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Neuromarketing Analyse der Zielgruppe und Positionierung des Fitnesscenters mittels «Limbic Map»

Kennen Sie die Bedürfnisse und Motive Ihrer Kunden, sodass Sie Ihr Angebot darauf abstimmen und Ihre Kunden emotional gezielt darauf ansprechen können? Wie gelingt es Ihnen die Kaufentscheidungen Ihrer Kunden zu Ihren Gunsten zu beeinflussen?

Die Erkenntnisse des Neuromarketing haben bei der Positionierung eines Unternehmens eine besondere Bedeutung. Dabei geht es jedoch nicht um die üblichen Techniken des Marketings. Im Neuromarketing werden positive Emotionen genutzt, die mit dem Angebot und der Dienstleistung verknüpft werden. Auch Fitnessmarketing beruht auf der emotionalen Verbindung zur Zielgruppe, sodass Neuromarketing die Position im lokalen Markt eines Fitnessclubs stärken kann.

Neuromarketing als Schnittstelle verschiedener Wissenschaften
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schreier und Held, 2012a, S. 4

Aus Unternehmenssicht wird ein geldwerter Mehrwert beim Kunden durch Neuromarketing erzeugt, wenn durch das Verstehen der Funktion des menschlichen Gehirns, potenzielle Kunden identifiziert und erreicht werden. Die Erkenntnisse über den Zustand des Kunden bilden seine Bedürfnisse ab und sie zeigen, in welchem Grad die Bedürfnisse bereits erfüllt wurden. Laut Zitat des deutschen Psychologen Benny Briesenmeister wird die Wertschöpfung durch das Neuromarketing dann erfüllt, wenn Folgendes zusammenkommt: «Ein Kunde der dazu neigt ein bestimmtes Bedürfnis zu haben, das Marketing, das dieses Bedürfnis anspricht, verstärkt, vielleicht sogar weckt und das Produkt, das es befriedigt.» Das Neuromarketing wird als Schnittstelle zwischen den Kognitionswissenschaften den Neurowissenschaften und der Ökonomie gesehen. Dabei bilden das Marketing und die Marktforschung eine Unterkategorie zwischen Ökonomie und Neurowissenschaften.

Das Motiv- und Emotionssystem der Menschen

Die Hirnforschung gewinnt immer mehr Erkenntnisse darüber, wie das menschliche Gehirn funktioniert. Mit den Erkenntnissen der Neurowissenschaften sind viele Sichtweisen, wie die des rational handelnden homo oeconomicus, widerlegt worden. Im Gegensatz zu dem Modell des rational handelnden Menschen unterscheidet die aktuelle Forschung zwischen Handlungen, die von dem expliziten und impliziten System gesteuert werden. Die Autoren Schreier und Held haben dafür den Begriff Pilot und Autopilot geprägt. Der Pilot steht für das reflektierte Verhalten und die Verarbeitung von Fakten, das bewusste Denken und die Vernunft. Die bewusste Kommunikation erfolgt meistens über die Sprache, die daher auch für den Piloten steht. Der Autopilot hingegen zeichnet sich durch spontanes Verhalten aus.

Die Forschung zeigt, dass sehr viele Verhaltensweisen der Kunden vom sogenannten Autopiloten bestimmt werden. Das Gehirn nutzt daher den Piloten, wenn es um komplizierte Prozesse geht, bei denen Informationen reflektiert werden müssen, eine Analyse durchgeführt oder etwas berechnet werden muss. Die Verarbeitungsprozesse im Piloten sind reflektiert, da sie auf bewussten Emotionen beruhen. Dadurch können sie zum einen kontrolliert werden und zum anderen kann auf Veränderungen leichter reagiert werden. Die unbewussten Prozesse nimmt der Pilot dagegen nicht wahr. Die Abläufe, die zur Entscheidung führen sind unbewusst, da jedoch das Pilot-System des Kunden eine Begründung benötigt, wird eine logische und nachvollziehbare Erklärung erfunden. Kaufentscheidungen werden somit ausgelöst, weil ein möglicher Kunde unbewusst ein Defizit wahrnimmt, dass er/sie vermeiden will und so die Entscheidung trifft, ein Produkt oder eine Dienstleistung zu kaufen.

