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Ketogenese – Mit einem «Notfallprogramm» zur passenden Ernährungsform?

Ausgewogene oder vegetarische Ernährung bzw. Diät, Slow Food, «Keep it simple», «If it fits your macros» – Dies sind Begriffe, die in der aktuellen Zeit durch ihre mediale Präsenz fast schon inflationär verwendet werden. An sich sind diese Ernährungsweisen in ihrer Komplexität vielfältig und die Frage, welche Diät für das Individuum die beste ist, bleibt oft unbeantwortet. Neben Ernährungsformen wie Low Carb oder Paleo sticht die ketogene Ernährungsform besonders heraus.

Die ketogene Diät wurde bereits 500 v. Chr. als Heilmittel gegen Epilepsie genutzt. Sie zeichnet sich durch einen erhöhten Anteil an Fettsäuren aus und ahmt den metabolischen Status des Fastens nach (Freeman, Veggiotti, Lanzi, Tagliabue & Perucca, 2006).

Was versteht man unter ketogener Diät?

Aufgrund des hohen Fettanteils ist die ketogene Diät streng bilanziert. Man spricht hierbei von einem ketogenen Verhältnis. Dieses beschreibt in der Regel eine Kalorienrelation von drei bis vier Teilen Fett zu einem Teil Proteine und Kohlenhydrate (Neubauer & Hahn, 2012).

Nach Dhamija, Eckert und Wirrell (2013) bestehen mit leichten Abweichungen vier Hauptmöglichkeiten, die ketogene Diät zu gestalten:

  • Klassisch: 4:1-Verhältnis (Fett zu Proteinen und Kohlenhydraten)
  • MCT (= medium-chain triglyceride): 60 Prozent mittelkettige Fettsäuren, 10 Prozent langkettige Fettsäuren, 20 Prozent Kohlenhydrate und 10 Prozent Proteine
  • Modified Atkins Diet: 65 Prozent Fette, 10 Prozent Kohlenhydrate, 25 Prozent Proteine
  • Low Glycemic Index Diet: 60 Prozent Fette, 10 Prozent Kohlenhydrate, 30 Prozent Proteine

Zur Veranschaulichung ist in Abbildung 1 eine Lebensmittelauswahl in Anlehnung an den Keto-Kompass dargestellt.

Die unterste Stufe beschreibt Lebensmittel, die zu jeder Mahlzeit verzehrt werden können. Diese zeichnen sich durch weniger als drei Gramm Kohlenhydrate auf 100 Gramm Nahrungszufuhr aus und sind zum Teil sehr fettreich. Die nächste Ebene besteht aus eiweissreichen Lebensmitteln, die ebenfalls reich an Fett sein können. Auch diese können zu jeder Mahlzeit verzehrt werden. Stufe drei der Pyramide stellt Lebensmittel mit drei bis sieben Gramm Kohlenhydrate pro 100 Gramm dar. Bei diesen müssen die Portionen berechnet werden, um eine gewisse Menge an Kohlenhydraten nicht zu überschreiten. Dasselbe gilt für die oberste Stufe. Hierbei handelt es sich um Lebensmittel mit ca. zehn Gramm Kohlenhydraten pro 100 Gramm Aufnahme. Alle Ausprägungen der ketogenen Diät haben eines gemeinsam: ein erhöhter Konsum von Fettsäuren und vor allem eine gesenkte Aufnahme von Kohlenhydraten.

Abb. 1: Die Keto-Pyramide (modifiziert nach Gonder & Karner, 2020, S. 11)

Doch was grenzt die ketogene Ernährungsform von der Low-Carb-Ernährung ab?

Bei der Low-Carb-Ernährung werden etwa 100 Gramm Kohlenhydrate am Tag aufgenommen. In der ketogenen Diät wird diese Zugabe je nach individueller Ketonkörperbildung auf mehr oder weniger unter 50 Gramm gesenkt. Nach mehreren Tagen des Reduzierens von Kohlenhydraten wird verstärkt ein Teil der nutzbaren Energie aus Fett gewonnen. In diesem Prozess wird die Bildung von Ketonkörpern angeregt (Bolla, Caretto, Laurenzi, Scavini & Piemonti, 2019). Ketonkörper dienen als alternative Energieform für den Körper und insbesondere für das Gehirn. Die Regulierung des Ketonhaushaltes erfolgt vorrangig über das Insulin.

