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Moderne Rückentherapie – Der Therapieerfolg liegt in der Tiefe!

Das Kreuz mit dem Kreuz! Die Zivilisationsplage „Rückenschmerz“ mutierte zum Gesundheitsproblem Nr.1 unter den nicht ansteckenden Krankheiten und kostet den Staat, Unternehmen und schlussendlich den Bürgern Milliarden. Ein Auszug aus dem „Rückenreport Schweiz“ ergibt folgende nüchterne Statistik:

Demographische Fakten zum Rückenschmerz der Schweizer

  • 80 % der Menschen leiden unter Rückenschmerzen (4.6 Millionen Frauen und Männer)
  • 52 % geben an, teilweise bis stark durch die Schmerzen beeinträchtigt zu sein
  • 50 % der Schweizer fallen bis zu einer Woche pro Jahr aufgrund von Rückenschmerzen aus. Knapp 10 % sogar wochen- bis monatelang
  • Der volkswirtschaftliche Schaden durch Rückenschmerzen in der Schweiz liegt in Milliardenhöhe gemäss Studien des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco)
  • Die Kosten der Behandlung chronischer Rückenschmerzen betragen 7,5 Milliarden Franken
  • Die Wirtschaft kostet dies jährlich über 4 Milliarden Franken. Davon entfallen 3,3 Milliarden auf verminderte Produktivität und eine Milliarde auf Absenzen

Ungefähr zwei Drittel aller Beschwerdefälle betreffen die Lendenwirbelsäule (LWS). Nahezu 85% aller Rückenschmerzen gelten als „unspezifisch“. Das heisst, dass medizinischen Untersuchungen wie Röntgen, MRT etc. „Keine Auffälligkeiten“ an den Wirbelsäulenstrukturen attestieren. In einfachen Worten heisst dies, dass die genauen Ursachen für die Rückenschmerzen nicht bekannt sind. Zum Glück helfen hier wissenschaftliche Untersuchungen auf die Sprünge. Sie zeigen auf, dass die allermeisten unspezifischen Rückenschmerzpatienten geschwächte tiefliegende Haltemuskulaturen aufweisen. Insbesondere die tiefliegenden Bauchmuskeln (M. Transversus abdominis) und Rückenmuskeln (Mm. Multifidii) werden nicht mehr korrekt rekrutiert. Sie können ihre Aufgabe – die Wirbelsäulensegmente zu stabilisieren und auf die Belastung vorzubereiten – nicht mehr angemessen erfüllen.

Berechtigterweise und mit grosser Hoffnung stellen Betroffene an Arzt und Therapeut die Kernfrage, was denn jetzt gegen die Rückenschmerzen langfristig hilft. Zwei Zitate von Experten beschreiben den meist zielführenden Lösungsweg sehr treffend:

„Die sinnvollste Therapie lautet fast immer Muskeltraining“ (Dr. Gumpert u. Dr. Jungermann) „… wobei es wenig nützt, sich dicke Muskelpakete anzutrainieren“. Anstatt der Bewegungsmuskulatur muss die tiefliegende Haltemuskulatur gestärkt werden. (Dr. Köstler)

Entstehung von Rückenschmerz in der LWS

Zum einen ist die lumbale Instabilität als signifikanter Auslöser von LWS-Beschwerden (O´Sullivan 1997), zum anderen ist die insuffiziente stabilisierende Muskulatur als Ursache für erhöhtes Risiko für chronischen Rückenschmerz bekannt. Ein zielgerichtetes Training dieser Strukturen ist daher der wichtigste therapeutische und/oder präventive Ansatz.

Muskuläre segmentale Stabilisation der LWS

Alle Rumpfmuskeln tragen sowohl zur Mobilität als auch zur Stabilität der Wirbelsäule bei und trotzdem scheinen manche Muskeln doch besonders für eine ganz bestimmte Aufgabe geeignet zu sein (Bergmark, 1989; Hogan, 1990; Oddson u. Thorstensson, 1990; in Klein-Vogelbach, 2000).

Die Aufmerksamkeit richtet sich auf Funktion und Koordination der kleinen intersegmentalen Muskeln der Wirbelsäule bei der Stabilisierung der Wirbelsäulensegmente (Bergmark, 1989; Crisco u. Panjabi, 1991; Hodges u. Richardson, 1997a; Oddson u. Thorstensson, 1990; Richardson et al., 1999; Wilke et al., 1995; in Klein-Vogelbach, 2000).

Lokale segmental stabilisierende Muskulatur

Die lokalen Muskeln sind von ihrer anatomischen Lage kaum imstande, Bewegung und Gleichgewicht zu steuern, aber gut ausgestattet, die einzelnen Segmente der Wirbelsäule zu stabilisieren. (Bergmark, 1989; in Klein-Vogelbach, 2000).

Aktivierung der tiefliegenden Muskeln – die Übungstherapie

Eine Form von Übungstherapie, die in den letzten Jahren populär wurde und sich durchgesetzt hat, sind die segmentalen Stabilisationsübungen (Segmental stabilizing exercises, SSE).

Die Methode fokussiert auf das Wieder-Erlernen eines präzisen Ko-Kontraktionsmusters der tiefen Rumpfmuskulatur. Das Ziel ist es, die aktive segmentale Stabilisation zu reaktivieren oder zu verbessern, um so die Gelenke vor Fehlbelastungen und Verletzungen zu schützen. Die dabei zum Einsatz kommenden Übungen sind hoch koordinativ. Sie beruhen auf hohen Wiederholungszahlen bei tiefen Gewichten. Sie dienen zudem der Körperwahrnehmung und dem Wiedererlangen der motorischen Fähigkeiten der lokalen Muskeln.

