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Von der Absichtserklärung zur Umsetzung Gewohnheitsbildung – Vorsätze fassen und erfolgreich durchsetzen

Wer kennt das nicht: Jedes Jahr aufs Neue, besonders zu Silvester, verspricht man sich, Vorsätze nun tatsächlich einzuhalten. Meist ist dieses Versprechen Mitte des Jahres schon wieder vergessen. Aber warum ist das so und wie kann man die Herausforderung von der Absichtserklärung bis zur Umsetzung meistern? In diesem Artikel erfahren Sie, wie Vorsätze tatsächlich eingehalten werden können und damit eine nachhaltige Wirkung für Trainierende, Unternehmen und Teams erzielt werden kann. Die zentrale Botschaft: Der Köder muss ihnen «schmecken»!

Bei Vorsätzen handelt es sich um konkrete Absichtsbekundungen, die nicht nur in vorübergehende Verhaltensweisen umgesetzt, sondern dauerhaft beibehalten werden sollen: Sportlicher Lebensstil, Achtsamkeit und Kostenbewusstsein sind beispielhafte Individual- bzw. Unternehmensvorsätze. Die Herausforderung liegt hierbei in «dauerhaft beibehalten» und spiegelt sich in einem individuellen Lebensstil oder einer spezifischen Unternehmens- bzw. Leadership-Kultur wider.

Der zentrale Schlüssel zum Erfolg: die Gewohnheitsbildung

Gewohnheitsbildung ist nicht gleich Gewohnheitsbildung. So ist beispielsweise die unbewusste Entstehung etwas anderes als eine bewusste Entwicklung oder gar die zielgerichtete Veränderung einer Gewohnheit. Im Folgenden liegt der Fokus auf der Entwicklung einer Gewohnheit und es wird beschrieben, wie das dadurch verinnerlichte Handeln zur besseren Umsetzung verschiedener Ziele beiträgt – sowohl für Einzelpersonen als auch für Unternehmen.

1. Schritt: Welche Gewohnheit soll entwickelt werden und aus welchem Grund?

Jeder Vorsatz hat einen Hauptsatz – sprachlich ausgedrückt. Also, worum geht es wirklich? Die Aussicht, eine Gewohnheit erfolgreich zu entwickeln, wird durch den Grund bestimmt, aus dem etwas getan werden soll. Geht es um etwas Positives, eine Chance auf etwas, worauf man Lust hat oder ist externer Handlungsdruck vorhanden, der das Unternehmen in seiner Existenz bedroht oder die persönliche Gesundheit beeinträchtigt? In diesem ersten Schritt ist auch zu klären, weswegen eine Gewohnheit entwickelt werden soll. Die Intentionen können entweder extrinsisch (weil andere das von mir wollen: «Nimm endlich ab – das ist nicht schön anzusehen») oder intrinsisch motiviert sein («Ich mache das für mich bzw. mein Unternehmen», «Das wird mich noch gesünder machen» bzw. «Nur wenn wir uns verändern, können wir erfolgreich bleiben»).

2. Schritt: Der Köder muss dem Adressaten «schmecken»!

Die Gewohnheitsentwicklung muss ein positiver intrinsischer Wunsch sein, nur dann steigt die Aussicht auf dauerhaften Erfolg. Erst dieser innere Antrieb schafft die zentrale Voraussetzung: Commitment zu der angestrebten Gewohnheit und damit in der Übersetzung zum unbedingten Ja zu dieser Entwicklung. Oftmals wird in der Praxis mit Argumenten geworben, die nützliche und nicht selten moralische Aspekte zum Ausdruck bringen, so beispielsweise der erhobene Zeigefinger des Arztes: «Wenn Sie nicht abnehmen, dann drohen Ihnen ein Herzinfarkt oder Schlaganfall!» Dieser Ansatz reicht lediglich für die Initiierung von Vorhaben, aber oft nicht für deren Verinnerlichung aus.

