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Online- vs. Studio-­Trainer

42 Milliarden Euro: Das ist der derzeitige Marktwert der Firma Peloton. In 10 Jahren hat damit eine Einzelfirma eine höhere Markt-Bewertung erzielt als alle Fitnessclubs weltweit. Die Wirtschaft spricht von einem disruptiven Geschäftsmodell. Dabei handelt es sich laut Wikipedia um «Innovationen, die die Erfolgsserie einer bereits bestehenden Technologie oder Dienstleistung – (zum Beispiel die Erfolgsserie der Fitnessclubs) – teilweise ersetzen oder vollständig vom Markt verdrängen.» Die neuen Märkte entstehen «für die etablierten Anbieter unerwartet und sind zuerst, besonders aufgrund ihres zunächst kleinen Volumens oder Kundensegmentes (z. B. Kettler-Räder), uninteressant. Sie können jedoch im Zeitverlauf ein starkes Wachstum aufweisen und vorhandene Märkte bzw. Dienstleistungen teilweise oder auch komplett verdrängen.»

Disruptive Geschäftsmodelle sind vergleichbar mit einem Distanzschuss: Die Kugel trifft, bevor man den Knall hört. Ich wünsche mir, dass die Studio-Trainer diesen Warnschuss hören. Denn Peloton ist kein Hype. Peloton wird nicht plötzlich wieder verschwinden. Peloton gibt den Studios und ihren Studio-Trainern lediglich einen Vorgeschmack auf die Fitnessszenerie der Zukunft. Wie diese Zukunft aussehen wird, zeigt ein Peloton-Test-Bericht von Frank Feil.

Frank Feil ist Autor von «t3n digital pioneers». Er hat «sechs Monate lang, in 350 Workouts und mit jeder Menge Motivation» Peloton getestet. Seine Sicht als User kann für die Studio-Trainer erhellend sein. Denn nur, wenn die Trainer wissen, wie Menschen ticken, die sich für das Home-Training begeistern, erkennen sie auch, warum sie selbst ihre innere Einstellung zu ihrer Trainertätigkeit überdenken sollten. Wie also tickt ein typischer Peloton-Nutzer, und weshalb zieht er das Training zuhause dem Fitnessclub vor?

Frank Feil bezeichnet sich selbst als einen unsportlichen Menschen, der körperliche Fitness aber durchaus für erstrebenswert hält. Es fehlt ihm lediglich an der notwendigen Motivation. An Studios hat er einiges «durchprobiert». Die einen fand er von der Atmosphäre nicht einladend, in den anderen ging es wohl mehr darum, «ein Schwätzchen zu halten.» «Und dann war da noch der Personal Trainer», aber für den fehlte ihm die Zeit. Zuhause dagegen fehlte ihm die Motivation. Irgendwann gelangte er jedoch zu der Einsicht, er müsse «endlich mehr Sport machen.»

Offensichtlich gibt es für Frank Feil viele Möglichkeiten, etwas für Gesundheit und Fitness zu tun. Deswegen «kam er auf Peloton.» Er schaute sich «das Konzept von Peloton» an und war «relativ schnell überzeugt.» Die Kosten, 2‘230 Euro für das Bike plus 39 Euro im Monat, stellten für ihn zwar eine gewisse Hürde dar, schreibt er in seinem Bericht, doch dann sei Corona gekommen und der Beitrag sei schliesslich für die ganze Familie. Bei Lieferung wurde ihm sogar der Sattel eingestellt. Einfach nur einloggen, und schon ging es los. Er schwärmt davon, dass Peloton dem Apple-Prinzip folgt: «Die User-Experience ist so einfach und komfortabel wie möglich gehalten. Hardware und Software sind optimal aufeinander abgestimmt.» Und da der Autor bisher noch keine Erfahrung mit Indoor-Cycling hatte, startete er mit «Beginner-Rides». Erst nachdem er ein wenig «Gefühl für das Training auf dem Bike» bekommen hatte, stürzte er sich in «deutlich anstrengendere Fitness-Rides». Besonders klasse findet Frank Feil das «Live- und On-Demand-Kurssystem». «Die Trainerinnen und Trainer begleiten die Nutzerinnen und Nutzer Tag für Tag mit immer neuen Work-outs – und sorgen so dafür, dass man Fortschritte macht.» Für Frank ist das ein «riesiger Unterschied zu den vielen Home-Fitness-Apps.» «Bei Peloton macht man – wenn man das nicht will – kein Workout doppelt. Das garantiert Abwechslung und Motivation.»

