Intervallfasten – Trend oder «Wundermittel»?
6. August 2020
BranchenTag 2020, Mittwoch, 19. August in Bern: Durchstarten mit neuen Business-Strategien
6. August 2020

Lokale Fettreduktion durch Bauchtraining Endlich Sixpack durch Bauchkiller-Kurse?

Jedes Jahr aufs Neue beginnen Fitnesskunden nach den ersten warmen Tagen des Frühlings ihren «Winterspeck» abzutrainieren. Doch noch bevor die Ersten diesen Vorsatz in die Tat umsetzen konnten, wurden alle Fitnesscenter aufgrund der Corona-Krise geschlossen. Nachdem schrittweise die Ausgangsbeschränkungen gelockert und das öffentliche Leben wieder «hochgefahren» wurde, ist der Wunsch nach der Sommerfigur bei vielen umso grösser geworden. Eine Vielzahl der Fitnesskunden sieht Bauchkiller-Kurse, ob virtuell oder vor Ort, als die optimale Lösung. Aber reicht ein reines Bauchmuskeltraining aus?

In Fitness- und Gesundheitscentern sind Corona-konforme Gruppentrainingskurse ein beliebtes Angebot für die Mitglieder. Seit 2017 gehört das Gruppentraining zu den Top 20 (Platz 6) der weltweiten Fitnesstrends. Für das Jahr 2020 liegt es laut einer aktuellen Umfrage auf Platz 3 und gehört damit eindeutig zu den wichtigsten Angeboten von Fitness- und Gesundheitscentern (Thompson, 2019, S. 13). Rund 71 Prozent der Fitnessanlagen setzen auf Gruppentraining, von den Kettenbetreibern sind es sogar 90 Prozent (Thompson, 2019, S. 32). Es gibt eine Vielzahl an ausdauer- und kraftorientierten Kursprogrammen zur Leistungs- oder Gesundheitsverbesserung. Der sogenannte Bauchkiller-Kurs gehört zu den kraftorientierten Kursen und ist in der Regel ein 10- bis 20-minütiges reines Bauchmuskeltraining. Attraktiv ist das Angebot vor allem für diejenigen, die sich einen straffen und definierten Bauch davon versprechen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte man allerdings ein paar wichtige Punkte beachten.

Der Bauch – straff und muskulös sollte er sein

Weniger die Körpermasse bzw. das -gewicht sind für das äussere Erscheinungsbild entscheidend, sondern vielmehr die Körperzusammensetzung. Es ist daher nicht erstrebenswert, zwanghaft ein bestimmtes Körpergewicht erreichen zu wollen – sinnvoller ist es, den Körperfett-anteil zu reduzieren und den Anteil an Skelettmuskelmasse zu erhöhen. Dadurch treten die Muskeln deutlicher hervor und das Erscheinungsbild kann massgeblich verändert werden.

Um den Körperfettanteil zu reduzieren, ist eine negative Energiebilanz nötig, das heisst wir müssen mehr Energie verbrauchen als wir über die Nahrung zu uns nehmen. Im Grunde erreichen wir dies über drei Wege:

  1. Energieverbrauch durch mehr körperliche Aktivität erhöhen
  2. weniger Energie mit der Nahrung aufnehmen
  3. eine Kombination der beiden genannten Punkte

Grundsätzlich können gesunde Erwachsene mit allen drei Varianten an Körperfettmasse verlieren. Trotzdem ist die Kombination aus einer Diät (negative Energiebilanz) und einem erhöhten Energieverbrauch durch gesteigerte körperliche Aktivität (z. B. Krafttraining) klar zu bevorzugen. Der Grund dafür ist, dass bei einer reinen Diät auch fettfreie Masse, die zum grossen Teil aus Muskelmasse besteht, verloren gehen kann. Um diesen unerwünschten Nebeneffekt zu verhindern, wird zu einer kalorienreduzierten Ernährung ein Krafttraining empfohlen (Toigo, 2019, S. 303–321). Das Krafttraining dient in diesem Fall nicht, wie oft angenommen, dem Aufbau, sondern dem Erhalt der stoffwechselaktiven Muskulatur. Zudem belegen die Autoren Miller, Mull, Aragon, Krieger und Schoenfeld (2018), dass eine Kombination aus Diät und Krafttraining im Vergleich zu einer reinen Diät eine grössere Abnahme der Fettmasse bewirkt.

