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Personalmanagement der Zukunft Herausforderung Generation Z

Kai Pauling, Mir Farid Vatanparast und Sofie Pettersson

2030 droht in Deutschland ein Defizit von bis zu 170‘000 Sportakademikern und 100‘000 Fitnessfachkräften. Aufgrund der demografischen Entwicklung und des starken Wachstums des Fitnessmarktes wird die Bewerbersuche in zehn Jahren für die meisten Unternehmen nicht nur zum Kostenfaktor, sondern ebenso zur existenziellen Herausforderung werden. Konnten Arbeitgeber bisher aus der Menge der Bewerber die Rosinen herauspicken, wird unter den Kandidaten aus der Generation Z die freie Auswahl eher zur Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

Was ist Generation Z?

Mit Generation Z werden die Menschen beschrieben, die etwa zwischen 1995 und 2010 geboren sind. Geborene dieser Jahre zeichnen sich dadurch aus, dass sie unter dem Einfluss der digitalen Technik und Social Media sozialisiert wurden.

Ihnen zugeschrieben Attribute sind u. a.:

  • Generation Smartphone, deren Aufmerksamkeits-/Interessenspanne oft verkürzt ist,
  • die in ihrer Entwicklung und Meinungsbildung mehr von Influencern beeinflusst wurde als durch klassische Bildung, belletristische Literatur, wissenschaftliche Fakten oder „neutrale“ Medien,
  • die aufgrund ihrer Helikopter-Eltern und ihres, sie dauernden beschönigenden Jugend- und Schulumfeldes eher zur starken Frustration neigt, wenn sie mit Kritik oder der Realität konfrontiert wird,
  • die es gewohnt ist, dass ihr geholfen, sie nicht allein gelassen wird und beim Scheitern kaum erhebliche negative Konsequenzen zu befürchten hat,
  • die in einer Überfluss-, Wegwerf- und „Geiz-ist-geil“-Gesellschaft aufgewachsen ist, diese Entwicklung und deren negativen Folgen für die Umwelt gerne kritisiert, dabei jedoch selbst eher opportunistische Ziele verfolgt und im Vergleich zu vorherigen Generationen eher weniger darüber nachdenkt bzw. bereit ist auf gewohnten Luxus und bequemen Komfort zugunsten der Allgemeinheit oder der Umwelt zu verzichten,
  • die eher aus Realisten besteht und sich keiner gesellschaftspolitischen Illusionen hingibt und es nicht als ihren sozialpolitischen Auftrag ansieht, für eine Verbesserung auch für andere soziale Schichten Verantwortung zu übernehmen,
  • die auf sich selbst bezogen ist, eher zur Selbstverliebtheit und Selbstüberschätzung neigt und daher die Berücksichtigung ihrer Wünsche und Forderungen als Selbstverständlichkeit ansieht, ohne dafür jedoch vorher besondere Energie einsetzen zu müssen oder es sich selbst zu erarbeiten/verdienen,
  • die karriereorientiert ist und sich Stabilität und klare Strukturen wünscht, jedoch geringere Initiative oder grosses Verständnis bzw. Empathie für die Interessen ihrer Kollegen, des Unternehmens und deren Inhaber zeigt,
  • die nur wenig bereit ist, sich intensiv in einem Team bzw. einer Gruppenleistung für andere zu engagieren, es sei denn, es kann daraus ein grösserer eigener Nutzen für sie selbst gezogen werden, d. h. sie ist egoistisch besonders auf ihre eigenen Vorteile bedacht und konzentriert sich wesentlich auf die Erfüllung eigener Ziele,
  • die kaum über Leidensfähigkeit und Stressresistenz verfügt und daher weniger Loyalität gegenüber Arbeitgebern zeigt und sich bei Konflikten oder Schwierigkeiten eher zurückzieht, aufgibt, sich krankmeldet oder kündigt,
  • die häufig weniger eigenständig ist, geringere motorische, sportliche, handwerkliche Fähigkeiten besitzt,
  • der Selbstverwirklichung und eine klare Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatleben (Work-Life-Separation) besonders wichtig ist, d. h. nicht bereit ist, zugunsten der Arbeitserledigung auf Freizeit zu verzichten,
  • die international und multikulturell aufgewachsen ist, die klassische Rollenbilder ablehnt und Hierarchien kritisch hinterfragt.