Die Zahl der deutschen Trainerinnen und Trainer sei inzwischen auf vier angewachsen, schwärmt er, sodass es nahezu täglich deutschsprachige Kurse gebe – neben den unzähligen Angeboten in englischer Sprache. Er hält diese Vielfalt auch für wichtig, «da jeder Trainer einen anderen Stil hat. Egal, ob man es lieber aufgedrehter, etwas zurückhaltender oder fordernder möchte – hier ist für jeden der richtige Trainingspartner dabei.» Durch monatliche Challenges und das Leaderboard können die Nutzer sich nicht nur mit anderen, sondern auch immer wieder mit sich selbst messen. So werden Fortschritte sichtbar, schreibt Frank Feil, und man wird motiviert, am Ball zu bleiben und immer mal wieder über sich hinauszuwachsen.» Und deswegen ist Frank Feil der Ansicht:

«Peloton kann das Fitnessstudio ersetzen.»

Peloton stellt aber nicht nur das Equipment der Fitnessstudios infrage. Peloton ist in gleicher Weise eine Herausforderung für die Studio-Trainer. Denn laut Frank Feil decken offensichtlich vier «Peloton-Spinning Instructoren» den gesamten deutschsprachigen Markt ab. Egal, wie viele Menschen zuhause vor ihren Bildschirmen auf ihrem Peloton-Rad hocken: Vier Trainer reichen aus! Und zwar mit dem Potential für unbegrenztes Wachstum. Denn diese vier Trainer reichen auch noch aus, selbst wenn jeder Haushalt ein Bike im Wohnzimmer stehen hat. Was heisst das für die Studio-Trainer? Werden bald Tausende von ihnen auf der Strasse stehen?

Auch mit 60 Jahren schafft es Andreas Bredenkamp noch, sich vom Kopfstand in den Handstand zu drücken.

Welchen Eindruck gewinnt man als Studio-Trainer, wenn man Frank Feils Test-Bericht liest? Wurde er bestochen, um Peloton so werbewirksam in Szene zu setzen? Oder klingt da jemand wirklich schwer begeistert? Und: Ist das eher die Meinung eines Einzelnen oder könnte das für sehr viele Menschen die Zukunft sein? Die Zahlen sprechen jedenfalls für sich: Immerhin hat dieses Unternehmen in nur 10 Jahren alle Fitnessclubs weltweit in die Tasche gesteckt. Aber es kommt noch besser: Denn der Autor ist der Ansicht, Peloton werde «zu Unrecht noch zu sehr als Indoor-Cycling-Anbieter wahrgenommen.» Dabei habe er selbst von 350 nur 170 Cycling-Einheiten durchgeführt. «Die anderen waren Kraft-Workouts, Stretching oder Yoga.» Die Kurse seien so konzipiert, «dass man neben einer Trainingsmatte nur drei Paar Kurzhanteln braucht und so ein vollwertiges Workout im Fitnessstudio ersetzen kann. Die Bewegungsabläufe werden im Detail erklärt und auch während des Trainings erhält man immer wieder Hinweise zur richtigen Ausführung der jeweiligen Übung.» An einer Stelle jedoch macht der Peloton-Tester dann doch eine Einschränkung. Er schreibt:

«Natürlich sprechen wir hier von funktionalem Krafttraining. Wer Kniebeugen oder Bankdrücken mit 100 Kilo Gewicht machen will, ist fehl am Platz. Aber machen wir uns nichts vor: 90 Prozent der Menschen, die Verträge in Fitnessstudios haben, würden in einem Strength-Workout bei Peloton schon mehr machen als im Gym.»

