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Hochintensives Intervalltraining (HIIT) und Tabata Das ulitmative Workout mit dem Zeitturbo?

Derzeit ist hochintensives Training in allen Formen angesagt. Der Nutzen ist mehrfach und aus unterschiedlicher Optik belegt. Maximales fordern für kurze Zeit scheint das Ei des Kolumbus zu sein. Bei allen Vorteilen sind auch Bedenken angebracht aus Sicht der Planung und Steuerung des Trainings. Vor allem die Erholung muss dabei im Auge behalten werden.

Ausdauertraining bei tiefen Intensitäten fordert zwar alle Parameter des Herzkreislauf-Systems – führt aufgrund der tiefen Intensität aber nicht zu einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit. Monotones Ausdauertraining bei immer gleichen Intensitäten bringt nach anfänglichen Anpassungen keinen weiteren Nutzen. Trainieren heisst, mit einem überschwelligen Reiz die entsprechenden Anpassungen zu provozieren. Bewegung im Sinne von zügigem Gehen bringt aus dieser Optik keinen Gewinn in Form von mehr oder besserer Leistung.

Intensive Belastungen sind nicht neu. Aktuell sind diese High Intensity Trainingsformen in der Diskussion. Sowohl im Leistungssport als auch im Fitnessstudio. Kurzes Training – hoher Nutzen. Das ist die Kurzformel dazu. Es gilt allerdings das Gleichgewicht zu finden zwischen Belastung und Erholung in der Periodisierung. Hier sollen die beiden Konzepte HIIT und Tabata näher beleuchtet werden und am Ende finden sich einige kritische Gedanken dazu.

Tabata ist Trainingskunst aus Japan

Im Jahr 1996 publizierte der japanische Sportwissenschafter Izumi Tabata eine Studie mit Eisschnellläufern. Das Tabata-Protokoll dauert insgesamt vier Minuten, ohne warm-up und cool-down. Es werden acht hochintensive Belastungen durchgeführt, unterbrochen von jeweils zehn Sekunden Pause. Dieses Protokoll wird im Ausdauer- und Kraftsport, im Crossfit oder Bootcamp verwendet.

Die kurzen, hochintensiven Einheiten trainieren das Herzkreislauf-System. Sowohl aerobe und anaerobe Parameter werden deutlich verbessert. In sechs Wochen dürfen gemäss der oben erwähnten Studie Verbesserungen von 20 bis 25 Prozent erwartet werden. Allerdings nur, wenn am Limit trainiert wird. Gemäss Studie waren das 170 Prozent der VO2max, was extrem anstrengend ist – die Studie wurde schliesslich auch mit Profiathleten durchgeführt. Das schafft ein Mitglied im Fitnessstudio üblicherweise nicht. Die Vorgabe dort: Alles geben, was möglich ist. Es macht Sinn, dosiert einzusteigen und je nach individueller Leistungsfähigkeit langsam zu steigern. Kein schlechter Ansatz ist sicher, es mal bei vier intensiven Belastungen zu belassen.

Kurz zusammengefasst: Tabata ist ein sehr effektives Training, welches nur vier Minuten dauert. Inklusive warm-up und cool-down rund 20 Minuten. Das Belastungsprotkoll gibt acht mal 20 Sekunden volle Leistung vor, unterbrochen durch zehn Sekunden Pause. Dadurch werden die wesentlichen Herzkreislaufparameter verbessert. Tabata macht schnell und fit, man kann im Sinne eines Wortspiels sagen „es macht schnell fit“. Und der Platzbedarf ist überschaubar. Tabata ist in jedem Hotelzimmer zu schaffen. Die Übungsauswahl ist sehr offen und die Kreativität soll genutzt werden.

HIIT – das hochintensive Intervalltraining für den Ausdauerbereich

Mit dieser Form von Training kann in kurzer Zeit und bei geringer Fehleranfälligkeit das Herzkreislauf-System trainiert werden. Die drei Hauptparameter Potential, Ausschöpfung und Ermüdungsresistenz werden dabei verbessert. Ausdauer zeichnet sich dadurch aus, mit Muskelkraft eine Vorwärtsbewegung (meistens) zu generieren. Das bedingt, dass verschiedenen Systeme im Körper perfekt aufeinander abgestimmt funktionieren: Muskulatur, Energie, Atmung und andere mehr.

