Editorial Fitness Tribune – 175
4. August 2018
Können Einzelstudios zukünftig überleben? Teil IV
4. August 2018

Interview Michael Antonopoulos, Kieser Training

Kieser Training, von Werner Kieser gegründet, ist anders! Es gibt keine Ausdauergeräte, keine Musik, keine Gruppenkurse, keine Spiegel an den Wänden, keine Bar – im Zentrum steht einzig und alleine Krafttraining. Im letzten Jahr feierte das Unternehmen sein 50. Jubiläum. Kieser Training ist derzeit in fünf Ländern vertreten und hat über 283‘000 Mitglieder und 159 Studios. 2017 hat Werner Kieser sein Lebenswerk an seinen CEO Michael Antonopoulos und den Verwaltungsrat Nils Planzer verkauft. Die FITNESS TRIBUNE sprach exklusiv mit dem neuen Boss.

RG: Lieber Michael, Du bist seit mehr als acht Jahren CEO von Kieser Training und hast nun die Firma zusammen mit  einem der Verwaltungsräte und Freund gekauft. Du bist also vom Angestellten zum Inhaber geworden. Weshalb hast Du diesen mutigen Schritt gemacht?

MA: Gabriela und Werner Kieser haben keine Kinder, daher war das Thema Nachfolge schon länger präsent. Ich bin jetzt seit 14 Jahren im Unternehmen, über acht Jahre davon als CEO. 2013 konnte ich mich mit zehn Prozent beteiligen und die Firma Anfang 2017 zusammen mit meinem Partner Nils Planzer zu 100 Prozent übernehmen. Ich habe sehr grossen Respekt davor, dieses Lebenswerk fortzuführen. Es macht mir Freude, denn Krafttraining im Allgemeinen und Kieser Training im Speziellen liegen mir am Herzen.

RG: Ist Werner Kieser gar nicht mehr für die Unternehmung tätig oder ist er im Hintergrund noch aktiv?

MA: Werner Kieser ist nicht mehr im Verwaltungsrat und somit auch nicht mehr offiziell für die Firma tätig. Er ist aber immer noch das Aushängeschild von Kieser Training. Wir pflegen ein sehr gutes Verhältnis und er steht der Firma nach wie vor beratend zur Verfügung. Gabriela Kieser fungiert als Verwaltungsratspräsidentin. Die grösste Veränderung ist also nur bezüglich Wechsel der Aktien passiert. Wir sind sehr stolz, letztes Jahr unser 50-jähriges Jubiläum gefeiert zu haben.

RG: Kieser Training war in der Schweiz mal sehr stark, dann kam es zur Abspaltung und der grösste Teil der Studios wurde in exersuisse umgewandelt. Kieser Training verlor dabei sehr viele Standorte. Letztes Jahr habt Ihr exersuisse-Studios wieder zurückgeholt – nun habt Ihr wieder 23 Standorte in der Schweiz. Wie ist es dazu gekommen?

MA: Die damalige Trennung war nicht gut. Ich war in die damaligen Konflikte nicht involviert und konnte so als neutraler Brückenbauer fungieren. Letztlich ist uns gemeinsam der Zusammenschluss gelungen. Durch die konzeptionell gleiche Ausrichtung und die geografische Ergänzung können wir unseren Kunden ein noch dichteres Netz an Studios anbieten.

RG: In der Schweiz herrscht gerade ein erbitterter Konkurrenzkampf. Migros und Coop schenken sich nichts, die Discounter sind am Wachsen und Fitnesstraining wird immer billiger. Spürt Ihr diese Marktentwicklung auch?

MA: Ja, es herrscht zurzeit ein harter Konkurrenzkampf. Es wäre vermessen, wenn ich sagen würde, wir merken die Konkurrenz nicht. Jedes neu eröffnete Studio nimmt Kunden weg. Wir sind allerdings mit unserer klaren Positionierung zwischen Medizin- und Fitnessmarkt und durch unsere Fokussierung auf gesundheitsorientiertes Krafttraining nicht in dem Ausmass vom Konkurrenzkampf betroffen wie andere Anbieter.

RG: Ich gehe davon aus, dass die meisten Leser der FITNESS TRIBUNE das Konzept von Kieser Training kennen. Könntest Du uns aber trotzdem Euer Konzept und die Philosophie kurz erläutern.

MA: Kieser Training steht seit der Gründung für effizientes, gesundheitsorientiertes Krafttraining an Maschinen. Uns geht es nicht um Trends, sondern darum, Körper und Geist gesund und leistungsfähig zu halten, wobei der Rücken im Fokus steht. Reduktion auf das Wesentliche – auf den effizienten Muskel- und Kraftaufbau – lautet seit über 50 Jahren unsere Devise. Deshalb verzichten wir ganz bewusst auf Musik, Bar oder Sauna. Nichts soll in den Studios von der Konzentration auf das Training ablenken. Unser Ansatz ist funktional, von der Trainingsmethode über die stilistisch vom Bauhaus geprägte Architektur bis hin zur Ausstattung. Die Effizienz ist durch zahlreiche Studien belegt. Sie gründet       z. B. auf einer hochintensiven Methode, einer kompetenten Trainingseinführung und -steuerung durch spezialisierte Instruktoren und medizinisches Fachpersonal sowie auf speziell entwickelten Maschinen für das Training aller Muskeln bis hin zum Beckenboden. Dazu leisten wir uns eine eigene Abteilung für Forschung und Maschinenentwicklung, um unseren Kunden höchsten Nutzen zu bieten.

