Wichtiger als ein Impfstoff ist ein besserer Gesundheitszustand der Bevölkerung
5. Juni 2020
Was lernen wir aus den COVID-19 Todesfällen in der Schweiz in Zusammenhang mit deren Vorerkrankungen?
5. Juni 2020

Kundenrückgewinnung Nutzen Sie Ihre Chance und holen Sie sich das Vertrauen Ihrer Kunden zurück

Abbildung 1: Elemente der CRM Strategie Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf Georgi/Mink 2011, S. 62

Die Corona-Krise und der damit verbundene Lockdown prägen das Geschehen der Fitnessbranche. Viele Unternehmer und Centerleiter beschäftigen sich derzeit mit der Frage, wie sie die Kunden auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zurückgewinnen, neu begeistern und binden können. Mit einem professionellen Kundenbeziehungsmanagement sind auch die Fitnesscenter in der Lage, ihre Kundenbeziehungen besser zu steuern.

Kundenbeziehungsmanagement

Die Kundenbeziehungsstrategie ist entsprechend der Strategie, die das Unternehmen verfolgt, formuliert. In einer Kundenbeziehungsstrategie wird festgelegt, welche Kundengruppen das Unternehmen bearbeiten möchte. Gleiches gilt für die Kommunikationskanäle, mit denen das Unternehmen die Kundengruppen bearbeiten möchte und welche Marketinginstrumente dazu verwendet werden. Für eine derartige Strategie braucht das Unternehmen die organisatorischen Rahmenbedingungen. Das schliesst natürlich auch eine entsprechende Qualifikationen und Kompetenz des Personals mit ein.

Abbildung 1: Elemente der CRM Strategie
Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf Georgi/Mink 2011, S. 62

Das Ziel der Strategie ist die Maximierung des Kundenwertes, der durch ein gesamtheitliches Kundenbeziehungsmanagement (CRM) im Unternehmen umgesetzt wird. Die Konzepte der Umsetzung beschäftigen sich mit den verschiedenen Komponenten der Kundenbeziehung und haben die Zielsetzung die Kundenzufriedenheit zu steigern, um dadurch eine langfristige Kundenbindung zu erzeugen.

Mit dem Konzept einer Kundenbeziehungsstrategie, die sich auf alle Unternehmensbereiche bezieht, wird ein klassischer Wettbewerbsvorteil angestrebt. Je nachdem wie eng der Begriff der Kundenbeziehungsstrategie gefasst wird, ergeben sich unterschiedliche Massnahmen. In jedem Fall muss jedoch ein Konzept entwickelt werden, das die Ausgestaltung der Kundenbeziehungen beschreibt. Entscheidend dabei sind die Festlegung der Kundensegmente und die Instrumente, mit denen die Kunden bearbeitet werden.

Abbildung 1 fasst die Elemente der CRM Strategie zusammen. Die erste Ebene beschreibt die Prozesse. In der zweiten Ebene sind die Phasen der Kundenbeziehung dargestellt. Die Segmentierung und die Instrumente sind weitere Dimensionen der Strategie.

Rückgewinnungsmarketing

Eine zentrale Erkenntnis hinsichtlich einer nachhaltigen Geschäftsstrategie ist die Tatsache, dass langfristige Kundenbeziehungen weitaus profitabler sind, als diejenigen, die sich nur auf einzelne, eventuell zufällige Transaktionen konzentrieren. Daher sind Fitnessclubs, die keine Produkte an zufällige Passanten verkaufen, darauf angewiesen, ihre Kunden durch Abonnemente längerfristig zu binden. Dennoch besteht auch hier die Gefahr, dass Abonnemente nach dem Ende der Laufzeit nicht wieder verlängert werden und die Kunden abwandern. Kundenfluktuation ist einer der grössten Kostentreiber für Dienstleistungsunternehmen.

Abbildung 2: Kundenperspektive der Abwanderung
Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf Michalski 2002, S. 6

Die Bindung von Kunden steht daher im Zentrum einer nachhaltigen Geschäftstätigkeit, nicht die ständige Akquise von Neukunden. Zudem werden oft die Kunden, die ein Abonnement nicht verlängert haben, als verlorengegangene Kunden betrachtet, wofür keine weitere Anstrengung verschwendet wird. Das ist jedoch kontraproduktiv, da diese Kunden bereits bewiesen haben, dass in ihnen ein mögliches Geschäftspotential ruht. Wenn die Anzahl der Neukunden die Zahl der abgewanderten Kunden kompensiert, befassen sich Unternehmen oft nicht mit dem Problem. Rückgewinnungsmanagement verlangt Rückgriff auf Instrumente, die nicht notwendigerweise bekannt sind. Zudem wird die Abwanderung von Kunden schlicht ignoriert, weil sie in einer auf den geschäftlichen Erfolg konzentrierten Kultur ein Versagen darstellen. Dieses Versagen liegt den Unternehmen zufolge jedoch nicht in etwaigen falschen Produkten oder Angebote, sondern daran, dass das Unternehmen bislang die «falschen» Kunden angezogen hat. Es verwundert nicht, dass dies ein Bisschen so klingt, als fühlten sich die Unternehmen wie verschmähte Liebhaber. Während das Unternehmen die Beziehung fortsetzen möchte, ist der Kunde aus den verschiedensten Gründen nicht mehr daran interessiert. Hier muss das Unternehmen mehr über die Einflussfaktoren und die Abläufe von Abwanderungsprozessen in Erfahrung bringen. Zu untersuchen sind hierbei die Entstehung sowie die Gründe von Kundenunzufriedenheit und ob die Kunden-er-wartungen aufgrund mangelhafter Leistung nicht erfüllt wurden.