Es ist unschwer herauszuhören, dass Frank Feil Peloton-Fan ist. Aber er lobt in seinem Bericht nicht nur Peloton in den höchsten Tönen, sondern er hält damit indirekt auch den Studio-Trainern immer wieder den Spiegel vor. Zum Beispiel schränkt er bereitwillig ein, die Fitnessclubs hätten für das Muskeltraining das bessere Equipment, aber die Mitglieder nutzten es so schlecht, dass «90 Prozent der Menschen, die Verträge in Fitnessclubs haben, […] in einem Strength-Workout bei Peloton schon mehr machen [würden] als im Gym». Folgerichtig reichen für ihn vier virtuelle Peloton-Instructoren deutschlandweit aus. Bei Lieferung wird der Sattel eingestellt, das Gerät orientiert sich an Apple, ist also selbsterklärend, die Kurse gibt es live und on demand und man wird motiviert, indem man sich mit anderen misst oder mit sich selbst. Damit kommt Frank Feil zu dem Schluss: Peloton kann nicht nur das Fitnessstudio ersetzen, auch Studio-Trainer werden nicht mehr notwendig sein.

Die Amerikaner sagen, Menschen lies-sen sich lieber durch Lob ruinieren, als durch Kritik helfen. Besser, wir stellen uns der Kritik. Blicken wir auf das, was wir bisher getan haben, und fragen wir uns, ob wir es besser machen können.

Wohlgemerkt: Ich glaube nicht, dass Studio-Trainer überflüssig werden. Ich glaube aber sehr wohl, dass sie bereit sein müssen für Veränderung. Einfach so weitermachen, wird ins Auge gehen. Das sollte spätestens mit Peloton deutlich geworden sein.

Nach meiner Überzeugung wird der Studio-Trainer der Zukunft nicht mehr Geräte einstellen, Übungen korrigieren und Trainingpläne schreiben, und schon gar nicht wird er «Trainingsaufsicht» sein. Nein, der Studio-Trainer der Zukunft wird im wahrsten Sinne des Wortes «Wissenschaftler» sein. Ein Trainer also, der «Wissen schafft». Zur Wissenschaft gehört Diagnostik, Forschung und Lehre. Und diese neuen Aufgabenbereiche erfordern eine völlig neue Herangehensweise, basierend auf einer neuen Strategie, die ich in meinem Buch «Erfolgreich Trainieren – Dein Drehbuch für mehr Trainingserfolg» bezeichne als die «engpasskonzentrierte Trainingsstrategie»:

«[…] Die engpasskonzentrierte Strategie – kurz: EKS – entwickelte Professor Wolfgang Mewes im Jahre 1970 für die Wirtschaft. Unternehmen wie Würth und Kärcher verhalf er damit zu grossem Erfolg. Seine Strategie basiert auf dem «Minimumgesetz». Das Minimumgesetz besagt, dass Wachstum begrenzt wird durch seine knappste Ressource. Wollen Sie zum Beispiel ein Haus bauen, ist dort Schluss, wo Ihnen eine der Ressourcen ausgeht. Egal, ob es die Steine sind, der Sand oder Zement. Ist eine der Ressourcen erschöpft, helfen Ihnen auch alle anderen nichts mehr.

Das Minimumgesetz gilt insbesondere für das Wachstum von Menschen, Tieren und Pflanzen. Professor Justus Liebig wandte es an, als er den Dünger erfand. Mit seinem Dünger löste er durch Hinzugabe der knappsten Ressource den Engpass im Boden. Damit wuchs auch das Getreide. Nicht anders verhält es sich mit dem Wachstum unserer Muskeln. Auch hier reicht ein Engpass in nur einer einzigen Ressource, und mit dem Muskelwachstum ist es vorbei. Lösen Sie also den Engpass, und Ihre Muskeln werden wachsen. Das ist die Idee hinter der engpasskonzentrierten Trainingsstrategie. (Ende Buchauszug).»

«Löse den Engpass deiner Kunden besser als jeder andere und deine Kunden bauen eine Brücke zu dir.» Diesen Satz kennt jeder, der schon Vorträge von Mario Görlach gehört hat. In Zukunft wird es also die Aufgabe der Trainer sein, in der Leistungsentwicklung ihrer Mitglieder die Engpässe zu finden. Dafür ist es allerdings Voraussetzung, dass die Mitglieder einen Engpass verspüren. Und den werden sie nur verspüren, wenn sie sich im Fitnessclub nicht nur Bewegung verschaffen, sondern wirklich Ziele verfolgen. Und diese Ziele dürfen mit einer Diät genauso wenig zu erreichen sein wie durch Bewegung, denn der Fitness-club hat sein Geld in Equipment für den Muskelaufbau investiert. Deshalb kann das Ziel der Mitglieder nur der Muskelaufbau sein. Und im Augenblick erscheint der Aufbau von Muskel-mas-se den meisten Mitgliedern noch gar nicht erstrebenswert. Die Arbeit der Studio-Trainer muss also damit beginnen, dass sie Vorträge halten, in denen sie ihre Mitglieder davon begeistern, Muskeln aufzubauen. Auch darin werde ich sie mit meinem neuen Buch unterstützen. Dort schreibe ich:

