Co-Working-Space Fitnessstudio
Laut Definition bezeichnet der Begriff Co-Working-Space «mit gemeinsamer Infrastruktur ausgestattete grössere, meist offene Büroräumlichkeiten oder Arbeitsplätze, die von kleinen Unternehmen, Freiberuflern oder Selbstständigen in Teilen angemietet werden, um dort unabhängig voneinander oder auch kooperativ miteinander zu arbeiten». Diese Art des Zusammenarbeitens ist besonders auch in der IT-Branche und vor allem bei Start-ups beliebt. Gina Di Nardo, Michel Mäder und Dominik Simmen haben dieses Konzept kurzerhand auf die Fitnessbranche übertragen und mit dem Kraftakt SportHub den ersten Co-Working-Space für Fitness-, Sport- und Gesundheitsdienstleistende in der Schweiz gegründet.
FITNESS TRIBUNE: Liebe Gina, lieber Michel und lieber Dominik, ihr habt mit dem Kraftakt SportHub einen Co-Working-Space für Fitnesstrainer gegründet. Wie kam es eigentlich dazu?
Gina Di Nardo: Michel und Dominik sind aus der IT-Branche, in der Co-Working-Spaces schon zur Normalität gehören. Ich bin diejenige von uns drei, die ihre Wurzeln in der Fitnessbranche hat und mit diesem Konzept weniger vertraut war.
Michel Mäder: Ginas Traum war es schon immer, ein kleines Fitnessstudio zu besitzen. Ich war aber von der Idee meiner Frau [Anm. d. Red.: Gina Di Nardo und Michel Mäder sind seit 2017 verheiratet] nicht wirklich überzeugt, weil der Konkurrenzdruck durch günstige Angebote sehr gross ist. Irgendwann haben wir dann ein Fitnessevent organisiert – eigentlich eine einmalige Sache –, das anders sein sollte als andere Events. Wir wollten Fitness und Disco miteinander kombinieren, haben eine grosse Sporthalle gemietet, einen DJ engagiert, eine Lichtshow installiert und dort dann Fitnesskurse in Clubatmosphäre angeboten. Mit eingestiegen ist noch vor dem ersten Eventtag ein Arbeitskollege von mir – der liebe Dominik, heute ist er für Finanzen und HR zuständig.
Schritt für Schritt wurde die ganze Sache so gross, dass wir erst eine Sportwoche ausrichteten und dann eine GmbH gründeten. Der letzte notwendige Impuls, Ginas langjährigen Wunsch nach einem festen Standort endlich umzusetzen, kam von Dominik.
Dominik Simmen: Ich fand es einfach passend, unserer Community, die wir mittlerweile hatten, auch eine Anlaufstelle zu bieten. Allerdings haben wir beim Erstellen unseres Businessplans recht schnell gemerkt, dass wir als alleinige Dienstleister nicht die ganze Infrastruktur mit dem passenden Expertenvolumen hätten füllen können. Und da Michel und ich beide aus der IT-Branche stammen, war dieser Co-Working-Space-Gedanke sehr schnell da.
Wir haben dann auch mit unseren Partnern, die wir schon durch die Fitnessevents hatten, gesprochen und bemerkt, dass es ganz viele kleine spezialisierte Dienstleister gibt, die nicht die finanziellen Mittel haben, ein grosses Studio oder eine grosse Anlage zu mieten. Und genau das wollten wir nutzen und Synergien entstehen lassen.
Wie funktioniert das Co-Working-System bei euch?
Gina Di Nardo: Es kommt ein bisschen darauf an, welche Dienstleistung du anbietest. Bist du Personal Trainer und möchtest die gesamte Trainingsfläche nutzen, kommst du mit deinem Kunden zu uns, bezahlst deinen Eintritt und den des Kunden und kannst dann die ganze Gerätefläche inklusive Functional-Training-Fläche nutzen, solange du möchtest. Ist dein Kunde bereits Mitglied bei uns, musst nur du deinen eigenen Eintritt bezahlen – natürlich kannst du auch ein Abo abschliessen und musst nicht jedes Mal eine Tageskarte kaufen. Der Kunde bezahlt die zusätzlichen Kosten für die PT-Einheit direkt an seinen Trainer.
Bei den Gruppenfitnesstrainerinnen und -trainern ist es im Prinzip das Gleiche: Diese mieten unsere Räumlichkeiten und entsprechende Timeslots. Unsere Bestandskunden oder auch Trainierende mit einer Tageskarte können dann an den Sessions teilnehmen und die Trainer erhalten ihre Vergütung nach Art eines Cashback-Systems.