Potential zulegen

Die Ausdauer wird durch das Potential bestimmt und dieses wiederum misst sich in Form der maximalen Sauerstoffaufnahmekapazität, VO2max. Diese gibt an, wieviel Sauerstoff der Körper maximal verwerten kann. Nicht aufnehmen, sondern verwerten – das ist ein wesentlicher Unterschied. Aufgenommen wird der Sauerstoff über die Atmung und kommt dann via Blut zur Muskulatur und den anderen Endorganen. Einige Faktoren, welche das Potential beeinflussen: Die VO2max, das Herzminutenvolumen (HMV), der Sauerstofftransport oder die Vewertung des Sauerstoffes. Wieviel Blut im System zirkuliert, ist abhängig von der Pumpleistung des Herzens, dem HMV. Dies berechnet sich aus der Herzfrequenz und dem Schlagvolumen. Der Sauerstoff wird dann benötigt, um die Energie bereit zu stellen. Das HMV ist also mitentscheidend, wenn es um die Ausdauerleistung geht. Je mehr Blut im System, je mehr Sauerstoff im System, je besser die aerobe Ausdauerleistung. Ziel muss sein, HMV und Potential zu erhöhen – was nur mit hochintensiven Einheiten gelingt. Das Schlagvolumen, die Menge Blut pro Herzschlag, kann durchaus verdoppelt werden bei gleichzeitiger Reduktion der Herzfrequenz. Bessere Leistung bei gleicher Herzfrequenz.

Mit der VO2max kann die Ausdauerleistung beurteilt werden. Beispielsweise mit der Klassifizierung nach Shvartz & Reibold, 1990.

Ausschöpfung verbessern

Die VO2max gibt an, wieviel Sauerstoff verwertet werden kann. Um diese zu erhöhen, ist eine hohe Trainingsintensität notwendig. Diese wiederum ist nur sehr kurz aufrecht zu erhalten. Dies wird mit der aeroben Energiebereitstellung allein nicht bewerkstelligt. Es braucht also weitere Energiesysteme, welche diese Leistung ermöglichen. Diese zusätzliche Energie kommt aus dem anaeroben Stoffwechsel, welcher schnelle Energie zur Verfügung stellt. Dabei entstehen Zwischenprodukte, die zur Reduktion der Belastungsintensität zwingen. Unter der Ausschöpfung versteht man die Intensität, bei welcher der Energiestoffwechsel die anfallenden Zwischenprodukte noch kontinuierlich verwertet werden – diese Intensität kann rund 20 bis 30 Minuten aufrecht erhalten werden und wird oft als «anaerobe Schwelle» bezeichnet. Wobei der Begriff «Schwelle» wenig zielführend ist. Er suggeriert eine klare Trennlinie zwischen dem aeroben und anaeroben Stoffwechsel, was nicht korrekt ist. Vielmehr ist es ein Übergangsbereich, nicht eine fixe Trennlinie. Limitierend für die Ausschöpfung ist die aerobe Energiebereitstellung. Das Ausdauertraining erhöht also die Kapazität des aeroben Energiestoffwechsels. Eine ausdauertrainierte Person kann letztlich deutlich mehr der VO2max über eine gegebene Zeitdauer abrufen und aufrechterhalten.

Ermüdungsresistenz stabilisieren

Längere oder gar lange Ausdauereinheiten müssen mit einer eher geringen Intensität durchgeführt werden. Das liegt an der Ermüdbarkeit des Organismus. Unter dem Begriff der Ermüdbarkeit werden Faktoren zusammengefasst, welche die Leistung negativ beeinflussen. Eine Auswahl:

Die Thermoregulation ist das Kontrollsystem der Körperkerntemperatur. In Ruhe liegt diese bei 37 Grad Celsius und weist eine geringe Spannbreite von ein bis zwei Grad auf. Unser Motor ist nicht sehr wirkungsvoll. Rund 80 Prozent des Energieumsatzes fällt als Wärme an, ist für den Vortrieb also nicht zu nutzen. Diese Wärme wird abgeführt über die Körperoberfläche, welche durch das Schwitzen gekühlt wird. Je mehr Kühlung benötigt wird, desto weniger Blut steht der arbeitenden Muskulatur zur Versorgung mit Sauerstoff zur Verfügung. Ein adäquates Ausdauertraining sorgt dafür, dass das Blutvolumen gesteigert wird und somit mehr Blut zur Verfügung steht, entweder zur Kühlung oder zur Sauerstoffversorgung.