«[…] Muskelwachstum ist für viele Menschen immer noch nicht erstrebenswert. Sie glauben, starke Muskeln seien für Sportler, für Gesundheit reiche Bewegung aus. Aber das ist ein Irrtum. Für die meisten Menschen ist der Mangel an Kraft inzwischen ihr grösstes Problem. Deswegen gab Professor Dr. med. Elke Zimmermann klare Richtlinien heraus, wie stark die Menschen sein müssten, wenn wir verhindern wollten, dass mehr als die Hälfte von ihnen pflegebedürftig wird. Konkret: Wie viele Kniebeugen, wie viele Klimmzüge, wie viele Liegestütze sollten sie selbst mit 80 Jahren noch schaffen, damit ihr Leben bis ins hohe Alter lebenswert bleibt. Ihre Forderung lautete, gleichwohl für Männer als auch Frauen: Mindestens drei bis fünf Klimmzüge. Und die schaffen heute selbst junge Erwachsene auf dem Höhepunkt ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit oft nicht mehr. Geschweige im Alter von 80 Jahren. Fazit: Der normale, untrainierte Mensch von heute ist gemessen an seiner Lebenserwartung nicht nur im Alter, sondern in jedem einzelnen Abschnitt seines Lebens viel zu schwach. Diese Kraft wiederherzustellen, das sei die vorrangige Aufgabe der Fitnessclubs. Das erklärte Professor Zimmermann bereits vor über 10 Jahren auf einem Kongress der Branche. Aber selbst dort erntete sie ungläubiges Staunen. Tenor war, das sei in der Praxis so nicht umsetzbar.

Heute, 10 Jahre später jedoch, wird Professor Zimmermanns damalige These durch immer neue Studien unterstützt. Im Universitätskrankenhaus im spanischen Coruna beispielsweise überprüfte der Kardiologe Dr. Jesus Peteiro die Herzgesundheit seiner Patienten mit Hilfe eines Treppenlauf-Tests. Dabei zeigte sich, dass die Sterblichkeit der Menschen, die für 60 Treppenstufen – also 4 Stockwerke – mindestens 1½ Minuten brauchten, stark erhöht war. Bei Menschen, die die 4 Stockwerke in weniger als 40 Sekunden schafften, war sie deutlich reduziert.

Dieses Ergebnis passt zu einer Studie von Professor Zimmermann an 4‘500 Menschen. Darin wies sie nach, dass heute bereits jeder Sechste über so wenig Kraft verfügt, dass er schon bei einfachsten Alltagsbelastungen wie Treppensteigen sein Herz-Kreislaufsystem überlastet.

Um sich vorzustellen, dass selbst Treppenlaufen für viele Menschen schon ausreicht, um ihr Herz-Kreislaufsystem zu überfordern, legen Sie sich gedanklich einen Sack Zement auf die Schultern und gehen Sie damit die Treppe hinauf. Oben angekommen hören Sie an Ihrem eigenen Schnaufen, was Menschen tagtäglich erleben, nur weil ihnen im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht die Kraft in ihren Muskeln fehlt.

Auch eine Studie an der Harvard School of Public Health in Boston, die über 10 Jahre hinweg an Feuerwehrleuten durchgeführt wurde, zeigt die Abhängigkeit der Herz-Kreislaufgesundheit von der Muskelkraft. So korrelierte das Risiko, einen Herzinfarkt oder eine andere Erkrankung des Herz-Kreislaufsystems zu erleiden, weniger mit der maximalen Belastbarkeit auf dem Laufband als mit der Anzahl an Liegestütze. Bei allen Feuerwehrleuten, die weniger als 10 Liegestütze schafften, war das Risiko eines Herzinfarktes erhöht, bei allen, die 40 Liegestütze schafften, war es deutlich vermindert.