Wenn vormals die Energiegewinnung durch den Abbau von Kohlenhydratspeichern und die Neubildung von Zucker aus Laktat erfolgte, bedient sich der Körper nun eines «Notfallprogramms». Bei fehlender Zufuhr oder nicht ausreichend vorhandenen Kohlenhydratspeichern tritt die Ketonkörperbildung als alternative Energiebereitstellung ein (Dhillon & Gupta, 2021).

Abb. 2: Zusammenfassung der Effekte der ketogenen Diät (modifiziert nach Bolwer & Polman, 2020, S. 9)

Möglichkeiten der therapeutischen Anwendung

Nicht nur in der Antike, sondern auch in der heutigen Zeit bietet die ketogene Ernährung eine Plattform für mögliche Therapieansätze. Neben der Zielsetzung einer Gewichtsreduktion bedient man sich zum Beispiel in der Alzheimerforschung der Ideen und Wege einer ketogenen Ernährungsform. Morbus Alzheimer ist die häufigste Form von Demenz. Patienten leiden an einem fortschreitenden Abbau der kognitiven und physischen Fähigkeiten. Im Vergleich zu gesunden Individuen ist hierbei häufig eine verminderte Anzahl von Insulinrezeptoren im Gehirn zu erkennen, was in einer Insulinresistenz münden kann. Mehrere Studien belegen zum Teil eine um 20 bis 25 Prozent verminderte zerebrale Glukoseverstoffwechselung (Phillips et al., 2021).

Es gibt zwar Studien, die besagen, dass eine ketogene Diät die kognitiven Fähigkeiten bei Alzheimerpatienten verbessern bzw. erhalten können, jedoch gibt es keinen signifikanten Nachweis hierfür – so postulieren auch Phillips et al. (2021). Sie stellten für zwölf Wochen die Ernährung von 26 Alzheimerpatienten auf die ketogene Diät um. 21 der Patienten vollendeten hierbei die zwölfte Woche. Bei den Probanden wurde nach diesem Zeitraum eine nicht-signifikante Verbesserung der Kognition festgestellt. Unabhängig davon wurden die Verbesserung der Lebensqualität und die Fähigkeiten, den Alltag zu bewältigen, in positiver Auswirkung beschrieben. In einem Review wurden sogar signifikant positive Effekte auf die kognitive Fähigkeit und eine verbesserte Gehirn-aktivität nachgewiesen (Lilamand, Mouton-Liger & Paquet, 2021).

Neben Morbus Alzheimer gibt es weitere pathologische Befunde, die mit einer ketogenen Diät testweise behandelt werden: Bipolare Störungen und Narkolepsie (Tillery, Ellis, Threatt, Reyes, Plummer, & Barney, 2021).

Auswirkung ketogener Ernährung auf die Fitness

Auch bei der Betrachtung von Training in Kombination mit ketogener Ernährung bei übergewichtigen bis adipösen Personen wurden positive Wirkungsmechanismen nachgewiesen. Lee und Lee (2021) erhoben hierfür Wirkungsgrade in ihrer Metaanalyse: 278 Probanden führten über durchschnittlich 9,2 Wochen ein Trainingsprogramm mit etwa vier Trainingseinheiten pro Woche durch. In Verbindung mit einer ketogenen Diät während dieser Zeit konnten die Triglyzeridwerte und der Taillenumfang vermindert werden. Statistisch relevante Effekte auf die kardiovaskuläre Fitness sowie auf HDL (= high density lipoprotein, oftmals als «gutes» Cholesterin bezeichnet) und LDL (= low density lipoprotein, oftmals als «schlechtes» Cholesterin bezeichnet) wurden nicht festgestellt.

Bowler und Polman (2020) betrachteten ebenfalls in einer Übersichtsarbeit mit 101 Athleten (84 männlich, 17 weiblich) im Alter von 15 bis 41 Jahren die Effekte einer ketogenen Kostform. Die Out-comes sind in Abbildung 2 aufgeführt.