Ausserdem haben wir fünf Räume an Physio- und Schmerztherapeuten sowie an Masseure vermietet. Einen sechsten Therapieraum nutzen stundenweise Ernährungsberatende, ein Mental Coach, eine Hebamme und ein Personal Trainer.
Steht ihr vor anderen Herausforderungen als Fitnesscenter, die ausschliesslich mit Angestellten arbeiten? Wenn so viele Selbstständige auf einen Fleck kommen, da muss es doch auch Wettbewerb geben?
Michel Mäder: Auf jeden Fall ist das eine Herausforderung. Deswegen ist die Auswahl der Mieter auch entscheidend. Wir können nicht blindlinks vermieten – der Mix ist entschei-dend, sodass sich die Dienstleistenden gegenseitig ergänzen. Selbst bei den Personal Trainern, die grob gesprochen, das gleiche Angebot haben, achten wir auf Unterschiede in der Schwerpunktsetzung: Der eine ist mehr auf Performance spezialisiert, der andere geht mehr in den Rehabereich. Deswegen gab es auch noch nie grössere Reibereien.
Natürlich legen wir aber auch verstärkt Wert auf den Austausch. Aus diesem Grund gibt es auch einen «Feedbackclub» sowie regelmässige Meetings.
Ihr setzt also zu 100 Prozent auf den Co-Working-Gedanken?
Dominik Simmen: Nein, wir haben auch in verschiedenen Bereichen Mitarbeitende, zum einen in der EDV-Abteilung und zum anderen auf der Trainingsfläche und an der Theke. Kommt ein Neukunde zu uns und möchte ein Abonnement abschliessen, wird er von einem unserer angestellten Trainer betreut. Das sind insgesamt vier sehr gut ausgebildete Coaches, die die Einführung der Trainierenden übernehmen und von neun bis 21 Uhr präsent sind – schliesslich haben wir auch viele Kunden, die einfach so ohne Personal Trainer unser Angebot nutzen. Und wir haben neben den eingemieteten auch auf Stundenbasis angestellte Gruppenfitnesscoaches.
Wenn ihr eine solche Bandbreite an Fitnessangeboten habt und dort offensichtlich auch euer Schwerpunkt liegt, warum heisst euer Studio dann «Kraftakt SportHub» und nicht «FitnessHub»?
Dominik Simmen: Der Begriff «Sport» ist für uns der Oberbe-griff, der nicht nur Ernährung oder nur Training, sondern auch Spass und Freude an der Bewegung mit sich bringt. Und wir wollten einen Begriff, mit dem auch diejenigen etwas anfangen können, die die englische Sprache nicht so gut beherrschen. Deswegen ging z. B. «HealthHub» für uns auch nicht.
Michel Mäder: Unser Fokus liegt zwar auf Fitnesstraining, aber wir haben auch eine Velogruppe, eine Laufgruppe, eine Skisportgruppe und eine Walkinggruppe. Deshalb ist der Name weit gefasst.
Ihr versucht also, mit eurem Namen alles abzudecken. Wie sieht das hinsichtlich eurer Zielgruppe aus?
Michel Mäder: Natürlich sind wir mit unserem Marketing und auch dem Angebot an sich sehr breit aufgestellt. Aber aufgrund der Zusammenarbeit mit den eingemieteten Expertinnen und Experten vereinen wir im Endeffekt eher ganz viele spitze Zielgruppen unter einem Dach. Zum Beispiel ist einer unserer Personal Trainer auf Parkinsonpatienten spezialisiert. Er ist mit jedem Parkinsonverband in der Umgebung, Ärzten und den Spitälern vernetzt und bringt so diese sehr kleine Zielgruppe zu uns.
Dominik Simmen: Mit diesem System haben wir nach zwei Jahren bereits 880 Mitglieder. Hinzu kommen dann noch die Tageskunden und auch die Patienten aus der Physio- und Schmerztherapie, der Ernährungsberatung und für Massagen sowie weiterer Therapieangebote, die keine Mitgliedschaft zur Nutzung des Angebots brauchen. Wir sprechen an einem starken Tag also von ca. 300 Check-ins und das in einem Ort, der aus nur 3000 Einwohnern besteht.
