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Fitnessmythen und deren Realitätsgehalt

Durch weitererzählen wird es nicht richtiger!

Es gibt sie in rauhen Mengen und viele glauben sogar daran – die Fitnessmythen. Sie sind oft so verdammt gut verpackt, dass es schwierig ist, den unglaublichen Versprechungen nicht zu glauben! Da helfen sachliche Argumente in der Regel wenig, weil die Argumente meistens langweilig und „schweisstreibend“ sind. In diesem Artikel leuchte ich einige dieser Fitnessmythen aus und mache den Versuch einer sachlichen Argumentation.

Ein Sixpack durch Crunches bis zum Abwinken

Die gute Nachricht vorne weg: Wir haben alle, und ich meine wirklich alle, ein Sixpack. Die Frage ist nur, wie dick die Tapete davor ist. Nun, genügend korrekt ausgeführte Crunches sind für ein effektives Bauchtraining zwingend notwendig. Damit wird die Bauchmuskulatur gestärkt, was viele Vorteile im Alltag bringt. Damit diese Kraft aber sichtbar wird, ist es notwendig, die Ernährung darauf auszurichten. Denn nur wenn der Körperfettanteil bei Männern unter zehn Prozent liegt, ist die „geballte Ladung“ gut sichtbar.

Kleine Ergänzung: Nur weil das Sixpack sichtbar ist, heisst dies nicht, dass es auch kräftig ist! Dieser kleine aber feine Unterschied ist wichtig! Also lieber eine kraftstrotzende gerade Bauchmuskulatur, die nicht so gut sichtbar ist als umgekehrt! Und noch etwas – Fett kommt und geht, wo es will, darauf haben wir im Training keinen Einfluss.

Frauen werden durch Krafttraining zu Muskelbergen

Wenn ich das nur schon höre, wird es mir schwindlig. Männer bleiben das starke Geschlecht – und das hat einzig mit dem unterschiedlichen Hormonhaushalt zu tun! Das für den Muskelaufbau notwendige Testosteron ist bei der Frau bis um den Faktor zehn weniger vorhanden – wie sollen denn da die Muskeln zu Bergen wachsen?

Geschätzte Damen: Wenn Sie ein effektives Krafttraining absolvieren, auch mit hohen Lasten, werden Sie die weiblichen Formen nicht verlieren oder gar männlich aussehen. Die Figur wird sogar straffer und athletischer, was ein Zeichen von Stabilität und Gesundheit ist. Die „Muskelberginnen“ in einschlägigen Zeitschriften entstammen neben dem Training und einer „durchgestylten“ Ernährung auch vielen ungesunden Zutaten, welche ich hier nicht weiter ausführen will, und die auch nicht der „durchgestylten“ Ernährung geschuldet sind.

Ausdauertraining und Muskelaufbau passen nicht zusammen

Diese Sichtweise greift zu kurz. Ein intensives Ausdauertraining ist definitiv fehl am Platz in Phasen eines Hypertrophietrainings. Die Wirkung der beiden gänzlich unterschiedlichen Trainingsziele hebt sich praktisch auf. Soll heissen, wer Muskelmasse zulegen will, darf nicht gleichzeitig intensives oder gar hoch intensives Ausdauertraining betreiben. Das wiederum heisst aber nicht, dass ich das Ausdauertraining vernachlässigen darf, nur weil ich Muskelmasse aufbauen will. Ein Training im Bereich des Fettstoffwechsels ist jederzeit möglich, wobei im Idealfall die beiden Trainingsarten Kraft und Ausdauer auf unterschiedliche Trainingseinheiten gelegt werden sollten. Wichtig ist, dass auch im Kraft-sport Ausdauer trainiert wird – je nach Zielsetzung in unterschiedlicher Form und Intensität.

Magnesium hilft bei Krämpfen – sofort

Auch wenn, nach wie vor, viele Mediziner genau das sagen und Magnesium bei Krämpfen verschreiben – richtiger wird es deswegen nicht. Der Ansatz ist in die Jahre gekommen und nicht mehr haltbar. Magnesium spielt bei der chemischen Übertragung von Nervenimpulsen eine bedeutende Rolle. Bei der Thematik Krampf dagegen ist Magnesium praktisch nie das wesentliche Element. Hier spielen falsche Belastungen, Überbelastungen, negativer Wasserhaushalt und ein Mangel an Natrium und Kalium die entscheidende Rolle. Eine Magnesium-Supplementation bei Krämpfen ist folglich eine eher fragwürdige „Therapie“, deren Nutzen allenfalls unter dem Aspekt „Placebo“ abgehandelt werden sollte.