Von Generation Z genutzte Elektronikgeräte (Quelle: Vatanparast & Adamaschek, 2018)

Für viele Menschen aus den früheren Generationen und nicht wenige Ökonomen wird die vorige Aufzählung sehr kritisch und als Gefahr angesehen, denn viele Aspekte sind geradezu antagonistisch zu den Mitarbeitereigenschaften, die das einstige Wirtschaftswunder und das Wachstum vieler Unternehmen erst möglich gemacht haben. Ein Mitarbeiter soll nach wirtschaftskonservativer Sichtweise ein Mehrwert als Produktionsfaktor generieren und nicht als blosser Kostenfaktor das Unternehmen belasten. Ein Unternehmen muss, wenn es sich in einem freien marktwirtschaftlichen Wirtschaftsraum befindet, für seinen eigenen Fortbestand sorgen und trägt damit Verantwortung für alle seine Share- und Stakeholder. Für kleine Einzelhandelsunternehmen gilt etwa die Faustformel, dass ein angestellter Verkäufer mindestens das Vierfache seines Lohnes zusätzlich für das Unternehmen an Umsatz generieren muss, damit er als Mitarbeiter langfristig finanzierbar ist und zum Erhalt des Unternehmens beiträgt.

Kritiker befürchten, dass durch die Generation Z Unternehmen mit existenziellen Auswirkungen zu kämpfen haben werden. Es wird geargwöhnt, dass die Produktivität der jungen Mitarbeiter durch sinkende individuelle Leistungsfähigkeit und -bereitschaft im Vergleich zu älteren Beschäftigten, sowie deren geringere Effizienz die Unternehmen weniger profitabel werden lässt, sodass dadurch nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität gefährdet wird, sondern langfristig durch Gewinnrückgang und Unternehmenskrisen der KMUs die Steuereinahmen des Staates erheblich einbrechen.

Wollen Unternehmen der Fitnessindustrie die Herausforderungen meistern und langfristig überleben, dann ist es jedoch nicht ratsam, sich ausschliesslich auf die Seite der Kritiker zu schlagen oder sich über die Attitü-den der Generation Z zu echauffieren und auf externe Hilfe oder bessere Zeiten zu hoffen. Letztendlich wird es keine Alternative geben, als sich den neuen Herausforderungen zu stellen und sowohl das eigene Denken, Handeln und womöglich die gesamte Unternehmensstruktur anzupassen. Und auch wenn es unternehmerisch höchst schmerzhaft ist, wird es nicht selten auf einen Kompromiss zwischen dem Überleben mit weniger Rentabilität oder Unternehmenskrise aufgrund akutem Fachkräftemangel hinauslaufen.

Werbemassnahmen, die die Generation X ansprechen (Quelle: Vatanparast & Adamaschek, 2018)

Bewerbersuche im Generationenwechsel

Wie sich die Generation Z in ihrer Stellensuche und Auswahl unterscheidet, wird aus einer der ersten detaillierten Studien mit dem Titel „Die Generation Z im Mittelstand – Wie kleine und mittlere Unternehmen junge Mitarbeiter gewinnen können“ (2018, Vatanparast & Adamaschek) erkennbar. Dabei sind folgende Aspekte besonders interessant:

In welchen Räumen bewegen sie sich?

Ohne Smartphone geht nichts mehr. War für die Generation X noch das persönliche Treffen mit der Clique in der realen Welt unerlässlicher Bestandteil des sozialen Lebens, ist für die Generation Z deren Social-Media-Profil zur tatsächlichen Identität und die Aktivität in den Online-Netzwerken zwanghafter Charakterbestandteil geworden. Was nicht in den Social-Media-Kanälen erscheint, ist für die Generation Z kaum existent. Die Generation Z verbringt den Grossteil ihrer Zeit im Internet und richtet nahezu ihre gesamte Aufmerksamkeit auf die sozialen Medien.

Wie möchte Generation Z angesprochen werden?

Auch wenn sich die Generation Z nahezu ausschliesslich online bewegt, kann eine direkte Kontaktaufnahme von Unternehmen über Social Media mit der Generation Z gefährlich sein. Laut Studie lehnt ein Grossteil der Befragten eine direkte Kommunikation über Social Media, z. B. Instant Messaging, strikt ab. Dennoch ist es für sie wichtig, dass sich ihre potenziellen Arbeitgeber in sozialen Netzwerken, wie YouTube, Facebook oder Instagram präsentieren.

Wo und wie können Arbeitgeber die Bewerber finden und ansprechen?

