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Auswahl und Verteilung von Ausdauertrainingsmethoden

Belastungssteuerung auf Basis des metabolischen Profils

Das metabolische Profil einer Person beschreibt gewisse Charakteristika der Energiebereitstellung bei körperlicher Belastung. Durch die Ermittlung solcher Profile können Ausdauertrainingsmethoden in verschiedene Intensitätsbereiche aufgeteilt und individuell gesteuert werden, um die Effektivität zu optimieren.

Die Belastungssteuerung im Ausdauertraining erfolgt auf Basis bestimmter Kenngrössen der Energiebereitstellung. In Theorie und Praxis des Trainings zur Verbesserung der Ausdauerleistungsfähigkeit werden die verwendeten Trainingsmethoden üblicherweise in verschiedene Zonen bzw. Trainingsbereiche eingeteilt, die sich hinsichtlich ihrer primären Beanspruchung der Energiebereitstellungssysteme unterscheiden (Kenneally, Casado & Santos-Concejero, 2018).

Trainingszonen auf Basis des metabolischen Profils

Um die Belastung im Ausdauertraining gezielt steuern zu können, erscheint es demnach sinnvoll, zuerst das metabolische Profil der Trainierenden zu bestimmen. Dies geschieht in der Regel durch eine sportmedizinische Leistungsdiagnostik, beispielsweise mittels Laktatmessungen und Atemgasanalyse (Spiroergometrie) (Fünten, Faude, Skorski & Meyer, 2022, S. 200–203). Allerdings gibt es mittlerweile auch vereinfachte diagnostische Verfahren zur Ermittlung dieser Daten, um eine individualisierte Belastungssteuerung im Ausdauertraining auch ohne sportmedizinische Leistungsdiagnostik zu ermöglichen. Beispielsweise existieren hierfür moderne Softwarelösungen, die anhand verschiedener maximaler Leistungstests verlässliche Werte zur Bestimmung eines metabolischen Profils liefern können, ohne auf aufwendige und kostenintensive Geräte und Analysen angewiesen zu sein. Dies ermöglicht, dass Athleten und Athletinnen nicht mehr zwingend im Labor erscheinen müssen, sondern die Erhebung der relevanten Parameter unter fachkundiger Anleitung direkt am Trainingsort bzw. im Fitnesscenter erfolgen kann.

Neben der Bestimmung der VO2max und des maximalen Laktat-Steady-State werden oft auch die Laktatschwellen (aerobe Schwelle, alt.: «LT1» und anaerobe Schwelle, alt.: «LT2») ermittelt (Faude, Kindermann & Meyer, 2009). Mit diesen Werten kann man das metabolische Profil einer Person in drei Zonen einteilen und individuelle Empfehlungen zur gezielten Belastungssteuerung festlegen (Fünten, Faude, Skorski & Meyer, 2022, S. 212–214).

Die Laktatschwelle 1 (LT1) kennzeichnet die Intensität während körperlicher Belastung, bei der die Laktatproduktion im Körper erstmalig über die Ruhewerte ansteigt, was als erster Knick in der Laktatleistungskurve sichtbar ist (Abb. 1). Dieser Punkt wird auch als aerobe Schwelle bezeichnet und entspricht einer geringen Intensität des Trainings, die ein Athlet über einen langen Zeitraum ohne grosse Anstrengung aufrechterhalten kann.

Die Laktatschwelle 2 (LT2) beschreibt die höchstmögliche Belastungsintensität, bei der die Laktatbildung und -elimination gerade noch im Gleichgewicht (maximales Laktat-Steady-State [MLSS]) sind. Bewegt man sich mit einer höheren Intensität (über der LT2), übersteigt die Laktatproduktion den Laktatabbau, was zu einer Anhäufung von Laktat im Blut führt. Dieser Punkt wird auch als anaerobe Schwelle bezeichnet und entspricht einer hohen Intensität des Trainings, die ein Athlet nur für eine sehr begrenzte Zeit aufrechterhalten kann, bevor er ermüdet. In der Laktatleistungskurve ist die LT2 als zweiter Knick ersichtlich (Abb. 1) (Fünten, Faude, Skorski & Meyer, 2022, S. 212).

Auswahl und Verteilung der Trainingsmethoden

Das Wissen um die Laktatschwellen ist nützlich, um Trainingsmethoden in bestimmte Zonen bzw. Bereiche einzuordnen und zielspezifische Methoden für die Trainingsplanung auswählen zu können.