Ihr habt einige sehr spezifische Angebote für Frauen, wie Beckenbodentraining, Rückbildungskurse und Angebote für Frauen in der Menopause – wie kam es dazu und wie werden die Kurse angenommen?
Gina Di Nardo: 60 Prozent unserer Mitglieder sind Frauen. Und da wir immer im sehr engen Austausch mit unseren Mitgliedern sind und auch einiges an Umfragen machen, haben wir erfahren, dass das Bedürfnis nach Kursen wie Beckenbodentraining oder Rückbildungsgymnastik sehr gross ist. Auch zur Perimenopause bzw. Menopause, die lange als Tabuthema galt, wollen Frauen nun immer mehr erfahren und auch wissen, wie sich das auf ihr Training auswirkt. Dazu haben wir im Januar z. B. auch einen Gesundheitstag gemeinsam mit einer Gynäkologin, der leitenden Ärztin des Inselspitals Bern, organisiert. Daraus ist dann auch das Abonnement «Energie und Balance» entstanden, das sich spezifisch an Frauen in der Menopause richtet.
Der Rückbildungskurs wird von einer ausgebildeten Hebamme geleitet, die sich bei uns eingemietet hat. Dadurch ist der Kurs auch immer gut besucht, weil sie ihre eigenen Klientinnen mitbringen kann und zusätzlich auch unsere Kundinnen von dem Angebot profitieren können. Das Gute für uns an dieser Zusammenarbeit ist, dass wir über den Rückbildungskurs auch viele Neumitglieder gewinnen, die nach der Schwangerschaft und dem Wochenbett wieder langsam ins Training einsteigen wollen.
Gina, du hast es gerade schon erwähnt: Ihr unternehmt Umfragen, um euer Angebot stetig an die Bedürfnisse der Mitglieder anzupassen. Wie entscheidet ihr, was ins Pro-gramm mit aufgenommen wird, und wie läuft das dann im Co-Working-System ab?
Gina Di Nardo: Wir springen nicht auf jeden Trend auf. Schliesslich müssen wir sichergehen, dass das Angebot zu uns, zu unserem Konzept und zu unseren Mitgliedern passt. Spiegelt die Umfrage aber einen grossen Bedarf wider, dann versuchen wir, die Spezialisten zu diesem Thema an Land zu ziehen. Kommt ein Trainer mit einem spezifischen Angebot auf uns zu und möchte bei uns mitmachen, prüfen wir natürlich zunächst den Hintergrund dieser Person, ihre Ausbildungen, ihr Auftreten und ihre Kompatibilität mit uns und den anderen Mietern.
Wo liegen die Grenzen eures Co-Working-Konzeptes? Was funktioniert bei euch im Gegensatz zu einem herkömmlichen Fitnessstudio vielleicht auch nicht?
Michel Mäder: Es gab schon das ein oder andere, das nicht so geklappt hat, wie wir uns das vorgestellt haben. Aber das haben wir wieder verdrängt. (lacht)
Dominik Simmen: Bei den Groupfitnesskursen haben wir angenommen, dass sich mehr Trainer mit unterschiedlichen Formaten einmieten, als es aktuell der Fall ist. Gerade diejenigen, die direkt zu Beginn dabei waren, haben den Aufwand als selbstständige Groupfitnesstrainer unterschätzt. Sie mussten erst einmal genügend Kursteilnehmer zusammenbekommen und dann auch ein gutes Kursformat anbieten, das ständig nachgefragt wird. Da haben wir, aber auch unsere Mieter am Anfang einige Rückschläge erlitten. Allerdings sind genau das auch die Erfahrungen und Learnings, die es braucht, um sein Angebot nachhaltig aufstellen zu können.
Unterstützt ihr neue Trainer und Trainerinnen bei der Etablierung ihres Angebots in eurem Studio?
Dominik Simmen: Wir sind ein Start-up und das gilt auch für unsere Mieter. Viele sind gerade dabei, in der Branche Fuss zu fassen. Und um sie zu unterstützen, geben wir am Anfang immer einen Mietnachlass und machen natürlich auch Werbung für das neue Angebot – das ist ja auch in unserem Sinne.
Gina Di Nardo: Bei unserem Beckenbodenkurs haben wir drei Wochen vor Kursbeginn mit der Werbekampagne gestartet – wir müssen das alles genau koordinieren, weil wir aufgrund der Vielzahl an Angeboten nicht alle auf einmal bewerben können. Und passend zum Start des Kurses waren alle Plätze belegt. Das ist schon cool, wenn man merkt, dass die Marketingmaschinerie so gut funktioniert.