Aus dieser Abbildung geht hervor, dass kurzfristige Effekte vor allem bei der Abnahme von Fettmasse und Körpergewicht festzustellen sind. Dies geht einher mit einem erhöhten Fettstoffwechsel.

Wie lange sollte eine ketogene Ernährung durchgeführt werden?

Paoli (2014) deutet darauf hin, dass eine ketogene Diät mindestens zwei bis drei Wochen und maximal sechs bis zwölf Monate eingehalten werden sollte. Insbesondere die Compliance (= Therapietreue) der Patienten muss hierbei beachtet werden. Diese wird vor allem in Anbetracht der Lebensmittelauswahl beeinflusst. Paoli sieht die ketogene Diät primär als hilfreiches Instrument, um Übergewicht unter Aufsicht eines Arztes zu behandeln. Auch Masood, Annamaraju und Uppaluri (2020) postulieren positive kurzfristige Effekte ketogener Kost. Auf lange Sicht kann es jedoch zu Komplikationen wie Hypoglykämie und Elektrolytdysbalancen führen.

Was bedeutet das für die praktische Anwendung?

Eine kurzfristige Umsetzung dieser Ernährungsweise kann in vielen Bereichen als Strategie dienen. Ein Beispiel hierfür ist die schnelle Gewichtsabnahme vor einem Wettkampf im Kampfsport, um eine angestrebte Gewichtsklasse zu erreichen. Langfristige Effekte sind wenig erforscht oder nicht nachweislich zielführend.

Besonders die Compliance ist über einen Zeitraum von mehreren Wochen bzw. Monaten zu beachten. Eine genaue Anamnese des Patienten bzw. Kunden und Zielformulierung ist hierbei essenziell. Aus psychologischer Sicht kann die Imitation von kohlenhydratreicher Kost bei vergleichsweiser geringer Kohlenhydrataufnahme einen gewinnbringenden Faktor darstellen. Dies kann zum Beispiel über das Nahrungsvolumen sichergestellt werden. Lebensmittel mit einem hohen Nahrungsvolumen sind zum Beispiel: Kürbis, Brokkoli, Blumenkohl, Kartoffeln, Wassermelone, Ananas, Zucchini, Gurke und Spargel.

Daneben ist es hilfreich, die Sättigung bei verschiedenen Lebensmitteln miteinzubeziehen. Besonders proteinreiche Lebensmittel sorgen für eine vergleichsweise langanhaltende Sättigung.

Es lässt sich schlussfolgern, dass nicht nur der Outcome der ketogenen Diät einer zeitlichen Beschränkung unterliegt, sondern auch bedingt durch die Auswahl der Lebensmittel das Commitment über einen längeren Zeitraum gehemmt werden kann.

Fazit

Die ketogene Ernährung kann als hilfreiches Instrument dienen, um kurzfristige Erfolge in verschiedenen Anwendungsbereichen zu erzielen. Ein Aufrechterhalten der ketogenen Diät über einen längeren Zeitraum gestaltet sich schwierig insbesondere in Abhängigkeit der nutzbaren Lebensmittelvielfalt. Es sind weitere Langzeitstudien notwendig, um signifikante Resultate aufzuzeigen und zu bestätigen.

Auszug aus der Literaturliste

  • Bolla A. M., Caretto A., Laurenzi A., Scavini, M. & Piemonti L. (2019). Low-Carb and Ketogenic Diets in Type 1 and Type 2 Diabetes. Nutrients. 11, 2–14.
  • Gonder, U., & Karner, B. (2020). Der Keto-Kompass – Das Kochbuch: Gesund leben, lecker essen und Krankheiten therapieren mit der ketogenen Ernährung. Mit über 120 Rezepten und detaillierten Wochenplänen. Riva Verlag. München.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte: marketing@dhfpg-bsa.de.

Aris Theodorou

Aris Theodorou, M. A. Prävention und Gesundheitsmanagement, ist Mitarbeiter der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und der BSA-Akademie. Er verfügt über eine zehnjährige praktische Berufserfahrung im Ersten und Zweiten Gesundheitsmarkt.

www.dhfpg-bsa.de