Eine andere Form der Bedürfnisbefriedigung wird durch die momentane Verfassung des Kunden ausgelöst und durch den Konsum bestimmter Produkte oder Dienstleistungen manifestiert. Diese gleichen dann ein kurzfristiges Defizit bei den Motiven des Kunden aus. Am Beispiel eines Fitnessclubs stehen sicherlich Kunden, die eine Mitgliedschaft lösen, um nach den Weihnachtsfeiertagen Gewicht abzutrainieren. Sie wollen daher ein kurzfristiges Ungleichgewicht ausgleichen. Ein Mitglied, das auf einen gut definierten Körper Wert legt und die Mitgliedschaft in einem Fitnessclub als Statement über sich selbst versteht, wird durch die Mitgliedschaft langfristig seine emotionalen Sollwerte stabil halten.

Neben den Grundbedürfnissen beeinflussen also die Emotionen und unbewusste Motive die Handlungen eines Menschen am stärksten. Häusel hat die sogenannte «Limbic Map» entwickelt, um die Emotionen und Motive des Menschen darauf zu identifizieren. Das System baut auf dem «Züricher Modell der sozialen Motivation» von Bischof auf und arbeitet mit den drei Grundmotiven Sicherheit, Erregung und Autonomie. Häusel bezeichnet die Kombination aus Emotions- und Motivsystem im Gehirn des Kunden als Stimulanz-, Dominanz- und Balance-System. Mit diesem System ist es möglich, Positionierungen zu erarbeiten, Angebote zu optimieren und Zielgruppen zu segmentieren und direkt anzusprechen.

Die folgende Abbildung zeigt dieses System:

Motiv- und Emotionssystem «Limbic Map» Quelle: Häusel, 2012, S. 80

Die ersten Lebensjahre entscheiden über die Grundmotive des Menschen. Im weiteren Verlauf des Lebens werden durch Erfahrungen die Stärke der Motive und die Ausprägung der Motive beeinflusst. Hinter dem Begriff Balance steht das Motiv der Sicherheit. Menschen, bei denen dieses Grundmotiv vorrangig ist, streben nach Vertrautheit, Anschluss und Geborgenheit. Weitere Aspekte sind zum Beispiel Fürsorge und Familie. Menschen mit dem Motiv Erregung bzw. Stimulanz streben nach neuem, Abwechslung und Veränderung. Sie haben einen hohen Spieltrieb und suchen die Herausforderung. Das Grundmotiv der Autonomie ist mit Dominanz gleichzusetzen. Die Menschen mit dieser Anlage streben nach Macht, Geltung und Leistung. Sie weisen einen hohen Selbstwert auf, was sich auch darin zeigt, dass sie gerne die Führung übernehmen.

Die Motive steuern also das Verhalten, wobei die Emotionen meist der Auslöser für die Motive sind. Die Motive sind in allen Menschen mit unterschiedlicher Ausprägung vorhanden. Neben den Motiven, die markant für die Persönlichkeit sind, gibt es auch noch situationsabhängige Motive und Befindlichkeiten. Beides muss im Marketing beachtet werden. Die Dienstleistung eines Fitnessclubs hat einerseits die Funktion die langfristigen Motive zu bedienen und zum anderen das Gleichgewicht wieder herzustellen wenn die Motive des Kunden nicht mehr im Einklang sind. Die folgende Abbildung zeigt die Einordnung der verschiedenen Angebote eines Fitnessclubs in der Limbic Map.

Einordnung der Angebote des Fitness-Studios in der Limbic Map. Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Häusel,
2012, S. 80