Euer Co-Working-Space zeichnet sich durch ein grosses Angebot aus, das ganz viele spitze Zielgruppen in sich vereint und entsprechend auf Individualität und Persönlichkeit ausgelegt ist. Wie passen die Digitalisierung von Trainingsplänen, Abläufen und unbetreute Öffnungszeiten in das Konzept?
Dominik Simmen: Das passt optimal. Unsere Mitarbeiter sehen bei jedem Check-in direkt auf dem Handy oder auf dem Display hinter der Theke die wichtigsten personenbezogenen Daten. So können sie jeden direkt mit Vornamen begrüssen und vielleicht gerade noch zum Geburtstag gratulieren. Wir sehen, wann die Person zuletzt trainiert hat, und können sie womöglich auch direkt ansprechen, wenn das letzte Training schon etwas her ist. Bei 880 Mitgliedern kann man nicht jedes persönlich kennen, erst recht nicht, wenn neue Mitarbeiter eingearbeitet werden.
Unsere Kunden haben alle ihren persönlichen Badge, den sie auch mit Geld aufladen können, um zusätzliche Dienstleistungen zu beziehen. Mit dem Badge erhalten sie Zugang zum Studio, was die langen Öffnungszeiten möglich macht, und können in verschiedene Bereiche eintreten. Aktuell prüfen wir, ob wir in naher Zukunft Wellness anbieten könnten. Mit dem entsprechenden Abo könnte man dann den Zugang steuern. Und all das wäre gar nicht möglich ohne die Digitalisierung. Das schliesst aber die persönliche Betreuung nicht aus.
Michel Mäder: Wir nutzen die Digitalisierung nicht, um Personal zu sparen, sondern um das Kundenerlebnis noch besser zu machen. Obwohl unbetreute Öffnungszeiten als Gegensatz erscheinen, haben wir bei Umfragen festgestellt, dass ein grosser Bedarf nach langen Trainingszeiten herrscht. Und da man dennoch die Zertifizierung und Krankenkassenanerkennung erhält, konnten wir dem Wunsch unserer Mitglieder gut nachkommen. Natürlich sind die Trainingsflächen und der Eingangsbereich videoüberwacht und es gibt ein Notfalltelefon.
Der Co-Working-Space ist also ein Zukunftsmodell?
Michel Mäder: Ja, auf jeden Fall!
Wird es dann bald ein zweites Kraftakt geben?
Gina Di Nardo: Wenn es gut läuft, dann vielleicht.
Dominik Simmen: Wir sind ja aktuell immer noch ein Start-up. Deswegen schauen wir erst einmal, was die Zukunft bringt.
ÜBER DIE INTERVIEWPARTNER
Bereits 2013 starteten Gina Di Nardo, Michel Mäder und Dominik Simmen mit verschiedenen Fitnessevents im In- und Ausland. Im Januar 2022 entschieden sie sich dazu, ihrer Community eine feste Anlaufstelle mit dem Kraftakt SportHub zu liefern, dem ersten Co-Working-Space in der Schweiz für Fitness-, Sport- und Gesundheitsdienstleistende. Die Aufgaben zur Leitung dieses aussergewöhnlichen Fitnessstudios sind klar verteilt: Ginas Fokus liegt auf allen sportlichen Aspekten, denn sie verfügt über eine Vielzahl an Fitness- und Groupfitnessausbildungen und hat schon einige Fitnessprogramme selbst entwickelt. Mit 15 Jahren Erfahrung in der Eventbranche ist Michel der Mann fürs Marketing, Eventmanagement und die Partnerbetreuung. Der Betriebsökonom und eidg. Diplom-Informatiker Dominik Simmen ist für Finanzen und HR zuständig.
Der Kraftakt SportHub selbst bietet aktuell 880 Mitgliedern von 14 bis 89 Jahren auf einer Fläche von 2000 Quadratmetern alles rund um Gerätetraining, Gruppenfitness, Aktivferien, Fitnessevents und sogar Velo- und Laufgruppen. Die Mitglieder selbst sind von der herzlichen und warmen Atmosphäre des Studios und dem freundschaftlichen Miteinander auf Augenhöhe begeistert. Um dieses Ambiente zu erhalten, legt die Geschäftsleitung selbst viel Wert darauf, dass jedes Mitglied mit Namen gegrüsst wird und die Trainer aktiv auf ihre Kundschaft zugehen.