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Editorial Fitness Tribune – 204
14. August 2023

Kontinuität = Effektivität

Mit Regelmässigkeit zum Trainingserfolg

Das Erreichen individueller Trainingsziele ist für die Zufriedenheit der Trainierenden von grosser Bedeutung. Unzufriedenheit und ausbleibende Trainingserfolge zählen zu den Hauptgründen für Kündigungen in Fitnesscentern. Wie die Regelmässigkeit des Trainings die Kundenbindung beeinflussen kann, erläutert dieser Artikel.

Zur Veranschaulichung des zugrunde liegenden Problems wird zunächst ein beispielhaftes Szenario aus der Praxis dargestellt: Eine Person hat ihre Mitgliedschaft im Fitnesscenter mit der Begründung, «keine Zeit zu haben», gekündigt. Eine genauere Nachfrage ergibt, dass sie mit der Gesamtsituation unzufrieden ist, da sie ihr ursprüngliches Ziel, ihre Körperfettmasse zu reduzieren und Leistungsfähigkeit zu steigern, nicht erreichen konnte. In diesem Kontext ist nun von besonderer Relevanz, welche Gründe dafür verantwortlich sind und ob die Person bzw. das Centerpersonal etwas hätte besser machen können. Die gemeinsame Reflexion der zurückliegenden Wochen und Monate ergibt, dass die Ursache für das Ausbleiben der gewünschten Trainingserfolge vermutlich darin liegt, dass besagte Person nur sehr unregelmässig und in manchen Wochen sogar überhaupt nicht im Fitnesscenter trainiert hat.

Das Problem: fehlende Regelmässigkeit

Hier stellt sich bereits das grundlegende Problem dar: die Unregelmässigkeit des Trainings. Darüber hinaus kann eine unrealistische Erwartungshaltung seitens der Kundinnen und Kunden dazu beitragen, dass Unzufriedenheit bezüglich der Trainingsfortschritte entsteht, weil diese nicht im gewünschten Ausmass oder nicht schnell genug eingetreten sind.

Mangelnde Geduld oder fehlender Ehrgeiz, sich kontinuierlich im Training anzustrengen, können für die Erreichung der definierten Trainingsziele zum Problem werden, wenn diese Faktoren vom Centerpersonal unbemerkt bleiben und keine entsprechenden Massnahmen zur Aufklärung und Motivation ergriffen werden. Es bleibt nur zu spekulieren, ob die oben erwähnte Person nicht vielleicht doch eine Lösung für ihr vorgeschobenes Zeitproblem finden würde, wenn sie eine sicht- und spürbare Veränderung durch die getroffenen Massnahmen im Training, in der Ernährung sowie Erholung erkannt hätte. Doch um Trainingseffekte auszulösen, muss zunächst einmal trainiert werden – wobei die Regelmässigkeit des Trainings als Schlüssel zum langfristigen Erfolg gilt. Diese Erkenntnis ist entscheidend, daher muss den Kunden klar und verständlich vermittelt werden, dass das Erreichen ihrer individuellen Trainingsziele ohne eine gewisse Kontinuität nahezu unmöglich ist.

Anpassungsprozesse durch Training

Zum besseren Verständnis der Auswirkungen von körperlicher Aktivität auf den menschlichen Organismus ist die Kenntnis der dabei ablaufenden Anpassungsprozesse von grundlegender Bedeutung. Bereits der französische Naturforscher Jean-Baptiste de Lamarck (1744–1829) erkannte den Zusammenhang zwischen körperlicher Belastung und einer Leistungssteigerung: «Alle Organe, die geübt werden, entwickeln sich stärker, werden leistungsfähiger – oder anders ausgedrückt, der Körper hat die Fähigkeit, sich den Beanspruchungen, die an ihn herantreten, anzupassen.» In dieser Aussage ist bereits eine wesentliche Gesetzmässigkeit der Biologie und – im Bereich des Sports – der Trainingslehre enthalten: das Phänomen der Anpassung bzw. der Adaptation. In der Biologie wird unter Anpassung grundsätzlich eine organische und funktionelle Umstellung des Organismus verstanden. Grund für diese Umstellung ist eine innere oder äussere Anforderung (Reiz). Die Anpassung läuft nach bestimmten natürlichen Gesetzmässigkeiten ab und ist auf die bessere Bewältigung von zukünftigen ähnlichen Anforderungen ausgerichtet. Anpassungen und Anpassungsfähigkeit gehören als Naturgesetze zum Leben. Sie sind jedoch umkehrbar und müssen ständig neu vorgenommen bzw. erworben werden.

Schematischer Ablauf von Trainingsanpassungen

Die Anpassung einzelner Funktionssysteme verläuft in einer bestimmten Reihenfolge und in einem zeitlichen Ablauf – beides kann nicht wesentlich beeinflusst werden. Bei jeglicher Art von anstrengender körperlicher Belastung, die zu einer erheblichen Beanspruchung von Funktionssystemen führt, wird der Gleichgewichtszustand (Homöostase; griech.: «stásis» = Stillstand; Duden, 2023) dieser Systeme gestört. Das Anpassungspotenzial der Funktionssysteme kann nicht durch eine einzige Trainingseinheit erschlossen werden, sondern erstreckt sich über einen langfristigen Trainingsprozess und wird in Etappen durch progressiv ansteigende bzw. sich verändernde Trainingsbelastungen gesteuert.