Wenn man sich vor Augen führt, dass für das äussere Erscheinungsbild das Muskelvolumen relativ gross und das Fettvolumen relativ klein sein sollte, dann kann die Kombination von Krafttraining und negativer Energiebilanz den gewünschten Erfolg eines straffen und muskulösen Bauchs erzielen. Durch die Reduktion der Fettmasse und den Erhalt der Muskelmasse tritt die Muskulatur nun deutlicher hervor. Die vereinfachte Darstellung eines Muskelquerschnitts (vgl. Abb. 1) zeigt, dass die Fettmasse durch Krafttraining mit kombinierter Diät deutlich reduziert werden kann. Die Knochen- und Muskelfläche bleiben hier unverändert.

Abb. 1: Muskelquerschnitt (modifiziert nach Toigo, 2019)

Spot Reduction durch Bauchkiller-Kurse?

Oftmals hartnäckige Fettdepots am Bauch loswerden – das ist die Intention bei Bauchkiller-Kursen. Die dahinterliegende Idee ist, dass mit Bauchmuskelübungen und deren vielfacher Wiederholung der Effekt der punktuellen Fettreduktion (engl. «Spot Reduction») eingeleitet wird (Toigo, 2019).

Der Begriff «Spot Reduction» wurde lange Zeit als Mythos deklariert (Kostek et al., 2007; Ramírez-Campillo et al., 2013; Vispute, Smith, LeCheminant & Hurley, 2011). Bereits in den Achtzigerjahren untersuchten Katch, Clarkson, Kroll, McBride und Wilcox (1984), ob ein ausschliessliches Bauchmuskeltraining (Sit-ups) eine punktuelle Fettreduktion bewirkt. Dies konnte nicht bestätigt werden – es zeigte sich keine Veränderung des abdominalen Fettgewebes; auch das Körpergewicht und die Gesamtkörperfettmasse blieben unverändert. Vispute et al. (2011) untersuchten ebenfalls den Effekt eines Bauchmuskeltrainings (7 Bauchübungen 5-mal pro Woche) auf die abdominale Körperfettreduktion. Alle Studienteilnehmenden behielten eine isokalorische Ernährung bei. Nach der sechswöchigen Intervention zeigte sich keine grössere abdominale Körperfettreduktion im Vergleich zur Kontrollgruppe, die kein Training absolviert hatte. Hinzu kam, dass beide Studien keine Auswirkungen auf die Körperkomposition (Körpergewicht, Bauchumfang, Gesamtkörperfett etc.) nachweisen konnten. Demnach scheint es auch nicht verwunderlich, dass keine punktuelle Fettreduktion auftrat, da die Teilnehmenden generell kein Gesamtkörperfett verloren hatten.

Die Studie von Di Scotto Palumbo, Guerra, Orlandi, Bazzucchi und Sacchetti (2017) belegt, dass eine punktuelle Fettreduktion bei untrainierten Übergewichtigen möglich ist. Auch aus physiologischer Sicht liegt die Vermutung nahe, dass punktuell bzw. lokal Körperfett verbrannt werden kann. Man nimmt an, dass eine Muskelaktivität auch die Fettoxidation im nahe gelegenen Fettgewebe begünstigt (Henselmans, 2019). Bei unilateralen Übungen wie der einbeinigen Kniebeuge wird demnach mehr Körperfett am aktiven Bein (z. B. linker Oberschenkel) verbrannt als am inaktiven Bein. Dies hängt mit der lokalen Lipolyse bzw. Fettverbrennung zusammen. Durch die körperliche Beanspruchung kommt es zu einer gesteigerten Durchblutung im Gewebe. Diese erhöht auch die Blutzufuhr der fett-abbaufördernden Hormone Adrenalin und Noradrenalin. Zudem können auch Myokine, die vom aktiven Muskel freigesetzt werden, die Fettoxidationsrate im nahe gelegenen Fettgewebe erhöhen (Henselmans, 2019).

