr Umsatz waren das oberste Ziel. Die Einkaufstouren von Herbert Bolliger erinnern an die Exzesse der damaligen Swissair. Es wurde mit der grossen Kelle angerichtet!

Doch die Zeiten haben sich geändert. Aldi und Lidl haben mittlerweile in der Schweiz eine starke Position eingenommen und haben bewirkt, dass die Migros einem erheblich stärkeren Wettbewerb ausgesetzt ist. Die Preise im Detailhandel sind seither gesunken. Dann macht der Migros, vor allem den grenznahen Genossenschaften, der Einkaufstourismus im Ausland zu schaffen. An einem Samstag sieht man beispielweise in den grossen Einkaufszentren in Konstanz oder Lörrach fast nur Autos mit Schweizer Kennzeichen. Ebenso zwingt auch der zunehmende Onlinehandel die Migros, die Kostenstruktur zu hinterfragen. Und dann steht ja noch der Markteintritt von Amazon in den Schweizer Markt an.

Gewinn in vier Jahren beinahe halbiert

In Zahlen sieht dies wie folgt aus: Hat die Migros im Jahr 2014 noch einen Gewinn von 826 Millionen Franken erwirtschaftet, belief sich der Gewinn 2018 auf «nur» noch 475 Millionen Franken. Von diesen 475 Millionen hat allein die Migros Bank 204 Millionen beigesteuert. Da bleibt im Verhältnis zum Umsatz nicht mehr viel übrig. Um es noch deutlicher darzustellen: Der Gewinn in Prozent vom Ertrag hat sich seit 2014 von 3 Prozent auf 1,7 Prozent im Jahr 2018 beinahe halbiert. Daher lautet der Auftrag von Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen an die Genossenschaften ganz klar: Sparen!

Fabrice Zumbrunnen der neue starke Mann

Fabrice Zumbrunnen

Fabrice Zumbrunnen ist seit Anfang 2018 an der Spitze des MGB und Nachfolger von Herbert Bolliger. Ein wortkarger Mann, der mit fast allen per Sie ist, aber offenbar ein genauer Analytiker ist. Intern soll er bereits den Spitznamen Fabrice «Zumverkaufen» innehaben. Mehrere Kenner der Migros sind überzeugt, dass Zumbrunnen mit dem Verkauf der vier etablierten Marken (Globus, Interio, M-Way und Depot) nicht nur auf den umkämpften Markt reagiert, sondern seine Position auch innerhalb des Migros Genossenschafts-Bundes (MGB) stärken will. Die Migros-Zentrale scheint unter Druck. Bevor die regionalen Genossenschaften bei sich das Messer ansetzen, wollen sie sehen, dass der MGB auch über die Bücher geht.

Was sehr erstaunt, ist der geplante Verkauf von Globus. Die Migros-Manager waren bisher immer sehr stolz, dass sie im Detailhandel in allen drei Segmenten vertreten waren: Mit Denner im Discount-Segment, mit Migros in der Mitte für Alle und mit Globus im Premium-Segment. In der offiziellen Medienmitteilung heisst es über den bevorstehenden Verkauf von Globus: „Mit der verstärkten strategischen Ausrichtung von Globus auf das Premium- und Luxus-Segment entfernt sich Globus weiter von der DNA der Migros.“ Man wolle sich wieder vermehrt auf das Kerngeschäft konzentrieren. Wenn man aber schaut, welche Firmen zur Migros-Gruppe gehören, da findet man definitiv einige andere Firmen, die viel schlechter zur Migros passen als Globus. Fazit: Globus hat nicht rentiert, zu viel Geld gekostet und würde zukünftig noch viel mehr kosten.    

Wo sich die Migros im Vergleich zu ihrem direktesten Konkurrenten Coop schwer tut, ist ihre Struktur, welche in zehn regionale Genossenschaften gegliedert ist, die weitestgehend autonom agieren können. Bei Hauptkonkurrent Coop wird zentral in Basel für die ganze Schweiz entschieden. Der Migros Genossenschafts-Bund hingegen muss auf die Zustimmung der Leiter der regionalen Genossenschaften hoffen. Diese Autonomie der Genossenschaften bringt den Vorteil, dass die Migros oft regionaler ist als Coop. Sie bringt aber den grossen Nachteil, dass es dafür einen riesigen Verwaltungsapparat braucht, der sehr viel Geld kostet.

