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Coach Schneider

Personal Training, das buchstäblich berührt

«Es geht nicht, dass ein sehbehinderter Junge sportlich aktiv ist. Es geht nicht, dass ein sehbehinderter Mann mit Anfang 40 umschult, ausgerechnet zum Fitnesstrainer. Es geht nicht, dass er damit in einem der renommiertesten Studios in der Schweiz erfolgreich ist.» Doch, es geht! Und das beweist Stephan Schneider, der seit mittlerweile fünf Jahren Personal Trainings in den David Gyms in Zürich anbietet und seine ganz eigene, aber umso bemerkenswertere Art des Personal Trainings entwickelt hat.

FITNESS TRIBUNE: Stephan, wie würdest du den Beruf Personal Trainer beschreiben?

Stephan Schneider: Ich selbst mache seit 25 Jahren Bodybuilding und versuche immer, meinen Kunden mein Wissen weiterzugeben und ihnen den Weg zum Erreichen ihrer Ziele aufzuzeigen – gehen müssen sie den Weg dann aber selbst.

Letztlich geht es beim Personal Training aber nicht nur darum, den Körper zu stärken, sondern dem Kunden zu helfen, seinen Geist, sein Selbstbewusstsein und sein Selbstvertrauen zu stärken. Viele brauchen auch die Motivation zum regelmässigen Training.

Weil ich nur drei bis vier Prozent Sehvermögen habe, musste ich in meinem Leben immer ein bisschen mehr geben als andere. Und diese Einstellung, dass alles geht, wenn man es nur möchte, vermittle ich auch meinen Kunden. Sie sehen an mir als Personal Trainer mit Handicap, dass sie ihre Ziele erreichen können, wenn sie es nur wollen. Das ist auch der Punkt, der mir solche Freude bereitet: Ich sehe, wie sich Ergebnisse einstellen, wie sich die Kunden im positiven Sinne körperlich und geistig verändern – wie sie selbstbewusster werden.

Welche Zielgruppe möchtest du mit deinem Fitnesstraining ansprechen?

Meine jüngste Trainierende ist 24, meine älteste ist 74 Jahre alt. Jede Kundin, jeder Kunde ist anders, hat eine andere Vorgeschichte, verfolgt ein anderes Ziel.

Ich kenne meine Kundschaft sehr gut und weiss genau, was sie braucht und wie sie trainieren muss. Aber ich arbeite nicht mit konkreten Trainingsplänen. Im Personal Training geht es viel um Individualität und das in jeder einzelnen Einheit – wie hast du geschlafen? War es ein stressiger Tag? Hast du privat viel um die Ohren?

Deswegen arbeite ich sozusagen «freestyle», um auf ihre Bedürfnisse jedes Mal aufs Neue eingehen zu können. Vielleicht kommen sie also genervt und unmotiviert zu mir, aber nachdem sie meinen Führhund Jack gestreichelt und mit mir trainiert haben, gehen sie mit einem guten Gefühl nach Hause.

Es gibt aber auch Zielgruppen, die ich bewusst nicht annehme. Dazu gehören Bodybuilder sowie Wettkampfathletinnen und -athleten. Deren Training unterscheidet sich massgeblich vom gesundheits- oder fitnessorientierten Training. Dazu ist spezifisches Know-how notwendig, das ich einfach nicht habe. Auch wenn ich selbst Bodybuilder bin, ist das Coaching natürlich etwas ganz anderes.

Inwiefern unterscheidet sich dein Training von dem anderer Personal Trainer?

Ich habe immer Körperkontakt zu meiner Kundschaft. Weil ich sie eben nicht durch reines Zusehen korrigieren kann – das würde ich nämlich schlichtweg nicht erkennen –, fasse ich sie immer an der für die Übung entscheidenden Körperstelle an. Allein mithilfe meiner Berührung kann ich auch abschätzen, ob mein Kunde noch mehr Gewicht packt, ob noch eine Wiederholung mehr geht. Auch wenn Korrekturen notwendig werden, spüre ich das. Bei Kniebeugen z. B. gehe ich bei Männern unter die Schultern, bei Frauen an die Hüfte. Die Leute spüren, dass ich sie nicht streichle, sondern zupacke (lacht). Berührungsängste gab es dabei bisher auf keiner Seite.

Die meisten Trainer schauen zu und sagen dir, wie du die Übung ausführen sollst, machen sie noch ggf. vor, aber sie arbeiten sozusagen nicht direkt am Mann bzw. an der Frau. Dadurch spüren sie nicht, wie der ganze Körper reagiert und viele Möglichkeiten bleiben meiner Meinung nach auf der Strecke. Bei dieser taktilen Korrektur ist es sehr wichtig, dass man den Trainierenden erklärt, was man tut und warum. Weil man ihnen so nah kommt, müssen sie sich auch wohl fühlen. Da ich aber im David Gym bekannt bin und die Leute wissen, wie ich meine Trainings durchführe, hatte ich noch nie Probleme.

