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Damit Vorträge die gewünschte Wirkung haben…

«Nachdem wir uns aufgrund Covid 19 auf Outdoor Sport fokussiert haben, nehmen wir das Training in Ihrem Fitnessclub nicht mehr in Anspruch. Somit kündigen wir unsere Mitgliedschaft . . . Ihr seid ein Spitzenteam, werden euch gerne weiterempfehlen, nur wir haben uns für eine andere Form von Bewegung (im Freien) entschieden. Mit der Bitte um Rückbestätigung, alles erdenklich Gute und weiterhin viel Erfolg.»

Diese Kündigung ist real. Sie zeigt uns die hohe Wertschätzung unserer Mitglieder – und gemeinsam mit ihr erhalten wir ihre Kündigung. Eine deprimierende Erfahrung, die in ähnlicher Weise wohl auch Marc Aurel schon machen musste. Seine Lehre daraus lautet:

«Ertrage es oder unterrichte sie!»

Mit dem Unterrichten ist es allerdings wie mit dem Training: Will man Wirkung erzielen, muss man die Regeln kennen. Und es ist ratsam, sie zu befolgen. Sonst richtet man schnell mehr Schaden an, als man Nutzen erzielt. In meinem letzten Beitrag habe ich deshalb eine dieser Regeln vorgestellt:

Das Prinzip der Zielgerichtetheit.

Das Prinzip der Zielgerichtetheit zählt zu den didaktischen Prinzipien. Es beschreibt die Tatsache, dass der Lehrstoff auf ein gewisses Ziel hin ausgerichtet sein muss. Ist das Ziel des Unterrichts zum Beispiel, die Menschen von «Gesundheit durch Bewegung und eine gesunde Ernährung» zu überzeugen, verhindert ein solcher Unterricht Kündigungen wie die obige nicht, sondern er wird zu solchen Kündigungen führen. Denn «Gesundheit» zu erlangen durch mehr Bewegung und eine gesündere Ernährung, ist im Verständnis der Menschen sowieso schon breit und fest verankert. Halten auch wir nun noch Vorträge über Ernährung und stellen unsere Trainingsgeräte als Geräte für das Training des Herz-Kreislaufsystems, des Stoffwechsels, des Rücken-, Gelenk- oder Faszientrainings oder – aus aktuellem Anlass – für das Training des Immunsystems dar, entspricht das der sowieso bereits verinnerlichten Idee unserer Kunden, sie blieben gesund, nur weil sie sich mehr bewegen und gesund ernähren. Und die Konsequenz, die sie daraus ziehen werden, ist, «Bewegung im Freien» sei in Zeiten der Pandemie wahrscheinlich sogar noch die bessere Idee. Deshalb finden unsere Kunden unseren Unterricht gut, aber als Ergebnis daraus kündigen sie. Denn wenn Bewegung draussen an der frischen Luft gesünder ist und gesund ernähren können sie sich schliesslich auch zu Hause, wozu bedarf es dann noch einer Mitgliedschaft in einem Fitnessclub?

Es ist also wie im Training: Ich kann jahrelang Gewichte stemmen und auf dem Laufband laufen: Kenne ich die Regeln nicht, führen all meine Anstrengungen zu nichts. Im schlimmsten Falle füge ich mir selbst sogar noch Schaden zu. Und was für das Training gilt, gilt auch für den Unterricht. Kenne und beachte ich die Regeln des Unterrichtens nicht, geht der Schuss auch schnell mal nach hinten los. So weiss zum Beispiel jeder, der meine Vorträge kennt, dass «Bewegung noch kein Training ist» und dass «in meinem Vortrag über Ernährung Ernährung keine Rolle spielt». Ziel des Trainings ist nicht «Bewegung», sondern ein gezielter und dosierter «Wachstumsreiz». Und dosiert und gezielt lassen sich «Wachstumsreize» nur setzen durch ein gutdosiertes Muskeltraining. Und Muskeltraining geht nirgendwo besser als an den speziell für das Muskeltraining entwickelten Geräten. Deshalb haben wir für unsere Kunden in diese Geräte unser Geld investiert. Und deshalb sollte in unseren Vorträgen weder Bewegung noch frisches Gemüse im Fokus stehen, sondern ganz allein der einzigartige Nutzen eines regelmässigen, gezielten und dosierten Muskeltrainings.

Jeder Vortrag im Fitnessclub, der nicht zum Ziel hat, die Menschen davon zu überzeugen, dass sie dem Niedergang im Alter nur durch gezielte Wachstumsreize entgegenwirken können, sind für den Fitnessclub, der sein Geld in Geräte für den Muskelaufbau investiert hat, nicht nur nutzlos, sondern kontraproduktiv.