Abbildung 3: Geschäftsperspektive der Kundenbeziehungen
Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf Michalski 2002, S. 6

Wenn ein Kunde eines Fitnessclubs sein Abonnement kündigt oder nicht mehr verlängert, dann hat das wenig damit zu tun, was sich Betreiber von Fitnessclubs gerne als Alibi einreden. Selten ist das neue Discount-Fitnessstudio im Nachbarbezirk schuld und dass es zu viele Arbeitslose oder andere wirtschaftliche Gründe gibt, ist meistens auch nicht wahr. Laut Antonio Silva, international anerkannter Experte für Gesundheitswirtschaft & Fitnessstudio Consulting gibt es für gewöhnlich folgende Gründe:

  • 40% der Kunden kündigen, weil sie sich über einen Trainer oder einen Service bzw. dessen Fehlen geärgert haben. Dabei kann es sich um die Sauberkeit der Anlage, die Freundlichkeit des Personals oder den ständigen Ausfall bestimmter Kurse handeln.
  • 30% der Kunden kündigen, weil sie sich langweilen und immer wieder dasselbe sehen (z. B. den schlechten Gerätezustand oder das immer gleiche Angebot an Gruppenkursen die immer zur gleichen, nicht passenden, Zeit stattfinden).
  • 20% der Kunden kündigen, weil sie ihre Trainingsziele nicht erreicht haben bzw. nicht mehr erreichen wollen.
  • 5% der Kunden kündigen, weil sie das Training nicht mehr mit einem neuen Arbeitsplatz, einer neuen Beziehung oder einem neuen Wohnort vereinbaren können.
  • 4% der Kunden kündigen, weil sie ein neues Fitnessstudio entdeckt haben, dass Ihnen besser gefällt oder das preiswerter ist.
  • 1% der Kunden ist tot oder zu krank, um zu kündigen.

Diejenigen, die die Kundenfluktuation einfach hinnehmen, müssen mit hohen Kosten für eine nicht nachhaltige Geschäftsführung rechnen. Manche Unternehmen entwickeln wie in Abbildung 3 die gezeigten Kundentypologien, um geeignete Reaktionsmuster zu definieren.

Abbildung 4: Fehleranalyse durch Kundenrückgewinnung
Quelle: Eigene Darstellung

Informationen, die von zurückgekehrten Kunden gewonnen werden können, verraten nicht nur die Abwanderungsgründe, sondern bieten dem Unternehmen auch die Möglichkeit, die als mangelhaft empfundene Dienstleistung zu optimieren. Die Rückgewinnung der Kunden ist auch deshalb wichtig, weil bereits geringe Unzufriedenheiten, auf die nicht aktiv reagiert wurde, zur negativen Mundpropaganda der unzufriedenen Kunden führen kann. Abbildung 4 fasst die wichtigsten Bereiche zusammen, in denen Erkenntnisse durch zurückgewonnene Kunden erhalten werden können:

Ganz allgemein kann festgehalten werden, dass die Unzufriedenheit des Kunden vom Unternehmen dadurch ausgelöst werden kann, dass das Angebot des Unternehmens nicht an den Bedürfnissen der Kunden ausgerichtet ist. Weitere Gründe sind:

  • Geringe Beratungsqualität
  • Mangelhafte Kundenbetreuung
  • Preisgestaltung
  • Negativer Ruf des Unternehmens
  • Unsachgemässe Beschwerdebearbeitung

Natürlich kommt es auch durch die Angebote anderer Anbieter innerhalb des Wettbewerbs zu einer Abwanderung. Das andere Angebot zeichnet sich meist durch einen höheren Mehrwert oder einfach durch ein besseres Preis-Leistungsverhältnis aus.

Abbildung 5: Zieltypen des Kundenrückgewinnungsmanagements
Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf Schöler, 2011, S. 504.

Die abwandernden Kunden lassen sich ganz allgemein in vier Gruppen einteilen. Abbildung 5 stellt eine Übersicht dar:

Die Kategorie der «Schläfer» ist für Fitnessclubs relevant. Im Falle eines Fitnessclubs ist es wichtig, die «Schläfer» wieder zu reaktivieren, da so gezeigt wird, dass der Club ein tatsächliches Interesse am Wohlergehen der Kunden hat. Dies fördert den Ruf des Clubs nachhaltig.