Es wird künftig unerlässlich, dass Unternehmen eine Gesamtstrategie dazu entwickeln, wie sie junge Talente ansprechen wollen. Das Prägen einer eigenen Arbeitgebermarke mit einer starken Medienpräsenz wird eine zentrale Rolle spielen müssen. Das Hauptaugenmerk sollte dabei vor allem auf einer authentischen Online-Präsenz liegen, da ein ehrlicher Aussenauftritt von der Generation Z besonderes unter die Lupe genommen wird. Daher ist es zu empfehlen, junge Menschen aus dem eigenen Unternehmen in den Rekrutierungsprozess mit einzubinden. Ideal erscheint dabei der Aufbau eines eigenen „Corporate Influencers“, der das Unternehmen in den sozialen Medien mit der Generation Z vernetzt. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen klassischen Pressesprecher, der im Sinne der PR lediglich Adressaten mit Unternehmensdaten beliefern soll, sondern es geht um den Aufbau und die Pflege persönliche Interaktionen und das Erzeugen einer emotionale Bindungen im Sinne eines Social Brandings. Ziel ist es, das Unternehmen in die vernetzte Welt der Generation Z zu integrieren, damit diese es als Bestandteil ihrer multimedialen Internetwissensdatenbank akzeptiert. Eine unbedingte Voraussetzung hierfür ist es, dass Unternehmen insbesondere auf allen online Kanälen immer up to date sind. Es gibt für die Generation Z kaum etwas, dass mehr abschreckt, als hochtrabende Employer-Brading-Worthülsen und hippe Marketing-Claims auf schlecht designten und technisch veralteten Internetseiten aus einem HTML-Heimbaukasten. Ebenso sind für sie eine unpersönliche Kommunikation, d. h. automatisiert und auf Textbausteinen basierend, ein ausbleibendes oder verzögertes Feedback, langwierige Verfahrensdauern, bürokratische Prozedere und anonyme Formular-Blackboxes, d. h. keine direkten Ansprechpartner und klar erkennbaren Verantwortlichen, absolute No-Gos.

Soziale Netzwerke, in denen Arbeitgeber sichtbar sein sollten (Quelle: Vatanparast & Adamaschek, 2018)

Als besonders geeignet für das Finden und Ansprechen von Bewerbern erscheint ein Messestand auf einer lokalen Job-Messe. Hier besteht insbesondere die grosse Chance, nicht nur die Generation Z, sondern auch direkt deren „Helikopter-Eltern“ von den Möglichkeiten des Unternehmens zu beeindrucken, denn die Familie spielt für die Generation Z eine grosse Rolle bei der Berufs- und Unternehmensauswahl.

Was müssen Arbeitgeber künftig bieten bzw. machen, um Arbeitnehmer zu gewinnen bzw. zu halten?

Um die Generation Z zu gewinnen und diese zu binden, sollten die Arbeitsplätze als „Wohlfühlort“ gestaltet werden. Dies kann zum Beispiel durch tägliche Annehmlichkeiten erfolgen wie etwa eine kostenlose Versorgung mit Kaltgetränken, Snacks oder Obst.

Unternehmen müssen zudem glaubhaft vermitteln, dass sie die individuellen Belange der Generation Z ernst nehmen und versuchen deren Forderungen gerecht zu werden. Dies beginnt bei flachen Hierarchien mit ergebnisorientierten agilen Managementstrukturen mit klarer Kommunikation und direkten Arbeitsanweisungen, und reicht über flexible Arbeitsmodelle, eine zeitlich überschaubare Step-by-Step-Karriere bis zu einer klaren Regelung zu persönlichen Freiräumen.

Auch wenn die Generation Z als flatterhaft gilt, d. h., dass sie nicht an die lebenslange Bindung an eine Tätigkeit oder an ein Unternehmen glaubt, ist bei der Vertragsgestaltung die Arbeitsplatzsicherheit von grosser Bedeutung. Unternehmen die durch Zeit-/Befristungsverträgen langfristige Personalverpflichtungen vermeiden oder durch eine hohe Personalfluktuation einen Leistungswettbewerb unter den Mitarbeitern schüren wollen, werden von den Talenten der Generation Z kaum als Arbeitgeber ausgewählt werden.

Das Thema Fortbildung ist für die Generation Z ebenso ein wichtiges Entscheidungskriterium, wobei Unternehmen hier auf individuelle on demand Weiterbildungsangebote setzen sollten, da es unter der Generation Z eher ein Projektdenken gibt, d. h. sie möchte konkret nur das lernen, was sie für ein Projekt oder ihre derzeitige Tätigkeit aktuell auch wirklich benötigt.