Je nach Intensität des Trainings werden für die Energiebereitstellung mehrheitlich Kohlenhydrate oder Fette genutzt. Je höher die Intensität, umso höher der Anteil der Kohlenhydrate. Diese allerdings sind sehr beschränkt verfügbar oder eben schneller erschöpft als die Fettspeicher. Während die Kohlenhydrate nur rund 20 Kilometer reichen, sind die Fette fast unbeschränkt verfügbar, rund 800 Kilometer sind möglich. Sind die Kohlenhydratspeicher leer, muss auf vermehrten Fettstoffwechsel umgestellt werden, was mit einer Reduzierung der Intensität einhergeht. Gezieltes Training führt zu einer Veränderung. Die Kohlenhydratspeicher können durch Training und Ernährung deutlich erhöht werden, was sich positiv auf die Leistung auswirkt. Die Optimierung des Fettstoffwechsels hilft, Kohlenhydrate zu schonen, auch bei höheren Intensitäten. Der Wirkungsgrad des Organismus ist und bleibt beschränkt im Bereich von 20 bis 25 Prozent. Aber eine Erhöhung beispielsweise von 20 auf 21 Prozent bringt schon eine deutliche Verbesserung – sprich, dass ich für dieselbe Leistung weniger Energie benötige.

Durch eine gesteigerte Atmung wird dem System mehr Sauerstoff zugeführt. Dabei kann auch die Atemmuskulatur ermüden. Einen Arbeitsstopp der Atemmuskulatur wird es nie geben, weil sonst eine lebensbedrohende Situation eintritt. Das vegetative Nervensystem reguliert das, indem mehr Blut zur Atemmuskulatur «verschoben» wird. Dadurch steht der Muskulatur weniger Blut zur Verfügung – die Folge ist eine Reduktion der Intensität. Durch ein Ausdauertraining wird die Atemmuskulatur ebenfalls trainiert, was zu einer weniger schnellen Ermüdung derselben führt.

Kritische Anmerkung

Das hochintensive Training allein ist nicht das Ei des Kolumbus. Das Trainingsprinzip von Belastung und Erholung sagt uns, dass wir genügend Erholung einplanen sollen und müssen. Zusätzlich ist es nicht möglich 52 Wochen im Jahr nur intensiv zu trainieren, eine sinnvolle Periodisierung ist notwendig.

Bei jeder Art von Training sind immer alle Parameter der Leistungsfähigkeit betroffen. Eine Trainingsform, wo nur das Eine oder das Andere trainiert wird, ist mir nicht bekannt. Jedes Training hat folglich Auswirkungen auf die drei beschriebenen Parameter Potential, Ausschöpfung und Ermüdungsresistenz. Und doch – es gibt Trainingsformen, welche helfen, den gewünschten Parameter gezielt zu trainieren und zu steigern.

Auf Phasen sehr hoher Intensität folgt immer eine ruhigere Phase. Diese vermisse ich im Trainingsalltag leider oft, obwohl sie genauso wichtig ist. Kein Leistungssportler der Welt trainiert immer intensiv. Auch Olympiasieger in den Ausdauersportarten trainieren zu 80 Prozent im langsamen Bereich und nur 20 Prozent im hochintensiven Bereich. Was für Olympiasieger gut ist, ist definitiv im Fitnessstudio auch nicht falsch. Oder?

Zum Schluss noch dies…

Der Hype um das hochintensive Training hat seine Berechtigung. Das Trainingsprinzip von Belastung und Erholung aber auch. Es gilt in der Praxis, eine gute Mischung zu finden. Und zwar individuell für jeden Trainierenden. Letzlich ist es diese Mischung im „Trainigs-Cocktail“, die Erfolg verspricht.

Peter Regli 

ist Buchautor, Dozent und Referent. Er unterrichtet an diversen Ausbildungsinstitutionen und bietet Workshops im Bereich Gesundheitsmanagement und Strategieentwicklung für kleinere Unternehmen an. Individuelle Themen bietet er als Inhouse-Schulungen oder als Online-Coaching für Menschen und Unternehmen an. Sie erreichen ihn per Mail mit pr@peter-regli.ch oder auf seine Website www.peter-regli.ch