MFIT zu schnell gewachsen

Doch nun zum Fitnessbereich: Wieso will sich die Migros Ostschweiz von MFIT trennen? Sicher ist die Genossenschaft Ostschweiz sehr stark vom Auslandeinkauf betroffen und deshalb unter Druck. Von den grossen Genossenschaften ist die Ostschweiz sehr spät und als letzte in den Fitnessmarkt mit mittelgrossen Anlagen eingestiegen. Das Konzept MFIT ist nicht grundlegend schlecht. Eigentlich eine Kopie von Activ Fitness, aber mit einer Anbindung zu einer Physiotherapie. MFIT ist spät gestartet und wollte das Feld von hinten aufrollen. Eine Neueröffnung folgte der anderen. Das Wachstum ging zu schnell vonstatten und auch etwas zu forsch. Wachstum kostet Geld. MFIT hat bisher keine schwarzen Zahlen geschrieben. MFIT hat in der Ostschweiz aber auch eine starke Fitnesskonkurrenz. Allen voran Markt-Leader update Fitness von Michael Ammann (heute 51 Prozent Coop). Daneben gibt es viele weitere Mitbewerber, wie z. B. fitness-plus von Giusi Verre.

Die Direktion der Migros Ostschweiz hatte nun also keine Geduld mehr mit MFIT. Man will keine finanziellen Löcher mehr stopfen. Sehr ungewöhnlich ist, dass der geplante Verkauf von MFIT schon kommuniziert wurde, obwohl noch kein Käufer feststeht. Dies ist im Hinblick auf zwei bevorstehende Neueröffnungen sehr ungewöhnlich. Offiziell heisst es, dass dies so geplant gewesen sei. Fast gleichzeitig zur Medienmitteilung hat die Tageszeitung Blick über den geplanten Verkauf berichtet. Aus der „Gerüchteküche“ hört man, dass der Artikel im Blick auf Grund von Indiskretion von Mitarbeitern entstanden sei und deshalb die Verantwortlichen von MFIT so gezwungen waren, zu kommunizieren. Was nun stimmt wissen wir nicht. Eines ist aber sicher klar: Der (noch) Leiter von MFIT Vinzenz Keller, muss diesen Herbst zwei Neueröffnung von MFIT durchführen. Dies wird für ihn auf jeden Fall eine Herkulesaufgabe sein. Einerseits bezüglich Rekrutierung von Personal, denn wer will noch bei MFIT arbeiten, wenn nicht klar ist, wie es weitergeht. Anderseits wegen der Gewinnung von neuen Kunden: Wer will in der jetzigen Situation ein Jahresabo bei MFIT kaufen?

Wie geht es nun weiter mit MFIT?

Sicher ist Activ Fitness (Migros Zürich) ein möglicher Kandidat für eine Übernahme von MFIT. Dies wäre sicher für die Kunden und Mitarbeitenden die besten Lösung, da die beiden Konzepte sehr ähnlich sind und die Fitnesscenter innerhalb der Migros-Gruppe bleiben würden. Gemäss unseren Recherchen ist es aber zurzeit alles andere als klar, dass Activ Fitness MFIT übernimmt und wenn, dann vielleicht nicht alle Standorte. Es ist also durchaus möglich, dass MFIT extern verkauft wird. Anwärter könnten Let’s Go Fitness oder basefit.ch sein. Dass MFIT von update Fitness übernommen wird, ist eher unwahrscheinlich. Migros und Coop sind zu verfeindet, dass sie zusammen Verhandlungen führen würden. Auch ist es denkbar, dass nur die guten Standorte verkauft und andere Filialen geschlossen werden. Für Migros Fitness (migros-fitness.ch) und ihren gesamtschweizerischen Trainingsverbund wäre es natürlich eine erhebliche Schwächung, wenn MFIT an einen Mitbewerber gehen würde oder Center geschlossen würden.