Zu «Ehemaligen» besteht schon seit längerer Zeit keine explizite Geschäftsbeziehung mehr. Wenn diese Kunden bei einem anderen Anbieter trainieren, könnten sie wieder abgeworben werden. Oft ist der ursprüngliche Grund, weshalb der Fitnessclub besucht wurde, weiterhin vorhanden.

«Reduzierer» sind für Fitnessclubs üblicherweise nicht relevant. Dieser Typus taucht eher bei Versicherern und Banken auf, wo er mehrfache Verträge hält, sprich mehrere Versicherungen bzw. mehrere Konten.

«Kündiger» teilen dem Unternehmen die vollständige Aufgabe der Geschäftsbeziehung ausdrücklich mit und können aus diesem Anlass zur Verhinderung der Abwanderung angesprochen werden. Gerade hier muss das Rückgewinnungsmarketing einsetzen.

Von grosser Bedeutung bei der Kundenrückgewinnung ist die Qualität der Bemühungen des Unternehmens, die durch den Kunden wahrgenommen wird. Kunden, die durch Mängel des Unternehmens vertrieben wurden, können nur dann zurück gewonnen werden, wenn das Unternehmen für das ursprüngliche Problem eine Lösung anbieten kann. Wenn die Abwanderung der Kunden eine nicht geäusserte Beschwerde bedeutet, kann ein persönliches Gespräch die Gelegenheit bieten, diese Beschwerde direkt vorzutragen. Ein entsprechender Rückgewinnungsanreiz wird von den Kunden in der Regel als Entschuldigung bzw. Wiedergutmachung angesehen.

Die folgenden Grafiken (Abbildungen 6 und 7) zeigen die Schritte, die in einem Kundenrückgewinnungsprozess befolgt werden sollten:

Abbildung 6: Kundenrückgewinnungsprozess I
Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf Schöler, 2011, S. 503.


Abbildung 7: Kundenrückgewinnungsprozess II
Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf Schöler, 2011, S. 503.

Fazit

Eine entscheidende Rolle für die Wiederbelebung des Fitnessclubs nach dem Lockdown und für den Aufbau eines professionellen Kundenbeziehungsmanagements spielen die Mitarbeiter. Sie repräsentieren den Fitnessclub und sind auch in sozialen Netzwerken mit den Kunden verbunden. Gerade in dieser schwierigen und unsicheren Zeit können Kunden nur mit emotionaler Bindung zurückgewonnen werden. In vielen Fitnessclubs wird eine hervorragende Betreuung durch kompetente Trainer versprochen. Oft stellt sich den Kunden die Realität aber ganz anders dar. Die Mitarbeitenden sind wenig motiviert, identifizieren sich kaum mit dem Club und machen «Dienst nach Vorschrift». Dieser Umstand lässt sich durch Fördern (z. B. durch Weiterbildung) sehr gut beheben. Mitarbeitende, die sich aufgrund attraktiver Entwicklungsmöglichkeiten verwirklicht fühlen, sind auch bereit, sich für das Unternehmen und für bessere Kundenbeziehungen zu engagieren.

Literaturquellen

  • Becker, M. (2005). Systematische Personalentwicklung, Planung, Steuerung und Kontrolle im Funtionszyklus. Stuttgart: Schäfer-Poeschel Verlag.
  • Bruhn, M. (2016a): Relationship Marketing – Das Management von Kundenbeziehungen, 5. überarb. Auflage, München.
  • Georgi, D., Mink, M. (2011): Konzeption von Kundenbeziehungsstrategien. In: Hippner, H. et al. (Hrsg.): Grundlagen des CRM, 3. Auflage, S. 57-89. Wiesbaden.
  • Gouthier, M. H. J. (2007). Mitarbeiterstolz und Service Excellence. In Service Excellence als Impulsgeber (pp. 383-397). Gabler.
  • Liang, C. J., Chen, H. J., Wang, W. H. (2008): Does online relationship marketing enhance customer retention and cross-buying?. The service industries journal, 28(6), S. 769-787.
  • Lütje, S. (2009): Kundenbeziehungsfähigkeit: Konzeptionalisierung und Erfolgswirkung, Wiesbaden.
  • Michalski, Silke (2002) Kundenabwanderungs- und Kundenrückgewinnungsprozesse. Eine theoretische und empirische Untersuchung am Beispiel von Banken. Wiesbaden: Gabler
  • Schöler, Andreas (2002): IT- Unterstützung von Service Prozessen. Wiesbaden: Gabler
  • Stauss, B., Friege, C. (1999): Regaining service customers: costs and benefits of regain management. Journal of Service Research, 1(4), S. 347-361.

Marcel Scheucher

Marcel Scheucher ist als Dozent an der Swiss Prävensana Akademie tätig. 2020 hat er sein Forschungsdoktorat in Betriebswirtschaft und Management mit dem Promotionsthema «Entwicklung und Führung von Nischenstrategien» abgeschlossen. Mit 15 Jahre Erfahrung als Unternehmer in der Fitnessbranche, kennt er die Herausforderungen auf Führungsebene sowie die Erwartungen an das Management und dem Personal hinsichtlich Kundengewinnung und Kundenbetreuung.

www.swisspraevensana.ch