RG: Ist dieses Konzept noch zeitgemäss? Keine Ausdauergeräte, kein Wellness, keine Gruppenkurse, keine Freihanteln – nur Maschinen?

MA: Es ist zeitgemäss im Sinne von notwendig und effizient. Krafttraining kann man nirgends so effizient und wirkungsvoll betreiben, wie an Maschinen. Zum Joggen kann ich in den Wald gehen und Tanzen muss man bei uns auch nicht. Wir bieten unseren Kunden einen enormen Nutzen, so dass wir sehr erfolgreich am Markt sind.

RG: Ihr sprecht mit Eurem Konzept eine eher ältere Kundschaft an. Die heute jüngeren Leute, die sich in einem Fitnesscenter an Ausdauergeräte, Hanteln, Musik … etc. gewöhnt haben, werden auch älter. Besteht nicht die grosse Gefahr, wenn Ihr Euer Konzept nicht öffnet, dass Ihr irgendwann „weg vom Fenster“ seid?

MA: Kieser Training ist in einer eigenen Kategorie. Wir sind kein klassisches Fitnesscenter, sondern positionieren uns zwischen Fitness und Medizin. Der Altersdurchschnitt unserer Kunden liegt bei 50 Jahren und mit 80 Prozent Erneuerungsquote haben wir sehr treue Kunden. Doch auch die Jungen trainieren bei uns. Haltungsschäden durch die Generation „Smartphone“ werden künftig zur Volkskrankheit. Es gibt also ein grosses zukünftiges Potential. Spannend ist, dass das Durchschnittsalter im neuen Markt Australien weit tiefer liegt.

RG: Wie steht es mit Digitalisierung bei Kieser Training. Eure Trainingspläne werden noch auf Papier geschrieben. Ist dies noch zeitgemäss und öffnet sich Kieser Training auch für die digitale Welt?

MA: Unser Forschungs- und Entwicklungsteam ist permanent daran, Kieser Training auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu halten. Im Gegensatz zu anderen Anbietern machen wir nicht jeden Trend mit. Wann und ob die Trainingspläne bei Kieser Training nicht mehr von Hand geschrieben werden, kann ich nicht sagen. Während die anderen Anbieter mit der Digitalisierung Personalkosten reduzieren wollen, ist es bei uns umgekehrt: Wir wollen dank der Digitalisierung mehr Zeit für den Kunden schaffen!

RG: Ihr baut die Kraftgeräte seit 2003 selber. Weshalb? Gibt der Markt nicht genug her?

MA: Die Fitnessindustrie stellt nicht die Maschinen her, die wir für gesundheitsorientierte Problemlösungen benötigen. Wir haben einen anderen Anforderungskatalog, nach dem wir die Maschinen entwickeln. Auch hier geht es uns nicht um Trends. Wir entwickeln Maschinen, die unseren Kunden grösstmöglichen Nutzen bieten. Dazu setzen unsere Wissenschaftler, Ingenieure und Konstrukteure beispielsweise auf eine interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie die Kooperation mit externen Wissenschaftlern, Hochschulen und anderen Organisationen. So entstehen teils exklusive, wegweisende Maschinen wie die B3/B4 zur Stärkung der Sprunggelenke, die wir 2013 in unseren Studios etabliert haben. Die neueste Maschine ist die i-B6.

RG: Ihr habt gerade eine neue Beinpresse entwickelt und nennt das Training da drauf infimetrisch. Was bedeutet infimetrisch?

MA: Es stammt von „INFItonic-INFImetric exercise“. Es meint „infinite exercise“, weil die Möglichkeiten der Ausführung praktisch unbegrenzt sind. Sprich: Die Kunden können dynamisch schnell, dynamisch langsam oder isometrisch trainieren. Bei einem infimetrischen Training produzieren sie den Widerstand selbst. Während sie mit einem Bein drücken, bremsen sie mit dem anderen Bein ab. Dabei arbeiten die agonistischen Muskeln gegeneinander. Das bedeutet: Während die Zielmuskeln für eine Teilwiederholung konzentrisch arbeiten, arbeitet dieselbe Muskelgruppe in der nächsten Teilwiederholung exzentrisch. Dadurch wird die „Entspannungsphase“ im negativen Teil der Bewegung reduziert. Es ist ein hochintensives Training ohne Gewichtsblöcke.

RG: Wie sehen Eure Expansionspläne aus? Ich habe gelesen, dass Ihr sicher noch zehn Studios in der Schweiz eröffnen wollt und sogar darüber nachdenkt, kleinere Studios zu eröffnen?