Ein vereinfachtes Schema (vgl. Abb. 1) soll die wesentlichen Schritte zur Auslösung von biologischen Anpassungsprozessen durch komplexe, planmässige und zielorientierte Belastungen im Training veranschaulichen (Schnabel, Harre & Krug, 2011, S. 203).

Das Superkompensationsmodell

Eine Leistungsverbesserung erfolgt im Trainingsprozess als Reaktion auf erhöhte Anforderungen des Organismus. Wie im schematischen Verlauf von Belastung, Erholung und positiver Anpassung im Trainingsprozess (vgl. Abb. 2) zu erkennen ist, kommt es nach einer Belastung zu einer vorübergehenden Abnahme der sportlichen Leistungsfähigkeit (Ermüdung). Durch eine nachfolgende Erholung (Trainingspause) regeneriert sich der Organismus und das Ausgangsniveau wird wieder erreicht (de Marées, 2003, S. 314). War der Trainingsreiz ausreichend hoch, kommt es im weiteren Verlauf der Erholungsphase zur sogenannten Superkompensation, einer Erhöhung der Leistungsfähigkeit über das Ausgangsniveau hinaus. Erfolgen innerhalb einer bestimmten Zeitspanne nach dem Training keine weiteren Trainingsbelastungen, beispielsweise durch zu lange Trainingspausen zwischen den Trainingseinheiten, kommt es zu einer allmählichen Rückkehr zum ursprünglichen Ausgangsniveau und die zuvor ausgelösten Anpassungseffekte verflüchtigen sich (Zatsiorsky, 1996, S. 25).

Langfristige Anpassung durch regelmässige Reize

Eine einzelne Trainingseinheit löst zwar bestenfalls einen akuten Anpassungsprozess aus, allerdings resultieren daraus keine langfristig erkennbaren Effekte, wenn das Training nur alle zwei Wochen stattfindet oder nach kurzer Zeit vollständig eingestellt wird. Darüber hinaus wird sich auch bei regelmässigem Training kein sichtbarer Erfolg einstellen, wenn man sich nicht zumindest in einem bestimmten Mindestmass anstrengt, da eine gewisse Reizhöhe im Training erforderlich ist, um überhaupt Anpassungsprozesse auszulösen.

Hier gilt es, getreu dem Motto «steter Tropfen höhlt den Stein» zu agieren. Auch der Ausspruch «einmal ist keinmal» ist im Kontext des Trainings sehr zutreffend, wenn es darum geht, die Bedeutung der Regelmässigkeit auf der Grundlage des Modells der Superkompensation zu veranschaulichen.

Fazit

Die grundsätzliche Zielstellung von Fitness- und Gesundheits- einrichtungen ist es, Mitglieder langfristig zu binden und deren Fluktuation zu reduzieren. Vorausgesetzt, ein Mitglied ist nicht umgezogen, hat die Arbeitsstelle nicht gewechselt und es hat sonst keine einschneidenden Vorkommnisse gegeben, gehen einem Mitgliedschaftsende häufig ausbleibende Trainingserfolge durch unregelmässiges Training voraus. Folglich kann die Regelmässigkeit der Anwesenheit im Center als prognostische Kenngrösse für den Erfolg des Kunden sowie auch seine Treue betrachtet werden.

Der erste Schritt auf dem Weg zur Erreichung von individuellen Zielen besteht demzufolge darin, den Trainierenden die Wich- tigkeit von regelmässigem Training und dessen grundlegende Bedeutung zur Auslösung von Effekten zu veranschaulichen. Denn regelmässig trainierende Kunden erreichen eher ihre angestrebten Trainingsziele, sind zufriedener mit sich selbst sowie mit dem Angebot des Fitnesscenters und bleiben dadurch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit als Kunden erhalten.

Jonas Ambühl

Jonas Ambühl, MBA Sport-/Gesundheitsmanagement, ist Cheftrainer im Phoenix Fitness Dättwil und seit zehn Jahren Dozent der SAFS. Nach seiner Tätigkeit als Prüfungsexperte der eidgenössischen Fachprüfung ist er seit 2017 Prüfungsexperte der eidgenössischen Fähigkeitsprüfung (Fachmann/-frau Bewegung und Ge- sundheitsförderung) sowie Autor der schriftlichen Prüfung für das eidgenössische Fähigkeitszeugnis. www.safs.com

Literaturliste

De Marées, H. (2003). Sportphysiologie. Köln: Sport und Buch Strauß.

Schnabel, G., Harre, D. & Krug, J. (2011). Trainingslehre – Trainingswissenschaft. Leistung – Training – Wettkampf (2. Aufl.). Aachen: Meyer & Meyer.

Zatsiorsky, V. (1996). Krafttraining – Praxis und Wissenschaft. Aachen: Meyer & Meyer.

Dienstag, 08. August 2023