Editorial Fitness Tribune – 177
5. Dezember 2018
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„Es geht um die Zukunftsfähigkeit einer gesamten Branche!“

Die Fitnessbranche wird sich in den nächsten Jahren massiv verändern. Vor allem die Ketten-Bildung, die Ausbreitung der Discounter, sowie die voranschreitende Digitalisierung werden epochale Auswirkungen auf unsere Branche haben.

Sprichwörtlich wird in den nächsten Jahren kein Stein auf dem anderen bleiben.

Die FITNESS TRIBUNE lanciert eine neue Artikelserie unter dem Namen „Game Changer“, in der Menschen zu Wort kommen, die wegweisend für die Fitnessbranche sind und „out of the box“ denken. Den Start übernimmt Gottfried Wurpes, Gründer und Inhaber von the fitness company in Österreich.

Roger Gestach im Gespräch mit dem erfolgreichen Unternehmer

RG: Die digitale Revolution 4.0 ist in aller Munde. Doch was bedeutet das für die Fitness-Industrie und den Fitnessclub wirklich?

GW: Technologietrends wurden schon oft zu Wegbereitern bahnbrechender Neuerungen und Ideen erklärt. Beim Fitnessclub der Zukunft ist das anders. Es geht um epochale Veränderungen der gesamten Fitness-Industrie. Doch dafür stehen noch eine Fülle von Weichenstellungen aus.

RG: Viele sprechen von einem Trend, der die Fitnessclub-Industrie seit Jahren vor sich hertreibt?

GW: Es geht um mehr als einen schlichten Trend. Es geht um nicht weniger als die vierte industrielle Revolution in Fitnessclubs und Sporteinrichtungen. Nach dem Einzug von IT- und Computertechnik soll im Fitnessclub der Zukunft alles intelligent und vor allem alles mit allem vernetzt und verbunden sein. Das Internet der Dinge hält auch in den Fitnessclubs Einzug.

RG: Wo siehst Du das grösste Potenzial?

GW: Die bestehenden Fitnessclubs und Sporteinrichtungen könnten bei genauerer Betrachtung binnen kurzer Zeit einen Produktivitätsgewinn von mehreren Hunderttausend Euro pro Jahr und Anlage erzielen. Aber auch die gesamte Fitness-Industrie profitiert. Hier entsteht ein enormer Mehrwert für neue kreative Dienstleistungen und Produkte.

RG: Inwiefern?

GW: Durch die Umsetzung der digitalen Revolution 4.0 könnte sich die Fitnessclub-Industrie in den nächsten 10 Jahren mehr als verdoppeln. Es geht darum, den Kunden ins Zentrum aller Bemühungen zu stellen und die Zielerreichung des Einzelnen mittels digitaler Medien als oberste Benchmark des Fitnessclubs der Zukunft zu sehen. Ein wesentlicher Ansatz ist, dass jedes Equipment, sei es noch so klein, in einem digitalisierten Umfeld dem Kunden und seinen Zielen dienlich sein muss.

RG: Also rosige Aussichten für Fitnessclub-Betreiber?

GW: Definitiv. Allerdings scheitert es derzeit noch an der Umsetzung, die aktuellen Zahlen zeichnen ein tristes Bild. Zur derzeitigen Bedeutung der Digitalisierung befragt, antwortete ein gutes Drittel der grossen Fitnessclub-Betreiber, das Thema sei für sie zurzeit überhaupt nicht relevant, bei kleinen und mittleren Unternehmen waren es sogar 60 Prozent.

RG: Woran liegt das?

GW: Schon Ende 2016 schlugen grosse internationale Fitnessverbände und Medien Alarm: Es wurde beklagt, dass hierzulande nur 30% des Marktes erkennen, was die digitale Revolution 4.0 für den Fitnessmarkt bedeutet. Die Investitionsschwäche in digitale Branchenlösungen sei ein branchenübergreifendes und langfristiges Problem. Vor allem in den ländlichen Bereichen und kleineren Fitnessclubs werde seit gut zehn Jahren mehr abgeschrieben als investiert, der Kapitalstock schrumpfe. Digitale Revolution 4.0-Lösungen sind für viele Unternehmen neu und ziehen einen erheblichen Investitionsbedarf nach sich.

