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Fitness wo?

Vermutlich sind wir uns hier einig: Muskeltraining ist wichtiger als Impfen, resp. Eigenaktivität ist besser als sich «Gesundheit» passiv einimpfen zu lassen. Es stellt sich nur die Frage: Wo betreibe ich Muskeltraining, wo pflege ich meine Eigenaktivität? Und: Trainiere ich allein oder mit Gleichgesinnten?

Corona treibt die Politiker dazu, gemeinsame Aktivitäten zu unterbinden. Solange sich eine in Angst versetzte Mehrheit der Bevölkerung das gefallen lässt, wird nicht nur die wirtschaftliche Grundlage der Fitnesscenter erodieren, auch das Verhalten der Einzelnen nimmt schlagartig neue, unerwartete Formen an – neuste Ergebnisse aus der Analyse von Facebook-Daten vom Oktober 2020 zeigen:

  • 49 % der User (in urbanen Gegenden weltweit) wollen resp. werden zukünftig weiterhin online einkaufen
  • 43 % der User (in urbanen Gegenden weltweit) wollen resp. werden zukünftig weiterhin zuhause trainieren
  • 27 % der User (in urbanen Gegenden weltweit) wollen resp. werden zukünftig weiterhin im Homeoffice arbeiten

Der Arbeitsplatz kann nicht so leicht gewechselt werden wie die Betätigungen während der Freizeit. Wenn also ein derart signifikanter und möglicherweise dauerhafter Wechsel vom Fitnesscenter zum «Heimtrainingsplatz» innerhalb von nur fünf Monaten zu verzeichnen ist, wird dies Auswirkungen haben. Zumindest wird dies Unternehmer veranlassen, vermehrt in diese Richtung zu denken und Geschäftsmodelle zu entwickeln, die den Fitnesscentren heutiger Prägung den Rang ablaufen. Zum besseren Verständnis: Gemäss Roger Gestach sind die beiden Wesensmerkmale der Fitnesscenter, gerätegestütztes Training nach standardisierten Methoden anzubieten. – Nehmen wir die Methodenkompetenz raus, bleibt noch das gerätegestützte Trainieren in einer dafür hergerichteten Örtlichkeit. Betrachten wir die angstgetriebene respektive verordnete Veränderung im Kundenverhalten innerhalb des Corona-Sommers 2020, also innerhalb weniger Monate, so sehen wir, dass mehr und mehr Menschen es als völlig normal empfinden oder sich vorstellen können, ihr Körpertraining «virtuell», also via App- oder Video-Anleitung durchzuführen. Da hellhörige Unternehmer sich rasch veränderten Situationen anpassen und nicht gegen, sondern mit den Machtinteressen dieser Welt marschieren, ist es aus ökonomischer Sicht naheliegend, auf Investitionen in Geräte sowie auf Miet- und Unterhaltskosten (und auch auf die physische Präsenz von Mitarbeitenden) zu verzichten, und alleine die Methode für erfolgreiches Körpertraining zu vermarkten. (Dass auch virtuell ein «Wir-Gefühl» im Heimtraining vermittelt werden kann, zeigen die unzähligen erfolgreichen Yoga Apps.) – Wenn das bisherige Alleinstellungsmerkmal «Trainingsgeräte im Center» durch «individuelle Lösungen zuhause» (eigenes Körpergewicht, Faust- und sonstige Hanteln, Gummibänder etc.) ersetzt wird, hat das Fitnesscenter als Geschäftsmodell ein Problem.

Proaktiv sollten sich Inhaber von persönlich geführten Fitnesscentern also daran machen, parallel zum bestehenden Angebot virtuelle Angebote zu entwickeln und einzuführen, um weiterhin nahe und «persönlich» bei der eigenen Kundschaft zu sein. Sobald es nämlich innovativen Anbietern gelingt, «Heimtraining» als neuen Lifestyle zu etablieren und mit starken Marken zu untermauern, ist Mann und Frau überall, auch im hintersten Kracher, Teil einer grossen fitten Community – zumindest Teil dieser Illusion – und damit nicht mehr im eigenen Kundenstamm.

Soweit die Logik aus der Sicht eines unabhängigen Marktbeobachters. – Nun die Kritik an Roger Gestach’s vereinfachender Definition, dass Fitness-center hauptsächlich Anbieter gerätegestützten (Kraft-) Trainings seien: Meiner Meinung nach ist die wichtigste Aufgabe der Fitnesscenter, fitnessinteressierte Menschen zum (gemeinsamen) Training willkommen zu heissen und ihnen einen Ort zu anzubieten, sich zu begegnen, sich zu bewegen und sich leibhaftig auszutauschen! Diesen im Grunde sozialen Charakter würde ich weit stärker gewichten als z. B. reines Krafttraining, Distanzgebote hin oder her. – Je mehr die Bevölkerung in ihre eigenen vier Wände zurückgedrängt wird, desto mehr braucht es nämlich Orte, wo «sicheres» Zusammenkommen als Befreiung empfunden wird! Ob Fitnesscenter deswegen gleich zu Hochburgen von impf-kritischen Gesundheits-Rebellen werden, sei dahingestellt. Aber wenn irgendwo – von morgens bis abends – etwas Sinnvolles zur Stärkung des Immunsystems angeboten wird, wo sonst als in einem Fitness-center? Immerhin trägt nicht nur das körperliche, sondern auch das psychische und das soziale Wohlbefinden zur Gesundheit bei.

Fazit: Dem potenziellen Trend, sein Training in den eigenen vier Wänden zu absolvieren, muss mit ergänzenden Angeboten Rechnung getragen werden. Und gleichzeitig ist es eine Aufgabe der Branche insgesamt sich so zu positionieren, dass das Fitnesscenter DER einzige Ort ist, wo sicheres Training UND Begegnungen UND gemeinsame Erlebnisse möglich sind.

Daniel Louis Meili

Seit 33 Jahren unabhängiger Berater für Unternehmensentwicklung und Markenbildung (Executive MBA Marketing), ehemaliger Leichtathlet sowie Diplomtrainer Swiss Olympic.

welcome@meili.ch

www.meili.ch