Mindestens 40 Liegestütze also, mehr als 3 bis 5 Klimmzüge und 4 Stockwerke in maximal 40 Sekunden, das sind die Mindestanforderungen, die wir an unsere Muskeln stellen sollten. Aber Achtung: Nicht Dr. Peteiros Treppentest machen, dabei die 60 Treppenstufen in 28 Sekunden laufen und sich wieder entspannt in den Sessel zurückfallen lassen. Das kann bestenfalls der Startschuss sein, um die Liegestütz und die Klimmzüge in Angriff zu nehmen. Sie sollten immer in der Lage sein, sich mit dem Gewicht auf den Schultern, das ihrem Körpergewicht entspricht – zum Beispiel, indem Sie eine gleichschwere Person Huckepack nehmen – mindestens drei- bis fünfmal auf einen Stuhl zu setzen und wieder aufzustehen. Dann haben Sie so viel Kraft in den Beinen, dass Sie sich beim Treppenlaufen um Ihr Herz-Kreislaufsystem keine Sorgen machen müssen. Schaffen Sie das nicht, sind Sie entweder für Ihre Muskelkraft zu schwer oder für Ihr Körpergewicht zu schwach. Dann sollten Sie es als Ihr Ziel sehen, für eine gesunde Körpergewicht-/Körperkraft-Relation die fehlende Kraft wieder aufzubauen. Verschwenden Sie deshalb keine kostbare Trainingszeit auf mehr Bewegung, sondern schenken Sie all Ihre Aufmerksamkeit dem Aufbau Ihrer Muskulatur. Denn wenn Sie durch gezieltes Training Ihre Muskelmasse aufbauen und bis ins hohe Alter auf hohem Niveau erhalten, dann bleibt Ihnen in Ihrem Leben auch noch viel Zeit für Bewegung, und zwar dort, wo Sie Ihnen Spass macht. (Ende Buchauszug)».

Und wenn Peloton den Menschen Spass macht, dürfen sie sich auch gern auf ihrem Peloton verausgaben. Für einen fähigen Studio-Trainer ist Peloton also kein Wettbewerb, sondern nur ein weiteres Tool, das er in seine engpasskonzentrierte Trainingsstrategie sinnvoll einfliessen lassen kann. In Zukunft wird der Fitnessclub seine Mitglieder also nicht mehr nur durch sein Equipment binden, sondern viel mehr noch durch die Fähigkeiten seiner Trainer, die für ihre Kunden sicherstellen, dass die Mühe, die sich alle machen, auch einen messbaren, sichtbaren und spürbaren Nutzen hat.

Was es zukünftig nicht mehr geben sollte, sind Trainer, die ich in meinem Buch folgendermassen beschreibe:

«Hin und wieder sind es allerdings nicht nur die Mitglieder, die dem Muskel- und Kraftzuwachs zu wenig Aufmerksamkeit schenken. Manchmal sind es die Trainer in den Fitnessclubs selbst. Zum Beispiel die Trainerin meiner Mitarbeiterin, Birgit. Birgit ist 55 Jahre alt und hat in ihrem ganzen Leben keinen einzigen Klimmzug geschafft. Und, wie viele andere auch, war sie überzeugt, nun, mit über 50 Jahren, müsse sie damit auch nicht mehr anfangen. Ich wusste: Überzeuge ich Birgit von Klimmzügen, überzeuge ich auch den Rest der Welt. Also unternahm ich bei einem gemeinsamen Essen meinen ersten Anlauf. Und: Hole-in-one! Birgit war sofort überzeugt. Bei Ihrem nächsten Training ging sie zu ihrer Trainerin und sagte, ihr Ziel sei es, innerhalb eines Jahres mindestens einen Klimmzug zu schaffen. Daraufhin zeigte die Trainerin ihr zwei Übungen und sagte:

«Wenn´s nicht klappen sollte, mach´ dir nichts draus: Ich schaff´ auch keinen!»

Mit Antworten wie diesen sollten Sie nicht einverstanden sein. Training ist, wenn man stärker wird. Alles andere ist «betreutes Bewegen» und dient bestenfalls der Vorbereitung auf «betreutes Wohnen». Ein eigenverantwortliches Leben im Alter erreichen Sie damit nicht. Deshalb unternahm ich bei meiner Mitarbeiterin gleich einen zweiten Versuch. Ich fragte:

«Birgit, wie alt bist du jetzt?»