RG: Es steht also viel auf dem Spiel?

GW: Ich würde sogar so weit gehen, dass es um die Zukunftsfähigkeit einer gesamten Branche geht. Scheitern die Fitnessunternehmen und die Fitness-Industrie, wird aus dem digitalen Fitness-Wirtschaftswunder, das sich viele wünschen, wohl nichts. Und das wäre suboptimal. Denn wenn der Branche der Schritt ins digitale Zeitalter nicht gelingt – sprich: die Fitnessgeräte bzw. Branchenlösungen nicht zeitgemäss aufgewertet werden – dann werden andere in den Markt drängende Player erhebliche Marktanteile übernehmen.

RG: Wie kann man dem entgegenwirken?

GW: Erfolgreich werden vor allem diejenigen Unternehmen sein, welche es verstehen, den künftigen Datenwahnsinn, der durch das Training und die vielen unterschiedlichen Zielsetzungen der Kunden entsteht, durch clevere Algorithmen für sich zu nutzen. Denn in den smarten Fitnessclubs von morgen geht es nicht nur darum, Maschinen zu verkabeln.

RG: Wie sehen hier Lösungen aus?

GW: Mit Hilfe von Apps, Sensoren und Chips werden alle Fitnessgeräte und Lösungen an allen Standorten (Indoor und Outdoor) mit allen Kunden permanent verbunden sein. So findet nicht nur jeder Kunde selbstständig seinen Weg durch die Fitnessanlage, es werden auch alle Informationen in Echtzeit übermittelt und auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden abgestimmt.

RG: Wir sprechen hier von Big Data, also von grossen Mengen und vielen Möglichkeiten?

GW: Milliarden Sensoren, die an allen möglichen Fitnessgeräten, Apps, Trackern, Herzfrequenzmonitoren, usw. angebracht sind, sammeln gigantische Datenmengen, die auch zu verarbeiten sind. Es gilt, die Informationen nutzbar zu machen, zu analysieren und auszuwerten – und schliesslich mit ihrer Hilfe neue Geschäftsmodelle und Lösungen zu etablieren.

RG: Wie könnten diese Geschäftsmodelle und Lösungen aussehen?

GW: Schon längst verdienen digitale Grössen wie Apple nicht mehr nur am Verkauf der gefertigten Produkte, sondern an den angeschlossenen Services, die via Apps mit den Produkten genutzt werden können. Doch die strategischen Entscheidungen müssen in den Etagen der Top-Manager von internationalen und nationalen Fitness-Unternehmen vorgenommen werden. Die digitale Revolution 4.0 ist eben nicht nur der Bau einer neuen Fitnessanlage oder die Modernisierung von Bestandsclubs.

RG: Worum geht es dann?

GW: Vielmehr geht es um ein Kernelement der Digitalisierungsstrategie, das von erheblicher Bedeutung für die gesamte weitere Entwicklung der gesamten Branche ist. Denn die sportlichen Möglichkeiten der Zukunft haben Einfluss auf die Fitness-Dienstleistungen der Zukunft. Das reine Produkt „Fitnessgeräte-Vermietung“ ist im Zeitalter der Digitalisierung ein Auslaufmodell. Künftig werden alle Fitness- und Sport-Dienstleistungen durch digitale Services dargestellt werden.

RG: Was braucht es also, um zu den Gewinnern der digitalen Revolution 4.0 zu gehören?

GW: Die Gestaltungsmöglichkeiten mit Applikationen und Co. können über den gesamten Lebenszyklus eines Menschen ausgedehnt werden und somit auch die Kommunikation mit den Kunden und deren individuellen Zielen dramatisch erhöhen. Die Gewinner im künftigen digitalen Wettbewerb werden diejenigen sein, die jetzt die Zukunft in ganzheitlichen Strategien entwerfen.

RG: Gottfried, ganz herzlichen Dank, dass Du dir die Zeit für dieses spannende Interview genommen hast.