Lokaler Fettabbau braucht mehr als lokales Krafttraining

Dass ein Krafttraining der oberen Extremitäten auch zu einem höheren lokalen Fettabbau, gemessen an der Armstrecker-Hautfalte, führt, fanden Di Scotto Palumbo et al. (2017) in ihrer Studie heraus. Ebenso bewirkte ein Krafttraining der unteren Extremitäten, gemessen an der Beinstrecker-Hautfalte, eine höhere Fettreduktion (vgl. Abb. 2). Die Körperfettmessung wurde mit der Kaliperzange durchgeführt. Gruppe 1 (blau) absolvierte das Krafttraining für die oberen Extremitäten plus 30 Minuten Training auf dem Fahrradergometer bei 50 Prozent VO2max. und Gruppe 2 (hellgrün) das Krafttraining für die unteren Extremitäten plus 30 Minuten Training am Armergometer bei 50 Prozent VO2max. Auch der DEXA-Scan zur Bestimmung der Körperzusammensetzung belegt das Ergebnis der punktuellen Fettreduktion. Da beide Gruppen zusätzlich zum Krafttraining und der anschliessenden Ausdauereinheit dreimal pro Woche ein Zirkeltraining (3 Sätze à 10 Wdh. bei 60 % 1-RM) absolvierten, konnten sie wesentlich an Gesamtkörperfettmasse verlieren. Das Erreichen einer negativen Energiebilanz durch körperliches Training und/oder eine Diät ist entscheidend, um eine punktuelle Fettreduktion überhaupt nachweisen zu können.

Abb. 2: Veränderung der Fettmasse (FM) (modifiziert nach Di Scotto Palumbo et al., 2017)

Obwohl diese Studie belegt, dass die sogenannte Spot Reduction zumindest bei untrainierten Übergewichtigen möglich ist, muss weiterhin hinterfragt werden, wie gross die Wirkung eines lokalen Krafttrainings, wie beispielsweise eines Bauchkiller-Kurses, ist. Die Vermutung liegt nahe, dass die Spot Reduction durch die anschliessende Ausdauereinheit nach dem Krafttraining sowie das zusätzliche Zirkeltraining verstärkt wurde. Zusammenfassend sind drei Aspekte für das Training relevant, damit die punktuelle Fettreduktion funktionieren kann:

1. Muskulatur erhalten

Ein adäquater Trainingsreiz ist wichtig, damit die Muskulatur erhalten bleibt und die Durchblutung im umliegenden Fettgewebe gesteigert wird. So erreichen die fettabbaufördernden Hormone die entsprechenden Fettzellen für die erwünschte Spot Reduction.

2. Gesamtenergieverbrauch erhöhen

Ein reines Bauchmuskeltraining ist nicht ausreichend, um die punktuelle Fettreduktion zu erzielen, da der Gesamtenergieverbrauch nur durch das Training grosser Muskelgruppen erhöht werden kann. Dementsprechend ist nach dem Bauchmuskeltraining eine intensive Ausdauereinheit oder ein Ganzkörper-Workout sinnvoll.

3. Diät einhalten

Eine punktuelle Fettreduktion funktioniert nur, wenn die gesamte Körperfettmasse im Rahmen einer Diät reduziert wird. Dazu muss eine negative Energiebilanz angestrebt werden. Allein durch Bauchübungen wird es nahezu unmöglich, einen straffen und muskulösen Bauch zu erreichen, da das Unterhautfettgewebe wie ein Film über der Muskulatur liegen bleibt.

Fazit

Die punktuelle Fettreduktion bzw. Spot Reduction ist nur möglich, wenn ein Krafttraining zum Erhalt der Muskulatur erfolgt, ein hoher Gesamt-energieverbrauch im Training angestrebt und eine negative Energiebilanz im Rahmen einer Diät erzielt wird. Demnach muss die Spot Reduction nicht länger als Mythos deklariert werden, sondern kann unter speziellen Voraussetzungen funktionieren. Die Frage, ob Bauchkiller-Kurse die lästigen Fettpolster an der Körpermitte gezielt schrumpfen lassen, kann zumindest für übergewichtige Trainingsanfänger in Kombination mit einer negativen Energiebilanz mit Ja beantwortet werden.

Auszug aus der Literaturliste

  • Henselmans, M. (2019). New science: spot reduction is not a myth. Zugriff am 17.12.2019. Verfügbar unter https://mennohenselmans.com/science-spot-reduction-myth/
  • Thompson, W. R. (2019). Worldwide survey of fitness trends for 2020. ACSMs Health Fit J., 23 (6), 10–18.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte  marketing@dhfpg-bsa.de.

Anna Welker

Die Sportwissenschaftlerin arbeitet als pädagogische Mitarbeiterin an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) sowie der BSA-Akademie im Fachbereich Trainings- und Bewegungswissenschaft. Praktische Erfahrungen im Bereich Gruppen- sowie Individualtraining sammelte sie in Fitness- und Gesundheitseinrichtungen.

www.dhfpg-bsa.de