Die Abbildung zeigt, dass durch die Leistungen unterschiedliche Motive und Emotionen im limbischen System angesprochen werden. Der Bereich Fitness wird dem Motiv Dominanz zugeordnet. Der Kunde möchte Autonomie und richtet sein Trainingsprogramm auf Leistung und Kontrolle der Leistungen aus. Das Dominanz-System dient bei Männern zum Beispiel dazu, durch Kraft und Potenz mögliche Konkurrenten zu verdrängen. Gutes Aussehen und ein definierter Körper erhöhen die Attraktivität bei Frauen. Die Männer werden so auch als erfolgreicher wahrgenommen. Fitness wird daher mit Stärke, Überlegenheit und Kraft gleichgesetzt. Fitnesscenter symbolisieren den Kampf gegen die Widrigkeiten des Lebens und fallen daher in das gleiche Motiv-und Emotionssystem. Dagegen ist das Motiv der Gesundheit im Bereich zwischen Balance und Dominanz angeordnet, da hier Sorgen und Ängste als Motiv assoziiert werden können. Zugleich wird aber auch durch Wirksamkeit und Effizienz ein gutes Ergebnis für die Gesundheit erzielt.

Bestimmung von Zielgruppe und Angebot

Bei der Bestimmung von Zielgruppen steht das Balance-System für risikoscheue Personen. Die Produkte müssen Sicherheit suggerieren, d. h. zum Beispiel vor Krankheiten schützen. Risikoscheue Kunden mögen Produkte mit Tradition und Ratgeber, sowie Garantien, Versicherungen und das Qualitätsversprechen. Das System zeigt zudem die Werte, die diesen Personen zugeordnet werden können. Werte, so die Sozialpsychologie, sind Standards an denen eigenes oder fremdes Verhalten gemessen wird. Dem Balance-System werden Werte, wie Sicherheit, Freundschaft, Familie, Gesundheit, Geborgenheit und Treue zugeordnet.

Ein weiterer Schritt ist es, die neuro-biologischen Eigenschaften von Menschen mit deren Konsumverhalten, Einstellungen und Präferenzen zu verknüpfen, um diese in die Strategie für Marketingaktivitäten einzuplanen. Dazu entwickelte Häusel die sieben sogenannte Limbic Types, welche die Kundensegmente bilden:

  • Harmonisierer: Hohe Sozial- und Familienorientierung; geringere Aufstiegs- und Statusorientierung
  • Geniesser: Offenheit für neues, Freude am sinnlichen Genuss
  • Hedonisten: Aktive Suche nach neuem, hoher Individualismus, hohe Spontanität
  • Abenteurer: Hohe Risikobereitschaft, geringe Impulskontrolle
  • Performer: Hohe Leistungsorientierung, Ehrgeiz, hohe Statusorientierung
  • Disziplinierte: Hohes Pflichtbewusstsein, geringe Konsumlust
  • Tr a d i t i o n a l i s t e n: G e r i n g e Zukunftsorientierung, Wunsch nach Ordnung und Sicherheit

Die folgende Abbildung zeigt die Einordnung der Typen in der Limbic Map:

Limbic-Types. Quelle: Häusel, 2012, S. 87

Anhand dieser Typen kann die Anwendung von Produkten und Dienstleistungen hergeleitet werden und das Potenzial identifiziert werden. Dabei ist der Ausgangspunkt die spezielle Fragestellung, wie zum Beispiel die Frage nach einer geeigneten Nischenstrategie für ein Fitnesscenter im Premiumsegment oder ein Center in einem Geschäftsviertel mit einer hohen Dichte an berufstätigen Leuten. Kunden die eine starke Ausprägung im Balance-System haben, sind für Naturheilkunde, gesundheitsorientierte Aktivitäten und präventive Massnahmen empfänglich, da diese Angebote auch das Bedürfnis nach Geborgenheit, Heimat und Tradition befriedigen.

Zudem nimmt im Alter die Konzentration von Cortisol zu. Cortisol ist ein Stresshormon, das bewirkt, dass ältere Menschen mehr Sicherheit suchen. Damit bekommt das Balance-System mit Interessensbereichen wie Gesundheit und Prävention im Alter mehr Relevanz. Häusel hat festgestellt, dass der Wert «Genuss» im Alter zunimmt. In Kombination mit der Präferenz «Sicherheit» im Balance-System sind daher Wellness-Produkte und hochwertige Lebensmittel im Alter zwischen 50 und 60 Jahren sehr gefragt.