Folgen für die anderen Genossenschaften 

Die FITNESS TRIBUNE hat alle in der Fitnessbranche aktiven Migros Genossenschaften kontaktiert und wollte von ihnen wissen, ob die Entwicklung des MGB mit Globus und von MFIT in der Ostschweiz Konsequenzen für sie hätte. Unisono kam von allen Genossenschaften ein Feedback, dass dies keine Auswirklungen auf die anderen Fitnessformate der Migros hätte. Wörtlich liess die Migros verlauten: „Die Migros Freizeitanlagen und insbesondere die Migros Fitnessanlagen sind ein wichtiges Geschäftsfeld, welches auf die nationale, strategische Ausrichtung der Migros im Themenumfeld Gesundheit einzahlt. Die weiteren Planungen neuer Standorte der verschiedenen Migros Fitnessformate unterstreichen dies.“

Jedes Fitnessformat und jede Genossenschaft der Migros ist selbständig. Von daher wird sich kurzfristig durch die Ereignisse der letzten Wochen bei den anderen Fitnessformaten nichts ändern. Trotzdem sind diese Vorkommnisse der letzten Wochen historisch für die Migros. Es zeichnet sich ein kompletter Richtungswechsel ab, der durch Fabrice Zumbrunnen eingeläutet wurde. Der Schreibende ist deshalb überzeugt, dass diese Ereignisse mittel- und langfristig sehr grossen Einfluss haben werden. Neueröffnung und Übernahmen von Fitnesscenter werden zukünftig viel kritischer überprüft. Nicht nur die Besetzung eines Standortes und Umsatzwachstum sind wichtig, sondern auch die Rendite. Jeder Fitness-Manager der Migros wird zukünftig um einiges mehr gefordert sein, seine Clubs rentabel zu halten. Center, die über mehrere Jahre Verluste schreiben, werden nicht mehr akzeptiert.

Zehn Namen innerhalb von Migros Fitness nur in der Schweiz

Migros Fitness hat aktuell in der ganzen Schweiz 130 Standorte. Zehn verschiedene Fitness-Marken hat die Migros in der Schweiz. Dies sind: Fitnesspark, Activ Fitness, Flower Power, ONE Training Center, Only Fitness, Fitnesscenter Migros, MFIT und die drei Bäderanlagen Bernaqua, Vitam, Säntispark. Die Migros Zürich ist zudem in Deutschland engagiert und betreibt dort Fitness-center unter dem Namen Elements. Ebenso gehört die Unternehmensberatung Inline zu Migros, die Anfang dieses Jahres Greinwalder & Partner übernommen hat (neu ACISO).

Es ist sehr spannend, ob es mit diesen vielen Marken innerhalb von Migros Fitness noch lange so weiter geht. Sinn macht dies natürlich nicht. Bisher sind alle Versuche die Marken zusammenzulegen, an den Managern der einzelnen Genossenschaften gescheitert. Vielleicht gibt auch hier Fabrice Zumbrunnen einmal einen Anstoss, dass man mit diesem Marken-Wirrwarr aufhört. Mit MFIT gibt es schon mal künftig eine Marke weniger.

Medbase wächst weiter

Im Gesundheitsbereich will die Migros weiter wachsen und intensiviert die Zusammenarbeit mit der Online-Apotheke «Zur Rose» über ihre Healthcare-Providerin, die Medbase-Gruppe. Die beiden Unternehmen wollen damit einen Beitrag zu einer qualitativ hochwertigen, integrierten und kosteneffizienten Gesundheitsversorgung leisten.

Kommentar von Roger Gestach:

Die Veränderungen, die in der Migros passieren, sind sehr zu begrüssen. Was nicht rentiert, muss verändert und im Notfall geschlossen werden. Es kann nicht mehr sein, dass Quersubventionierung und damit Wettbewerbsverzerrungen stattfinden. Wie jedes private Fitnesscenter auch, sollen auch die Migros-Fitnesscenter rentabel wirtschaften. Und es macht Sinn, dass die Migros zukünftig gezielter investiert. Nur expandieren, koste es was es wolle – diese Zeiten sind hoffentlich vorbei. Das Beispiel MFIT ist ein deutliches Warnsignal! Es ist deshalb ein guter Tag für die Schweizer Fitnessbranche. Danke, Herr Zumbrunnen!