Es hat sich gezeigt, dass es gerade in der Anfangsphase nach einer Rückenschmerzepisode wichtig ist, diese Muskulatur wieder zu aktivieren und bewusst zu machen, sie quasi wieder in Gang zu bringen. Ein zu frühes Training des globalen Systems – d.h. der Bewegungsmuskulatur – kann unter Umständen erst recht zu einer Verschlechterung des Schmerzes führen, weil der Körper gar nicht auf diese grosse Belastung vorbereitet ist, denn zur Vorbereitung der Belastung dienen eben genau diese segmentalen Muskeln.

Daher ist es wichtig zuerst ein gutes Fundament zu legen, also die tiefliegenden Stabilisatoren (lokales System) zu aktivieren und das ‚“innere Korsett“ aufzubauen. Sie bereiten den Körper auf die Belastung vor, und dann zu einem späteren Zeitpunkt allmählich die Bewegungsmuskulatur (globales System) mit einzubauen und den Patienten schlussendlich zu einem guten und intensiven Rückentraining zu führen, das dann sehr gut im Fitnessstudio umzusetzen ist. Ein 4 Stufen Programm und weiterführend ein 1-Jahres Rückenprogramm bietet sich dazu sehr gut an. Der Patient/Kunde sollte auch nach der Therapie seine Schwachstelle am Rücken regelmässig schützen d.h trainieren.

Einen neuen Ansatz liefern hier die Geräte des Rückentherapie-Centers von Dr. WOLFF. Ein Sensorsystem und eine Feedbackanzeige ermöglichen die Definition der neutralen Zone und ein permanentes Feedback während des Trainings für Patienten und Therapeuten/Trainer.

Rückentherapie als Profitcenter im Fitnessbetrieb

Argumente, die für eine Integration einer Rückentherapie im Fitnessbetrieb sprechen:

Erschliessung einer neuen Zielgruppe: Die Zahl der Rückenschmerzgeplagten ist enorm und sie müssen Zeit ihres Lebens regelmässig ein gezieltes Training absolvieren. Das macht sie zu einer stabilen und kalkulierbaren Kundengruppe. Ausserdem haben sie kaum Variations- und Auswahlmöglichkeiten. Herkömmliche Sportarten wie Joggen, Radtraining etc. können sie als Alternative zum zielgerichteten Training oft gar nicht ausführen.

Rückenpatienten werden durch ein ergänzendes Trainingsangebot nach der Therapie zu dauerhaften Fitness-Kunden. Durch geeignetes Gerätetraining im Rahmen der Therapie werden die Patienten an das herkömmliche Gerätetraining herangeführt.

Therapieleistungen wie Physiotherapie und Medizinische Trainingstherapie werden von den Kassen bezahlt. Darüber hinaus resultieren ein Imagegewinn und Kooperationsmöglichkeiten mit Ärzten.

Auf folgendes ist bei einer erfolgreichen Implementierung eines Rückentherapie-Centers zu achten:

Grundsätzlich gilt: Wo Therapie draufsteht, muss auch Therapie drinnen sein. Es benötigt erfahrene Therapeuten, die in der Lage sind eine gute Ist-Zustandsanalyse durchzuführen und manual- und gerätetherapeutischen Techniken perfekt beherrschen.

Als Fitnesscenter Betreiber sollte man besonders darauf achten, dass für die Kunden das Therapie- und Gerätekonzept im Vordergrund steht und nicht der Therapeut und seine „besonderen“ Fähigkeiten. Sonst begibt man sich in eine Abhängigkeit und nicht selten steht man dann vor der Tatsache: Therapeut weg – Kunden weg!

Das Angebot sollte sich möglichst von anderen physiotherapeutischen Einrichtungen unterscheiden und ein Alleinstellungsmerkmal darstellen.

Das Angebot sollte wissenschaftlich top evaluiert sein und nicht eine diskussionswürde strittige Angriffsfläche bieten. Sonst gibt es keine Zuweisungen von den Ärzten und ausserdem keine Verrechenbarkeit mit den Kassen.

Wenn ein Gerätekonzept zum Einsatz kommt, dann muss dieses für Patienten in der Schmerzphase geeignet sein! Bei der Auswahl darf man keinesfalls vom Level eines Fitnesskunden ausgehen.

Das Therapiemarketing unterliegt anderen Gesetzen und darauf ist besonders zu achten. „Werbeaussagen“ an Patienten gerichtet sind teilweise gesetzlich geregelt. Auf jeden Fall muss sich das „Marketing“ in geeigneter Weise und Kanälen an Patienten sowie an zuweisende Ärzte richten.

Über die Autoren

Peter Domitner

Jahrgang 1969

Ist CEO der Domitner GmbH, die auf die Konzeption und Ausstattung medizinischer Trainingstherapien und hochwertiger Fitnessanlagen spezialisiert ist. Als aktiver Radsportler nahm er an Europa- und Weltmeisterschaften teil.

Dr. Lucio Carlucci

Betreibt in Seengen bei Lenzburg (Schweiz) auf rund 2’000 Quadratmetern das MEDITOPCENTER mit Angeboten für Physiotherapie, Gesundheits- und Fitnesstraining. Seit Mai 2018 setzen Dr. Carlucci und sein Team das Rücken-Therapie-Center by Dr. WOLFF zu Gunsten ihrer Patienten ein.