Entlohnung der Generation Z

Die Generation Z lässt sich nicht mehr mit Überstundenzuschlägen oder Jahresumsatzboni locken, da sie statt auf eine hohe Bezahlung mehr an ihrer Selbstverwirklichung interessiert ist. Dementsprechend wünscht sie sich eher ein festes Gehalt statt eines Grundgehaltes mit leistungsorientierten Zuschlägen. Zusätzlich sollte sich das Unternehmen aber besondere immaterielle Anreize überlegen, die sie im Wettbewerb der Unternehmen um die besten Talente abheben. Ziel ist es dabei der Generation Z einen interessanten Arbeitsplatz, z. B. mit besonderen Projekten, einer persönlichen Anerkennung, z. B. Teilnahme an einer Messe, einem Workshop oder  Event im Ausland und optimaler Vereinbarung mit dem Privatleben zu bieten,   z. B. kostenloser Betriebskindergarten, Betriebssport oder zusätzliche Freizeit.

Fazit

Vielen mag es als unangemessen oder sogar ungerecht erscheinen, dass die Generation Z enorme Forderungen an die Unternehmen stellen und diese sogar ohne Hilfe von Gewerkschaften oder Arbeitskämpfen ganz einfach durchsetzen wird. Einzelne Unternehmen werden Widerstand leisten wollen, wie etwa ein Hamburger Unternehmer, der in einem Interview verlauten liess, dass er aus Frust über deren Attitüden keine Praktikanten aus der Generation Z mehr einstellen wird und dass es auch mit langjährigen Beschäftigten aus den vorherigen Generationen zu erheblichen Friktionen im Betriebsfrieden kommen könnte, wenn neue jüngere Mitarbeiter direkt bessere Konditionen erhielten. Letztendlich wird allen Beteiligten aber nichts anderes übrig bleiben, als sich mit der Situation zu arrangieren. Die Folgen des demografischen Wandels sind seit langem bekannt und werden sich weder durch Diskussionen oder durch Politikerversprechen in Luft auflösen. Nur die Unternehmen, die zeitig mit einem Turnaround gegen die drohende Personalkrise reagieren, werden langfristig im harten Wettbewerb um die Fachkräfte bestehen können. Einfach wird es für die Unternehmen jedoch nicht werden, denn im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmenskrisen, lässt sich diese grosse Herausforderung nicht einfach nur mit mehr Geld lösen. Genauso kreativ, flexibel, schnell und digital wie die Generation Z ist, wird sich auch das Personalmanagement der Zukunft entwickeln müssen. Und vor allem in den Köpfen der „Alten“ wird sich viel ändern müssen, denn so traurig es für sie auch ist, dass sie sich sehr lange und extrem hart ihre Position erkämpfen mussten, haben die Angehörigen der Generation Z lediglich aufgrund ihrer Geburtsjahre bereits alle Voraussetzungen, um ausserordentlich und in einer blitzartigen Geschwindigkeit sowie mit einem minimaleren Aufwand um ein vielfaches erfolgreicher zu werden. Ist es heute noch vielfach üblich, dass sich Führungskräfte keine potenzielle Konkurrenz ins Haus holen und High Potentials in den Auswahlverfahren systematisch aussortieren und ebenso alteingesessene Mitarbeiter neue potenzielle Leistungsträger gerne durch Mobbing oder Intrigen in der Probezeit zu Fall bringen, wird es für diese Unternehmen am Markt künftig kaum noch eine langfristige Chance geben. Im Gegenzug werden jedoch auch die Unternehmen, die nur einzig auf die Generation Z setzen und dabei die älteren Fachkräfte der Generation X vernachlässigen, scheitern, denn nur ein gesunder Personalmix aus allen Generationen und deren individuellen Stärken und Schwächen verspricht beste Chancen im künftigen Wettbewerb, um die epochalste Ressource: Mitarbeiter*in.

Quellen

Vatanparast, M. F.,  Adamaschek, B. (2018):  Die Generation Z im Mittelstand, in: KCE Schriftenreihe der FOM, Band 1, Essen, ISSN (Print) 2627-1303

Über die Autoren

Dr. Kai Pauling ist Dozent und unabhängiger Experte für Sport Management und Business Administration, insbesondere Fitnessmanagement, Change-/Turnaroundmanagement und Unternehmensführung. Kontakt: kai.pauling@sporting-expert.com

Prof. Dr. Farid Vatanparast ist Dozent für Human Resources und wissenschaftlicher Leiter des KCE KompetenzCentrum für Entrepreneurship & Mittelstand der FOM Hochschule für Ökonomie und Management. Kontakt: farid.vatanparast@fom.de

Sofie Pettersson, M.A. in Business and Economics der Hochschule von Dalarna in Schweden. Ihre Fach-/Kulturerfahrung sammelte sie in Vietnam, China/Taiwan, Amerika und Schweden. Kontakt: sofie.pettersson@sporting-expert.com