Stretching ist beste Verletzungsprävention

Zum Thema Stretching wurde viel übernommen ohne zu reflektieren oder zu hinterfragen. Weil es damals aus den USA nach Europa schwappte, musste das einfach gut sein. Nun, diese Zeiten sind hoffentlich vorbei. Ein Dehnen gehört heute definitiv nicht mehr in ein Aufwärmprogramm vor dem Sport! Das Verletzungsrisiko sinkt nicht, sondern es steigt sogar. Bildlich gesprochen: Durch Dehnen wird der Muskel in eine Art Schlafstellung gebracht – und wer kann schon während dem Schlafen hohe Leistung bringen? Je nach sportlicher Betätigung soll das Aufwärmen individuell gestaltet werden. Es gibt Sportarten, wo die Beweglichkeit ein zentrales Leistungselement ist. Bei diesen Sportarten, beispielsweise Kunstturnen, gehört das Dehnen ins Aufwärmprogramm, am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Kleiner Tipp: Ein differenziertes Kraft- und Stabilisationstraining ist die beste Verletzungsprävention.

Krafttraining macht Ausdauersportler langsam

Das ist schon fast zum Lachen. Natürlich kann ich das so anstellen, dass dem Mythos genau entsprochen wird. Das Gegenteil ist aber der Fall! Ein ergänzendes, differenziertes Krafttraining ist so etwas von wichtig für alle Ausdauersportarten! Wie soll ohne genügend Kraft am richtigen Ort und in der richtigen Ausprägung zum Beispiel ein korrektes Joggen möglich sein? Es muss so gestaltet werden, dass die Rumpf- und Gelenkstabilität optimiert wird, die Kraftausdauer zunimmt und die Reaktiv- und Explosivkraft in den Beinen verbessert wird, ohne dass Muskelmasse zugelegt wird. Das gilt für Radfahrer und alle anderen Ausdauersportarten genauso. Krafttraining ist, im Gegensatz zum Dehnen, auch hier die perfekte Verletzungsprävention.

Wer schnell ausführt, wird schnell

Viele führen die Übungen in den Trainings schnell aus und werden trotzdem nicht schnell! Das scheint also nicht zu funktionieren. Dem Muskel ist es völlig egal, wie schnell die Übung im klassischen Krafttraining ausgeführt wird – er arbeitet deswegen nicht schneller. Wenn ich Schnellkraft entwickeln will und allenfalls muss, gilt noch immer die Reihenfolge Muskelaufbau, ein Training der neuronalen Effekte, ein plyometrisches Training und zu guter Letzt das Umsetzen in der eigenen Sportart unter erleichterten Bedingungen. So wird man schnell, nicht weil ich im Bankdrücken schnell arbeite.

Proteinshakes nach dem Training lässt Muskeln wachsen

Wenn es denn nur so einfach wäre. Der Muskel muss dem Ziel „Muskelwachstum“ entsprechend belastet werden. Das heisst, während 60 bis 90 Sekunden, bis zur muskulären Erschöpfung. In der Literatur findet sich auch Spannungszeit von bis 120 Sekunden, nur als ergänzende Bemerkung. Ja, das ist streng. Sehr streng sogar. Und ja, es macht weh, sehr weh sogar. So muss es sein. In der Praxis, mit der Stoppuhr bestückt, sehe ich selten Spannungszeiten von über 45 Sekunden. Warum in diesen Fällen noch vor oder während (kein Witz!) der Dusche die Post-Proteinshakes konsumiert werden, entzieht sich meiner Kenntnis. Effektiv Muskelwachstum zu generieren, heisst, das Richtige tun! Proteine gehören mit dazu, rund 20 Gramm nach dem Training, das ist heute Standard. Das Zeitfenster für die Einnahme ist bis zwei Stunden nach dem Training offen.

Diese kleine Auswahl an Fitnessmythen zeigt letztlich nur eines – es liegt noch vieles im Argen. Die Wissenschaft schafft regelmässig Wissen – nur findet dieses nicht immer Eingang in die Welt des Muskelwachstums und anderer Themen der Fitnessbranche.

Peter Regli 

ist Buchautor, Dozent und Referent. Er unterrichtet an diversen Ausbildungsinstitutionen und bietet Workshops im Bereich Gesundheitsmanagement und Strategieentwicklung für kleinere Unternehmen an. Individuelle Themen bietet er als Inhouse-Schulungen oder als Online-Coaching für Menschen und Unternehmen an. Sie erreichen ihn per Mail mit pr@peter-regli.ch oder auf seine Website www.peter-regli.ch