Kommen dann auch Frauen zu dir? Und wie bist du generell ausgelastet?

Ja, auch Frauen stören sich nicht an dem Training, weil ich es vorher erkläre bzw. meine Vorgehensweise bekannt ist. Bei mir trainieren aktuell acht Frauen und vier Männer.

Die Anzahl der Trainings pro Woche schwankt immer ein wenig. Da kommt es auch viel auf Ferien, Krankheitswelle usw. an. In der Regel sind es zwischen sechs und 13 Trainings pro Woche. Dabei ist es mir sehr wichtig, dass ich Zeit für meine Kundschaft habe und sie nicht einfach nur «abarbeite», weil der nächste schon auf seinen Termin wartet. Ausserdem bin ich immer noch aktiver Bodybuilder, brauche also selbst noch einige Trainings am Tag. Dazu kommt, dass auch mein Hund Jack, der immer Grossartiges leistet, ebenfalls noch seine Zeit braucht.

Meine Kundschaft ist mir in den vergangenen fünf Jahren treu geblieben und gewachsen. Sie vertrauen mir und meiner Expertise. Das merkt man auch daran, dass sie meine Hilfe bei Themen wie z. B. intermittierendes Fasten oder Schlaf in Anspruch nehmen wollen. Sollte ich dann etwas nicht wissen, dann sage ich das und gehe im Anschluss auf Kolleginnen und Kollegen zu, die sich besser in diesem entsprechenden Gebiet auskennen. Denn eines muss man sich schon eingestehen: Personal Trainer, die seit 25 Jahren dabei sind, haben sicherlich mehr Erfahrung als ich und das kann ich auch für mich nutzen.

Wie war die Anfangsphase deiner Tätigkeit als Personal Trainer? Wie haben die Menschen auf dieses «taktile Training» reagiert?

Ich hatte tatsächlich keine Startschwierigkeiten und musste auch keine Überzeugungsarbeit leisten. Ich trainiere in allen drei David Gyms seit mehr als 15 Jahren privat und entsprechend kennen mich die Leute auch – ich war und bin der mit dem Blindenhund bzw. bin ich der bunte Hund. Das mit dem Personal Training hat sich auch über die Jahre entwickelt. Erst habe ich viel allein trainiert, dann kamen Kolleginnen und Kollegen auf mich zu und wollten mit mir trainieren. Das nahm solche Ausmasse an, dass ich nach 14 Jahren meinen sicheren Job gekündigt und mich selbstständig gemacht habe. Werbung über Instagram, Facebook oder das David Gym musste ich nicht machen.

Generell bin ich immer freundlich und fröhlich, bin immer am Lächeln. Das ist super wichtig, gerade auch für potenzielle Kunden, weil man ihnen ein gutes Gefühl gibt, das dann auch zurückkommt. Es gibt viele Leute, die sich von den grimmigen Mienen ihrer Mitmenschen anstecken lassen, aber das sehe ich alles nicht. Ich sehe keine Nasen, keine Augen, keinen Mund. Ich sehe keine Gesichtsausdrücke. Also stört mich das nicht und ich kann die Leute anlächeln, egal, wie sie mich anschauen.

Wie hast du das denn geschafft, dieses taktile Training zu entwickeln?

Ich habe viele verschiedene Ausbildungen in unterschiedlichen Branchen abgeschlossen. Da hat meine Sehbehinderung nie eine Rolle gespielt. Ich hatte viele Hilfsmittel, die ich immer nutzen konnte. Ich habe aber auch das Glück, dass ich sehr gut übers Hören aufnehmen kann.

Neben der Theorie habe ich das Praktische aber vor allem auch von zwei anderen Personal Trainern mit über 20 Jahren Erfahrung gelernt. Weil ich das Vormachen der Übung natürlich nicht sehen konnte, habe ich sie darum gebeten, mich an- zufassen und mir so zu zeigen, worauf es bei der Bewegungsausführung ankommt.

Sie haben mich dann rein durch die Berührung in der Bewegung gehalten und korrigiert. So konnte ich dieses «berührende Personal Training» aufgrund meiner eigenen Erfahrungen entwickeln und verinnerlichen, worauf ich achten muss.

Das theoretische Wissen ist wichtig, aber man braucht die Kombination mit der Praxis, damit man auch eine qualifizierte Betreuung anbieten kann.

Gibt es Herausforderungen, denen sich sehende Personal Trainer womöglich nicht stellen müssen?