Aber es gibt noch weitere Prinzipien, die beachtet sein wollen, wenn man mit seinem Unterricht die gewünschte Wirkung erzielen will. Neben den didaktischen Prinzipien zählen dazu zum Beispiel die Prinzipien der Hermeneutik. Mit anderen Worten: Die Prinzipien der Auslegung und Erklärung von Texten.

Die Prinzipien der Hermeneutik beschäftigen sich mit der Gesamtsituation, in der der Mensch Informationen aufnimmt. Zum Beispiel bringt es nicht mehr viel, den Kunden anzurufen, wenn die Kündigung bereits bei uns auf dem Tisch liegt. Denn zur «Gesamtsituation» gehört unter anderem auch, «wann» die Information erfolgt. Liegt dem Club die Kündigung des Mitglieds bereits vor, dürfte die «Auslegung und Erklärung des Textes» für das Mitglied vor allem unter dem Aspekt seiner Kündigung stehen. Und dann wird es schwierig, da noch irgendetwas umzudrehen. 

Im Sinne der Hermeneutik ist es aber nicht nur entscheidend, «wann» die Information erfolgt. Für den Informationsgehalt ist es ebenso wichtig, wer was sagt, wie und wo er es sagt – und vor allem: Warum er es sagt. Mit der Erfassung der Gesamtsituation ist für die Zuhörer oft schon alles gesagt, noch bevor wir angefangen haben, zu sprechen. Dazu einige Beispiele:

«Wer» ist das, der da was sagt? Gehört dem zum Beispiel der Fitness-club, in dem wir uns befinden? Dann ist mit dem «wer» es sagt und «wo» er es sagt, auch weitestgehend klar, «was» er sagen wird:

«Werden Sie Mitglied in unserem Fitnessclub, denn nur so werden sie Erlösung erlangen von Ihrem Leid! – Amen!»

«Was» gesagt wird versteht der Kunde also zuerst einmal unter dem Aspekt, «wer» es sagt. Und aus dem «wer» und «wo» ergibt sich zu einem erheblichen Teil bereits, «warum» er es sagt. Allein unter diesem Gesichtspunkt ist gerade zu Beginn der grosse Nutzen zu verstehen, den die Fürsprache durch eine Vertrauensperson hat. Denn ist das Vertrauen zum Sprecher selbst noch nicht vorhanden, sondern muss im Vortrag erst aufgebaut werden, muss der Vortragende rhetorisch schon sehr gut aufgestellt sein, damit die Wirkung des Vortrags nicht allein aufgrund der Gesamtsituation, in der der Kunde ihn versteht, wie eine Seifenblase verpufft.

«Wer sagt was, und warum sagt er das!» Dieser Merksatz umreisst das Prinzip der Hermeneutik sehr gut. Denn existiert zwischen Sprecher und Publikum kein Vertrauensverhältnis, wird die Frage, ob er das Vertrauen seiner Zuhörer dennoch gewinnen kann, allein davon abhängen, «wie» er es sagt. Dazu ein Spruch von Joseph Pulitzer. Nach ihm ist der Pulitzer-Preis benannt, der als Medienpreis für Belletristik vergeben wird, vergleichbar mit dem Oscar in der Filmbranche. Diese Koryphäe der Literatur sagt:   

Schreibe kurz – und sie werden es lesen.

Schreibe klar – und sie werden es verstehen.

Schreibe bildhaft – und sie werden es im Gedächtnis behalten.

Auf den Vortrag übertragen heisst das:

Fasse dich kurz – und sie werden dir zuhören.

Strukturiere deinen Vortrag gut – und sie werden dich verstehen.

Spreche in Bildern – und sie werden es in Erinnerung behalten.

Sprechen Sie in Bildern – und Ihre Zuhörer werden vor allem Sie in Erinnerung behalten. Und genau darauf kommt es an. Denn das Ziel unserer Vorträge ist, unsere Zuhörer für unsere Gemeinschaft zu gewinnen. Zweck dieser Gemeinschaft ist es, dem Niedergang im Alter durch gezielte Wachstumsreize entgegenzuwirken. Nur so werden wir unsere letzten Lebensjahre – oder Jahrzehnte – nicht in Pflege zubringen, sondern auch im hohen Alter noch ein kraft- und würdevolles Leben führen. Schaffen wir es, hinter diesem Zweck die Menschen zu vereinen, werden wir unschlagbar sein. Ganz egal, ob im Wettbewerb zu «gesunder Ernährung» und zu «Bewegung» oder auch zu «Online-Influencern» und «Billiganbietern».