«55!», antwortete sie.

«Habe ich gesagt, du sollst morgen Klimmzüge schaffen oder mit 80.»

«Mit 80.»

«Wie lange hast du also noch Zeit?»

«25 Jahre!»

«Gut. Reichen dir 25 Jahre für drei bis fünf Klimmzüge?»

«Ich denke, ja!»

«Dann fang an! Es ist ein Ziel, für das es sich lohnt.»

Und das gilt auch für Sie! Lassen Sie sich von Niemandem aufhalten oder entmutigen. Schon gar nicht von Ihren Trainern. Es ist nie zu spät. Kein Alter und keine Verschleisserscheinungen sind ein Hindernis, um mit dem Muskelaufbau zu beginnen. Und es gibt auch nur wenige Erkrankungen, die den Muskelaufbau verhindern. Selbst bei Rheuma sollten Sie trainieren. Nicht während des entzündlichen Schubes, rät Professor Zimmermann, aber ausserhalb der entzündlichen Prozesse auf jeden Fall.

Geben Sie sich also nicht mit weniger zufrieden. Wenn Sie in einem Fitnessclub trainieren, dann dürfen Sie einen messbaren, spürbaren und sichtbaren Trainingsnutzen erwarten. Denn stellen Sie sich den Nutzen vor, den Sie haben, wenn Sie mit 80 Jahren die Kraft für 40 Liegestütze und 5 Klimmzüge noch haben und 4 Stockwerke immer noch in weniger als 40 Sekunden hinauf-«fliegen»? Sind Sie dann wohl übergewichtiger oder eher schlan-ker? Und Ihre Knochen: Wären die zerbrechlicher oder stabiler? Hätten Sie in Ihren Gelenken und im Rücken grössere Schmerzen oder wären Sie vielleicht schmerzfrei? Würden Ihre Sehnen und Bänder schneller reissen oder wären sie reissfester? Lebten Sie in ständiger Sorge vor einem Herzinfarkt oder müssten Sie sich um Ihre Herz-Kreislaufgesundheit so wenig Gedanken machen wie in jungen Jahren? Wäre Ihre Immunabwehr gegen Krebserkrankungen oder Infektionen schlechter ober besser aufgestellt? Kämen Sie noch mit Mühe zum Bäcker oder führen Sie vielleicht noch selbständig in Urlaub? Wären Sie auf einen Pfleger angewiesen oder würden Sie selbst noch Ihre Kontakte pflegen? Was also spricht dagegen, sein vorrangiges Trainingsziel darin zu sehen, mit 80 Jahren mindestens 3 bis 5 Klimmzüge zu schaffen? (Ende Buchauszug).»

Wenn die Menschen verstehen, dass sich mehr zu bewegen nicht ausreichen wird, sondern dass wir alle den immer früher auftretenden Muskelverlust nicht nur aufhalten, sondern in einen Wachstumsprozess umkehren müssen, dann werden sie auch feststellen, wie oft sie dabei an Engpässe stossen. Diese Engpässe zu lösen, dafür muss der Experte der Studio-Trainer sein. Ist er das, wird er auch in Zukunft unentbehrlich sein.

Vielleicht gefällt dem ein oder anderen von euch die Perspektive. Dann besucht mich auf meiner nächsten EGYM-Masterausbildung. Dort lernt ihr, wie ihr virale Vorträge haltet, die eure Mitglieder begeistern werden. Ich habe 40 Jahre lang von meinen Vorträgen gut gelebt – und sie haben mir 40 Jahre lang Spass gemacht. In Zukunft möchte ich euch in der engpasskonzentrierten Trainingsstrategie schulen und euch für eure Vorträge immer neue Drehbücher schreiben. Denn ich bin überzeugt, dass die Zusammenarbeit mit euch auch mir in Zukunft noch viel Freude machen wird.

Andreas Bredenkamp

Jahrgang 1959

Studierte Germanistik und Sport, Autor des Buches „Erfolgreich trainieren“ und des „Fitnessführerscheins“. Experte der „Experten Allianz für Gesundheit e. V.“