Fazit

Die Anwendung des Neuromarketings hat sich in den letzten Jahren als sehr hilfreich gezeigt. Insbesondere für die Analyse des Kaufverhaltens bei Kunden sowie für die Neuorientierung oder Positionierung eines Unternehmens. Empirische Studien haben gezeigt, dass die Limbic-Types auch sehr gut geeignet sind, um das Produktinteresse zu ermitteln. Wer interessiert sich zum Beispiel für Gruppenaktivitäten versus Personaltraining oder individuelles Gerätetraining. Auch können mit diesem Modell die Qualitätserwartungen bestehender Kunden oder einer angestrebten Zielgruppe besser ermittelt und erfüllt werden.

Das lässt sich auf die Kommunikation mit Kunden übertragen. So kann der Betreiber eines Fitnessclubs sein Angebot auf folgende Weise präsentieren:

Dem Performer: «Unsere Kraftgeräte sind nach den neuesten Erkenntnissen der Biomechanik entwickelt, um sportliche Höchstleistungen zu erzielen. Bei absolut natürlichem Bewegungsablauf ist ein maximaler Muskelaufbau möglich. Mittels unserer Fitness-App lassen sich Trainingsleistungen dokumentieren und den Fortschritt überwachen.»

Dem Harmonisierer: «Kraft- und Ausdauertraining stärken das Herz-Kreislaufsystem, fördern die Beweglichkeit und stärken Muskeln und Gelenke. Regelmässiges Training ist in jedem Alter wichtig, egal ob mit 14 oder 80 Jahren kann man stets dazu beitragen, bis ins hohe Alter fit und beweglich zu bleiben. Durch fachkompetente Betreuung in angenehmer Atmosphäre werden Sie und Ihre Familie sich bei uns wohl, gesund und gut aufgehoben fühlen.»

Letztendlich soll an dieser Stelle gesagt sein, dass in jedem Fitnessclub sowie in jedem anderen Dienstleistungsbetrieb stets das Personal im Mittelpunkt steht. Weder eine innovative Marketingstrategie noch Kenntnisse des Managements über Neurowissenschaften sind zielführend, wenn die notwendigen personellen Ressourcen die Aktivitäten nicht unterstützen. Nur zufriedene Mitarbeitende, welche sich mit der Zielgruppe, dem Angebot und der Kommunikationspolitik identifizieren, werden langfristig den Erfolg des Unternehmens mitbestimmen. Durch Aus- und Weiterbildung können loyale Mitarbeitende entwickelt werden, was nachweislich auch die Mitarbeiterzufriedenheit steigert.

Literaturliste:

  • Briesenmeister, B. (2016). Die Neuro-Perspektive: Neurowissenschaftliche Antworten auf die wichtigsten Marketingfragen, Freiburg: Haufe-Lexware.
  • Häusel, H.G. (2014). Think Limbic: Die Macht des Unbewussten nutzen für Management und Verkauf, 5.Auflage, Freiburg: Haufe-Lexware.
  • Kenning, P. (2014). Consumer Neuroscience: Ein transdisziplinäres Lehrbuch. Kohlhammer Verlag.
  • Nufer, Gerd & Wallmeier Miriam (2010). Neuromarketing, Reutlingen: Reutlinger Diskussionsbeiträge zu Marketing & Management
  • Reichenauer, J. (2015). Neuromarketing im Sport: Markenidentität-Markenpositionierung-Markenimage. Diplomica Verlag.
  • Scheier, C., & Held, D. (2012b). Die Neuro-Logik erfolgreicher Markenkommunikation, in: Häusel, H.-G. (Vgl. Ed.). Neuromarketing Erkenntnisse der Hirnforschung für Markenführung, Werbung und Verkauf (2nd ed.). Freiburg: Haufe-Lexware. Scheier, C., & Held, D. (2012a). Wie Werbung wirkt: Erkenntnisse aus dem Neuromarketing, 2. Auflage. Freiburg: Haufe

Marcel Scheucher

B. A. Betriebswirtschaftslehre, MBA General Management & Service Excellence, ist Dozent an der Swiss Prävensana Akademie. Mit über 15 Jahren Erfahrung als Unternehmer in der Fitnessbranche, kennt er die Herausforderungen auf Führungsebene sowie die Erwartungen an das Management und dem Personal hinsichtlich Kundengewinnung und Kundenbetreuung.

www.swisspraevensana.ch