Nebenbei bemerkt: Ihre Zuhörer als Teil Ihrer Gemeinschaft zu gewinnen, das ist der grösste Nutzen, den Sie aus Ihrem Unterricht ziehen werden. Und diesen Nutzen verschenken Sie, wenn Sie das Unterrichten den «Erklär-Videos» oder «Influencern» im Internet überlassen. Eine Gemeinschaft zu gründen wird Ihnen nur gelingen, wenn die Menschen zu Ihnen persönlich eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen. Und das schaffen Sie nicht, indem es andere für Sie tun. Dafür werden Sie selbst aktiv werden müssen. Und damit Sie einen wirtschaftlichen Nutzen daraus ziehen, erwerben Sie die Fähigkeit, Ihrer Persönlichkeit durch professionelle Vorträge Reichweite zu verleihen.

Und vielleicht noch ein Hinweis zum Schluss: Das Prinzip der Hermeneutik umfasst nicht nur die Situation während des Vortrags. Die Einschätzung der «Gesamtsituation» entscheidet auch darüber, ob die Menschen der Einladung zu Ihren Vorträgen überhaupt folgen. Und deshalb ist es wichtig, Ihrem Vortrag das richtige Erscheinungsbild zu geben. Denn Sie können moderieren, präsentieren oder referieren, aber so richtig erfolgreich werden sie nur werden, wenn Sie es verstehen, zu inszenieren.

Moderieren heisst, den Inhalt eines Vortrages in einen Zusammenhang zu stellen. Zum Beispiel den Trainings-Vortrag eines externen Experten zum Erwerb Ihrer neuen Geräte. Damit nämlich der Vortrag nicht als «produktbezogen» empfunden wird, sollte erst über die Moderation die Verbindung zwischen Thema und Produkt hergestellt werden. Damit bleibt der Vortrag glaubwürdig und Ihr Vertrauensverhältnis zu Ihren Kunden wird nicht untergraben. Deshalb ist mir, wenn ich bei Ihnen einen Vortrag halte, auch Ihre Moderation so wichtig.

Im Zentrum einer «Präsentation» dagegen steht ein Produkt. Folglich kommt zu einer Präsentation nur, wer sich für das Produkt interessiert. Wer sich für das Produkt nicht interessiert, der geht auch nicht hin. Bei einer Präsentation ist also das direkte Interesse am Produkt der Zweck meiner Teilnahme. Darf ich das Produkt gar nicht kaufen, sondern nur nutzen, zum Beispiel ein Trainingsgerät für mein Training, ist das Produkt nur noch Mittel zum Zweck. Entsprechend geringer ist mein Interesse, es mir auf einer Präsentation vorstellen zu lassen. In diesem Fall ist das Referat die geeignete Form. Beim Referat steht nicht mehr das Produkt im Mittelpunkt, sondern ein Thema. Das Produkt spielt bestenfalls noch als geeignetes Werkzeug am Rande hinein. Aber auch zu einem Referat werden nur die erscheinen, die sich für das Thema interessieren. Wer sich also zum Beispiel für das Muskeltraining nicht interessiert, wird auch zu keinem Vortrag gehen, der Muskeltraining zum Thema hat. Erst in der Inszenierung geht es weder um ein Produkt, noch um ein Thema. In einer Inszenierung ist der Zuhörer selbst Held in seiner Story und steht damit im Mittelpunkt. Und deshalb werden Sie nur mit Inszenierungen die Zuhörer abholen, die Sie für Ihre Gemeinschaft gewinnen wollen. Denn alle anderen sind ja sowieso schon da. Wenn Sie also Trainingsgeräte verkaufen wollen, präsentieren Sie sie, wenn Sie Ihren Mitgliedern das Training an Ihren Geräten näherbringen wollen, referieren Sie. Aber wenn Sie neue Mitglieder für Ihre Gemeinschaft gewinnen wollen, dann inszenieren Sie. Schreiben Sie für Ihre Mitglieder eine spannende Story, denn neun von Billy Wilders 10 Regeln zum Schreiben von Stories lauten:

«Du sollst nicht langweilen!»

In diesem Sinne freue ich mich über Ihre Einladungen zu einem Endverbraucher-Vortrag in Ihrem Fitness-club oder auf Ihre Teilnahme an einer meiner nächsten Schulungen im Rahmen der EGYM-Masterausbildung. Am besten kommen Sie gleich auf die nächste…

Andreas Bredenkamp

Jahrgang 1959

Studierte Germanistik und Sport, Autor des Buches „Erfolgreich trainieren“ und des „Fitnessführerscheins“