3. Schritt: Zu welchem Zeitpunkt soll die entsprechende Gewohnheit entwickelt werden?

In der Praxis wird häufig zu vielen Vorhaben die höchste Priorität beigemessen: Jetzt und sofort soll das Ganze umgesetzt werden. Oft ist damit aber auch schon der Todeszeitpunkt des Vorhabens bestimmt: nämlich kurz nach dem Start, denn der zeitliche Horizont wird falsch gesetzt. Der richtige Moment zum Beginn einer Gewohnheitsentwicklung hat mit der Komplexität und der Tiefe des jeweiligen Vorsatzes zu tun. Entsprechend gilt: Besser eine Gewohnheit nach der anderen entwickeln als mehrere auf einmal (Komplexitätsdilemma). Des Weiteren stellt sich hinsichtlich der Tiefe folgende Frage: Wie neu und herausfordernd ist die konkrete Gewohnheitsentwicklung (Bsp.: «Ich habe seit 20 Jahren keinen Sport mehr gemacht.»). Während weniger komplexe und tiefe Gewohnheitsentwicklungen schneller und einfacher vonstattengehen, sollten umfassende und tiefgreifende in sogenannten «Teachable Moments» eingebettet werden. So stellen ein Change-Prozess durch eine neue Geschäftsführung, ein neuer Beruf oder privater Umzug grössere beispielhafte Umbrüche und damit die Chance dar, gewohnte Denkstrukturen und Verhaltensmuster aufzubrechen.

4. Schritt: Auf welche Art und Weise soll eine Gewohnheit entwickelt werden?

Eine klare Struktur – DAS Herzstück der Gewohnheitsentwicklung – spiegelt sich in folgendem Dreiklang wider:

1. Auslöser

Die Auslöser zur Entwicklung einer Gewohnheit sind unterschiedlich und facettenreich. Von sozialem Druck (beispielsweise in Form von Verabredungen mit anderen zum Training) über veränderte Rahmenbedingungen (präventive Kurse nach § 20 SGB werden finanziell bezuschusst) bis zur Überrumpelung (Center werden wie bei der Corona-Pandemie über Nacht geschlossen und es braucht ad hoc alternative Trainingsmöglichkeiten) sind alle Varianten erlaubt, die dem Zweck dienlich sind. Bekannte Beispiele aus der Wirtschaft sind die automatischen Check-in-Schalter am Flughafen, dem Center oder den Messezentren bzw. SB-Kassen im Supermarkt, deren Handhabung (noch) von Mitarbeitern betreut wird, aber die Kunden zielgerichtet und behutsam an die neue Handlung herangeführt werden. Lange Warteschlangen bzw. Zeitersparnis sind weitere – oft unbewusste – Argumente, um branchenübergreifend neue, innovative Varianten und Lösungen auszuprobieren.

2. Handlung

Hier geht es um das gewünschte und fest vorgenommene Handeln – Sport treiben, gesunde Ernährung, kompaktere und strukturiertere Meetings, mitarbeiterzentrierte Führung usw. In dieser Phase wird genauer betrachtet, wie die neue Handlung gerade zu Beginn der Umsetzung geschützt und unterstützt werden kann, damit sie immer wieder ausgeführt und dadurch verinnerlicht werden kann.

3. Belohnung

Besonders Belohnungen sind der Grund, weshalb man eine Handlung erneut durchführt. Durch die Belohnung bzw. ersten Erfolgserlebnisse werden Botenstoffe (wie Dopamin, Serotonin u. Ä.) ausgeschüttet, die die Handlung positiv bewerten. Erst das erneute Erlebenwollen führt zur Wiederholung. Belohnungen müssen dabei immer adäquat und variabel sein. Adäquat im Sinne der Attraktivität: Es hat keine Wirkung, wenn man den Kunden nach einem harten, fordernden Workout mit einem gratis Glas Wasser belohnt oder wenn eine Führungskraft für einen hochmotivierten Mitarbeiter nur einen feuchten Händedruck und warme Worte übrig hat. Der Begriff «variabel» deutet in diesem Zusammenhang an, dass die entsprechenden Belohnungen (egal ob gegenüber sich selbst oder Kunden und Mitarbeitern) abwechslungsreich gestaltet werden müssen, da sie sonst schnell ihren hormonellen Glückscharakter sowie ihren Motivationsaspekt verlieren. Nur wenn die Belohnung attraktiv und im positiven Sinne unberechenbar bleibt, ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, den Sprung von der einzelnen Handlung zur Wiederholung und final zur fixen Gewohnheit zu schaffen.