Ich trainiere privat seit Jahren in den drei David Gyms und gebe dort auch meine PT-Stunden. Ich weiss also genau, wo der Beinstrecker ist, wo der Beinbeuger steht usw. In diesen Räumlichkeiten kann ich mich ohne Probleme bewegen. Würde ein Kunde oder eine Kundin nun in einem anderen Gym mit mir trainieren wollen, müsste ich mich ganz neu zurechtfinden. Ich müsste den Trainierenden fragen: «Siehst du irgendwo den Beinstrecker?» Entsprechend habe ich für mich entschieden, dass ich meine Personal Trainings nur in den David Gyms anbiete – dort, wo ich mich auskenne. Was ich auch anbiete, ist Outdoortraining wie Joggen oder Parcourstraining. Dann habe ich auch immer Jack dabei, der mir Orientierung gibt.

In diesem Aspekt habe ich es sicherlich etwas schwerer als ein sehender Personal Trainer, der einfach reingeht, sich umschaut und weiss, wo die Geräte stehen.

Glaubst du, dass deine Verbindung zu deinen Trainierenden intensiver ist, weil du sie berührst?

Nein, das würde ich nicht behaupten. Andere Personal Trainer wissen auch sehr wohl, was sie machen. Der Erfolg, würde ich sagen, ist genau gleich wie bei den anderen Trainern. Die intensive Verbindung zu meiner Kundschaft kommt einfach auch durch das intensive persönliche Gespräch – das ist aber im Regelfall bei allen Personal Trainern so. Die Kundinnen und Kunden vertrauen dir sehr viel an, weil du für sie eine Bezugs- person bist, die auch ausserhalb ihres sozialen Gefüges steht, und du entsprechend das Erzählte neutral bewerten kannst – ein bisschen wie ein Psychologe. Ich selbst habe mir auch eine entsprechende Schweigepflicht auferlegt. Stillschweigen ist das A und O für einen professionellen Trainer.

Gerade weil diese Betreuung so intensiv und individuell ist, biete ich bewusst auch keine kostenfreien Probestunden an. Die Kunden geben sich mehr Mühe, strengen sich mehr an, wollen alles rausholen, weil sie dafür bezahlen, und das vom ersten Training an. Dadurch wirkt meine Dienstleistung auch hochwertiger, weil ich sie nicht verschenke.

Ich frage auch am nächsten Tag bewusst bei meinen Kunden via WhatsApp nach, wie sie das Training fanden. Manchmal kommt dann ein «Ich hasse dich» zurück – ich weiss natürlich, wie es gemeint ist (lacht). Dieses Nachfragen zeigt aber, dass ich sie nicht nur während des Trainings wahrnehme und wertschätze.

Wie geht es für dich weiter?

Mein Ziel ist es auch in Zukunft, die Menschen dabei zu unter- stützen, gesund und fit zu bleiben. Ich möchte ihnen helfen, Muskeln aufzubauen, Fett zu reduzieren, beweglicher zu werden und und und.

Das alles mache ich bereits seit fünf Jahren und hoffe, dass ich es auch die nächsten 20 Jahre bis zu meiner Pensionierung und vielleicht auch darüber hinaus machen kann. Denn ich sehe einfach keinen Grund, warum ich auch die nächsten Jahrzehnte keinen Erfolg haben sollte – getreu meinem Motto:
«Geht nicht gibt’s nicht.»

ÜBER DEN INTERVIEWPARTNER:

Stephan Schneider hat bereits im Alter von 16 Jahren mit dem Krafttraining angefangen und wollte damit zunächst nur sich und sein Selbstvertrauen stärken. Mit den Jahren wurde aus dem Hobby eine Passion, die ihn zum Bodybuilder machte. Letztlich führte ihn diese Leidenschaft auch zu dem Schritt, mit 41 Jahren eine ganz neue berufliche Richtung einzuschlagen. Mit der Unterstützung und Förderung von Kathi Fleig, der Inhaberin der drei David Gyms in Zürich, nahm er an einer Vielzahl von SAFS-Kursen teil und bildete sich zum Personal Trainer weiter. Fünf Jahre später hat er sich und sein Angebot in den David Gyms etabliert und sich einen sehr treuen Kundenstamm aufgebaut. Dabei immer mit an seiner Seite: sein Freund und Führhund Jack. ww.coachschneider.ch

Jack

Stephan Schneider gibt es nur im Doppelpack mit seinem schwarzen Labradorrüden Jack. Der sechsjährige Führhund begleitet sein Herrchen überall hin, in die David Gyms zu Personal Trainings, zum Einkaufen oder zu Terminen und auch beim Outdoortraining ist die Fellnase immer mit dabei. Der kuschelige Vierbeiner sorgt dabei vor allem bei Stephans Kunden und den Studiomitgliedern für gute Laune, denn er freut sich über jede Streicheleinheit! Jack ist mittlerweile bereits der vierte Führhund, der Stephan Schneider durch sein Leben begleitet. Die Hunde sind meist zwischen sieben und zehn Jahren als Führhunde aktiv, bis sie sozusagen in den wohlverdienten Ruhestand gehen.

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