MA: In der Schweiz sehen wir mit dem heutigen Konzept noch ein Potential von mindestens zehn Studios. Es ist richtig, dass wir auch dabei sind, an kleineren Standorten kleinere Studios zu realisieren. Ein erstes Pilotstudio hat bereits in Deutschland eröffnet. In der Schweiz hat im Moment die Integration der ehemaligen exersuisse-Studios Priorität.

RG: Und wie sehen die Expansionspläne in Deutschland und Österreich aus?

MA: Das kleinere Geschäftsmodell ist speziell auf Standorte mit einer geringeren Einwohnerzahl angepasst – bei gleicher Qualität unserer Dienstleistung. Wir haben in Deutschland in einem Pilotstudio Erfahrungen gesammelt und schon viele Interessenten für konkrete Standorte. In Österreich sehen wir Potential für ein paar grössere Standorte, dann wollen wir dort ebenfalls die kleineren Standorte ins Auge fassen. Der Engpass bei der Expansion liegt darin, geeignete Immobilien zu finden. Dies ist enorm schwierig.

RG: Ich habe gehört, dass Kieser Training auch in China Standorte eröffnen will. In China kennt doch niemand Kieser Training?

MA: Es ist richtig, dass wir Pläne in China haben. Durch die Rückführung von exersuisse zu Kieser haben wir diese Pläne vorerst zurückgestellt. Unser wichtigster Markt ist nach wie vor der deutschsprachige Raum. Es freut uns aber sehr, dass wir in Australien kontinuierlich um zwei bis drei Standorte pro Jahr wachsen. Die Internationalisierung läuft bei uns über ein Master-Franchise, welches wir vergeben.

RG: Wie entscheidet Ihr, ob Ihr einen neuen Standort realisiert oder nicht?

MA: Es gibt Kennzahlen und Standortanalysen, auf deren Basis wir das Potenzial bewerten und dann entscheiden, ob ein Standort für uns in Frage kommt. So bewerten wir im Einzugsgebiet beispielsweise Kaufkraft, Kundensegment oder die Affinität zu unserem Produkt. Das A und O sind Lage und Erreichbarkeit.

RG: Ist ein Wachstum auch durch Studioübernahmen denkbar?

MA: Wir expandieren in erster Linie über die Neueröffnung von Studios. Übernahmen sind für uns aufgrund unserer Ausrichtung eher schwierig.

RG: Kieser Training ist ein Franchisekonzept. Wer und wie kann Franchise-nehmer bei Kieser Training werden?

MA: 75 Prozent der Studios werden von Franchisenehmern betrieben, 25 Prozent sind eigene Studios. Grundsätzlich kann jeder Franchisenehmer werden. Wir haben aber natürlich gewisse Kriterien. Dazu gehören beispielsweise Kenntnisse der Branche, in der Betriebswirtschaft, in der Personalführung sowie im Marketing und Vertrieb. Interessenten bewerben sich bei unseren Franchisemanagern. Viele kommen aus den Reihen unserer eigenen Studios, aber es gibt natürlich auch externe Interessenten. Grundsätzlich muss die Bereitschaft bestehen, als Unternehmer zu arbeiten, hinter dem Produkt zu stehen und alle Kieser-Ausbildungen zu absolvieren. Ein Franchisenehmer muss sich bewusst sein, dass er in einem standardisierten Konzept arbeitet und sich in eine Organisation einordnen muss. Zudem muss er zu uns passen und über das notwendige Startkapital verfügen.

RG: Ihr habt jahrelang fast ausschliesslich mit Rückentraining und einem gelben Rücken Werbung gemacht. Wenn ich heute Eure Webseite und Werbung anschauen, ist zwar das Thema Rücken noch präsent, aber nicht mehr so im Vordergrund wie früher. Weshalb dieser Strategiewechsel?

MA: Tatsächlich dominierten der stilisierte Muskelrücken sowie die Farbe Gelb viele Jahre die Werbung. 2014 haben wir unseren Markenauftritt visuell modernisiert und sind zur Grundfarbe Blau gewechselt. Im Jubiläumsjahr haben wir den Auftritt weiterentwickelt. Fakt ist: Das Rückentraining ist zwar die Speerspitze unseres Angebotes, aber wir bieten ja viel mehr, nämlich ein ausgewogenes und hochwirksames Training für den ganzen Körper.

RG: Wie siehst Du die Fitnessbranche im deutschsprachigen Raum in zehn Jahren? Wird es noch Einzelstudios geben, in welche Richtung geht die Branche?

MA: Gute Einzelstudios in kleineren Regionen, die gut vernetzt sind, wird es auch zukünftig geben. Der Markt wird aber deutlich härter und der Discountbereich wächst weiter sehr stark.

RG: Was macht Michael Antonopoulos privat?

MA: Fussball ist meine grosse Leidenschaft, die ich immer noch hobbymässig betreibe. Über den Fussball bin ich damals wegen einer Verletzung zum Krafttraining gekommen. Daneben spiele ich noch Tennis und darüber hinaus ist es mir wichtig, Zeit mit meiner Familie zu verbringen.

RG: Ganz herzlichen Dank für das Interview, Michael. Ich wünsche Kieser Training viel Erfolg.