Die vereinfachte Formel (vgl. Abb. 1) umfasst die Prozesskette von der grundlegenden Einstellung zu einer Handlung (Denken), über die Handlung selbst (Tun), dem Reflektieren und Erkennen («Gar nicht so schlecht»/Anders denken) bis hin zur wiederholten unbewussten Durchführung der Handlung (Nicht mehr denken/Verinnerlichen).

Gewohnheitsbildung lässt sich in folgender Erfolgsformel darstellen:

Abb. 1: Erfolgsformel der Gewohnheitsbildung

Durch Barrierenmanagement Gewohnheitsentwicklung sichern

Die immer wieder durchzuführende Handlung ist noch sensibel und im wahrsten Sinne des Wortes anfällig «wie ein rohes Ei», bevor sich die Gewohnheit voll entwickeln kann. Die unterschiedlichen Barrieren können physikalischen, sozialen oder psychologischen Charakter haben. Die bekanntesten psychologischen Barrieren sind Verlockungen oder der innere Schweinehund. Diese Barrieren wie «Bleib bequem zu Hause, anstatt dich im Center zu quälen» oder «Warum Managementprozesse ändern, wenn es doch auch so geht» verhindern die erneute Handlungsdurchführung. Auch Pausen – in Form von Unterbrechungen – haben «toxische» Wirkung auf die Gewohnheitsentwicklung. Das gilt insbesondere dann, wenn im Change-Management nicht die adäquate Geschwindigkeit eingehalten wird und Pausen das Prinzip von wiederkehrender Anwendung der neuen Prozesse unterbinden. Um diesen Fallstricken zu entgehen, braucht es zusätzlich ein entsprechend strukturiertes Barrieremanagement. Wie in jedem Management geht es hier in einem ersten Schritt um die Analyse eventuell auftretender individueller und unternehmerischer Barrieren. In einem zweiten Schritt geht es um die Überlegung, wie man diese Barrieren entweder umgehen («get around») oder ihnen begegnen kann («get through»).

Durch Wenn-Dann-Pläne den inneren Schweinehund überwinden

Sogenannte Wenn-Dann-Pläne sind das wirksamste Mittel, um eine neu entwickelte Gewohnheit zu schützen. Sie beruhen auf dem gleichen Wirkungsprinzip wie Gewohnheiten und haben als Kernidee folgende Überlegung: «Wenn ich in die Situation komme, in der mich mein innerer Schweinehund auf die Couch locken will, dann mache ich …». Der Situation aus dem Weg gehen ist eine psychologische Variante der Wenn-Dann-Pläne. Eine soziale Variante der Wenn-Dann-Pläne ist es, Ressourcen zu aktivieren, z. B. beruflich einen Mitarbeiter oder privat den Lebensgefährten um Unterstützung zu bitten oder für den Trainingseinstieg einen geeigneten Trainingspartner zu suchen. Die psychologische Wenn-Dann-Variante stellt das Commitment in Form des unbedingten Willens («Ja, ich will») in den Fokus.

Resümee und Ausblick

Scheuen Sie sich nicht vor Veränderungen und arbeiten Sie im Alltag kontinuierlich an neuen Gewohnheiten! Sie gelten zwar als die grössten Verhinderer von individueller und unternehmerischer Weiterentwicklung bzw. Veränderung, aber sie sind gleichzeitig auch die Grundlage für Innovation, Performance und Exzellenz.

Literaturliste

  • Myers, D. G. (2014). Psychologie (3. Aufllage). Heidelberg: Springer.
  • Verplanken, B. (2018): The Psychology of habit. Theory, Mechanisms, Change, and Contexts Heidelberg: Springer.
  • Statista (2019). Die guten Vorsätze für 2020. Zugriff am 02.01.2020 unter https://de.statista.com/infografik/20341/umfrage-beliebteste-vorsaetze-fuer-2020/
  • ZEIT ONLINE (2018). Am liebsten würde ich damit aufhören … die Frage ist nur: Wann? Und vor allem: Wie?. Zugriff am 15.01.2020 unter: https://www.zeit.de/zeit-wissen/2018/01/psychologie-gewohnheiten-verhalten-muster-aenderung

Prof. Dr. Oliver Schumann

Prof. Dr. Oliver Schumann ist für die BSA-Akademie und die Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) als Dozent, Tutor und Autor tätig. Die Schwerpunkte seiner Professur liegen in den Bereichen Strategisches Management, Neurokommunikation und Sportökonomie.

www.dhfpg-bsa.de