Durch die Kenntnis über die individuellen Belastungsintensitäten bei LT1 und LT2 können nun ein metabolisches Profil der Person erstellt und die entsprechenden Trainingszonen definiert werden. Basierend auf dem individuellen metabolischen Profil und der jeweiligen Zielsetzung des Trainings kann dann mit verschiedenen Trainingsmethoden gearbeitet werden, um die gewünschten Trainingsadaptionen auszulösen (Fünten, Faude, Skorski & Meyer, 2022, S. 212–214). In Abbildung 1 wurde dies exemplarisch folgendermassen festgelegt:

  • Zone 1: <200 W – regeneratives und niedrig intensives Ausdauertraining; wird auch als Regenerations- und Kompensationsbereich
  • Zone 2: 200–300 W – moderates bis intensives Ausdauertraining mit Dauerbelastungen von bis zu 90 Minuten; wird auch als Entwicklungsbereich bezeichnet.
  • Zone 3: >300 W – kurze Belastungen mit sehr hohen bis maximalen Intensitäten; wird auch als Spitzenbereich bezeichnet

Zyklische Ausdauersportarten wie Laufen, Radfahren oder Schwimmen erfordern eine systematische Auswahl und Verteilung der Trainingsmethoden, um Trainingseffekte zu optimieren. Zwei beliebte Herangehensweisen zur Verteilung des Gesamttrainingsvolumens auf verschiedene Intensitätszonen stellen in diesem Kontext das polarisierte Training (engl.: polarized training) und das pyramidale Training (engl.: pyramidal training) dar, aus denen in der Praxis viele weitere Methoden und Mischformen abgeleitet wurden (Filipas, Bonato, Gallo & Codella, 2022; Rosenblat, Perrotta & Vicenzino, 2019).

Das polarisierte Training

Das polarisierte Training zeichnet sich dadurch aus, dass ausschliesslich niedrig bis moderat intensive Belastungen in Zone 1 sowie hohe Intensitäten in Zone 3 geplant werden, während Zone 2 im Training keine Berücksichtigung findet (Seiler & Kjerland, 2006). Bei diesem Ansatz werden beispielsweise ca. 80 bis 90 Prozent des Trainings mit geringer Intensität in Zone 1 absolviert, während die verbleibenden ca. 10 bis 20 Prozent als hochintensive Belastungen ausschliesslich in der Zone 3 stattfinden (Abb. 2). Diese Methode hat sich für viele Athleten als effektiver Ansatz zur Verbesserung ihrer Leistung erwiesen und wird mittlerweile häufig angewendet (Rosenblat, Perrotta & Vicenzino, 2019). Die Idee hinter dem polarisierten Ansatz ist, dass der Fettstoffwechsel durch den hohen Anteil kontinuierlicher Belastungen mit moderaten Intensitäten optimiert werden soll. Ein geringerer Anteil an Trainingseinheiten mit hoher bis maximaler Intensität wird geplant, um die VO2max und die anaerobe Kapazität zu verbessern (Laursen & Jenkins, 2002; Milanovic, Sporiš & Weston, 2015). Dieser Ansatz soll ausserdem dazu beitragen, Übertraining und Verletzungen zu vermeiden, weil dadurch ausreichend viel Regenerationskapazität geschaffen wird, um sich von hochintensiven Einheiten zu erholen.

Das pyramidale Training

Das pyramidale Training hingegen bezieht sich auf eine Trai- ningsmethode, bei der die Trainingsbelastung auf alle drei Zonen mit geringer, mittlerer und hoher Intensität aufgeteilt wird (Filipas, Bonato, Gallo & Codella, 2022). Wie beim polarisierten Training findet auch hier der Grossteil des Trainings bei geringer Intensität statt (ca. 60–70 %), jedoch wird beim pyramidalen Ansatz auch ein signifikanter Teil des Trainingsvolumens bei mittlerer Intensität absolviert (ca. 15–25 %) und nur ein sehr kleiner Teil (ca. 0–10 %) bei hoher Intensität (Abb. 3). Dieser Ansatz kann insbesondere bei leistungsorientierten Ausdauersportlerinnen und -sportlern zur Vorbereitung auf Wettkampfleistungen sinnvoll sein, da hierbei eine wesentliche Zeit mit dem Wettkampftempo (an bzw. knapp unter der anaeroben Schwelle [LT2]) trainiert wird (Selles-Perez, Fernández-Sáez & Cejuela, 2019).

Ein potenzieller Nachteil des pyramidalen Trainings besteht jedoch darin, dass es zumindest in der Theorie leichter zu Überlastungserscheinungen bis hin zu Übertraining führen kann, da insgesamt ein deutlich grösserer Anteil des Trainings (30–40 %) mit höheren Intensitäten absolviert wird. Aus diesem Grund sollte bei Anwendung des pyramidalen Ansatzes ein besonderes Augenmerk auf der Sicherstellung eines adäquaten Regenerationsmanagements liegen.

Polarisiertes vs. pyramidales Training

Bei der Gegenüberstellung beider Ansätze zur Verteilung des Trainingsvolumens auf verschiedene Trainingszonen bzw. Intensitätsbereiche muss festgehalten werden, dass beide Herangehensweisen gewisse Vor- und Nachteile haben, weshalb es keinen pauschal «richtigen» oder «falschen» Ansatz gibt. Sowohl das polarisierte als auch das pyramidale Training gelten gegenüber einem reinen «Schwellentraining», das ausschliesslich an oder um die anaerobe Schwelle absolviert wird, hinsichtlich der Verbesserung der Ausdauerleistung als überlegen (Keneally, Casado & Santos-Concejero, 2018; Rosenblat, Perrotta & Vicenzino, 2019). Letztendlich sollte die Entscheidung zwischen beiden Ansätzen nicht nur von deren Effektivität, sondern insbesondere auch von der individuellen Zielsetzung, dem Ausgangsniveau der Leistungsfähigkeit, der zeitlichen Verfügbarkeit sowie den persönlichen Vorlieben abhängig gemacht werden. Wenn jedoch lediglich eine Verbesserung der allgemeinen Fitness und Leistungsfähigkeit angestrebt wird, könnte das polarisierte Prinzip der effektivere Ansatz sein. Trainiert man jedoch auf eine bestimmte körperliche Herausforderung oder einen Wettkampf hin, könnte das pyramidale Prinzip die bessere Wahl darstellen. Unabhängig davon, welcher Ansatz angewendet wird, sollte regelmässig das Feedback der Trainierenden eingeholt und erneute Leistungstests durchgeführt werden, um feststellen zu können, ob der eingeschlagene Weg die gewünschten Effekte hervorruft. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse können dann dazu verwendet werden, das Training für den nachfolgenden Trainingszyklus anzupassen oder gegebenenfalls den Ansatz zu wechseln.

Eine Kombination aus beiden Methoden kann auch eine effektive Möglichkeit sein, die Vorteile beider Ansätze zu nutzen. So hat sich im Ausdauersport bewährt, vom polarisierten Prinzip in der Saisonvorbereitung zu einem pyramidalen Prinzip in der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung überzugehen.

Fazit

Die Trainingsplanung auf Grundlage des individuellen metabolischen Profils ermöglicht die präzise Steuerung und Verteilung der Trainingseinheiten in verschiedenen Intensitätsbereichen bzw. Trainingszonen. Dabei gibt es keine eindeutige Antwort darauf, ob bzw. für wen das polarisierte oder das pyramidale Training der bessere Ansatz ist, da jede Person unterschiedliche Bedürfnisse und Ziele hat. Neben dem Training müssen auch andere Faktoren wie Ernährung, Erholung und Schlaf berücksichtigt werden. Ein ausgewogener Ansatz, der alle diese Faktoren berücksichtigt, kann dazu beitragen, die Leistung und Gesundheit langfristig optimal zu verbessern. Durch die Vielzahl der einflussnehmenden Faktoren ist es insbesondere bei der Anwendung komplexerer Trainingsansätze unerlässlich, professionelle Unterstützung durch entsprechend qualifizierte Fachkräfte für die Testung sowie die Trainingsplanung und -betreuung in Anspruch zu nehmen.

Dan Aeschlimann

Dan Aeschlimann ist Gründer der Azum system AG, einem Unternehmen für Sportcoachingsoftware, und der MY sport GmbH, die Coaching für Ausdauersportler anbietet. Vor seiner Zeit als Coach und Unternehmer war Dan Aeschlimann professioneller Strassenradfahrer. www.safs.com

Donnerstag, 20. Juli 2023

Auszug aus der Literaturliste

Filipas, L., Bonato, M., Gallo, G. & Codella, R. (2022). Effects of 16 weeks of pyramidal and polarized training intensity distributions in well-trained endurance runners. Scandinavian Journal of Medicine & science in sports, 32 (3), 498–511.

Rosenblat, M. A., Perrotta, A. S. & Vicenzino, B. (2019). Polarized vs. Threshold Training Intensity Distribution on Endurance Sport Performance: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. Journal of strength and conditioning research / National Strength & Conditioning Association, 33 (12), 3491–3500.

Seiler, S., & Kjerland, G. Ø. (2006). Quantifying training intensity distribution in elite endurance athletes: is there evidence for an “optimal” distribution?. Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports, 16(1), 49–56.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte info@fitness-tribune.com