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Roundtables an der FitnessEXPO in Basel. Können Einzelstudios zukünftig noch überleben?

Roger Gestach eröffnet das Panel-Gespräch. Es sei möglicherweise einzigartig, was sich in der Schweiz in der Fitnessbranche abspiele. “Wir diskutieren heute über das Thema, ob die kleinen Einzelstudios in dem, was sich heute mit grossen Players im Fitnessbereich entwickelt, noch überleben können.” Das Schweizer Fernsehen filmt das Gespräch, um es in einer gut einstündigen Sendung über die Fitness Branche zu verwenden, worin es insbesondere um diese Thematik geht.

Sterben die Einzelstudios?

Roger fragt, wenn man alles höre, was in der Fitnessbranche ablaufe, sei dies doch ähnlich wie damals bei den Fachgeschäften, als grössere Ketten diese übernahmen (Anm. d. Red.: er spricht vom Sterben der “Tante Emma” Läden). So möchte er jeden fragen, “gibt es künftig noch grössere Einzelstudios mit 1000 m2 und mehr?”

Claude: “Studios gibt es dann vielleicht nicht mehr. Aber Fitness, Gesundheit, Bewegung ist eine Vertrauenssache, welche man erarbeiten muss. Vielleicht werden die kleinen gestärkt aus dieser heutigen Bewegung hervorgehen. – Ich glaube eher, dass es in 10 Jahren keine Ketten mehr gibt, da die Einzelkämpfer viel kreativer sind.” (Er sage dies, um Thomas herauszufordern! – schallendes Gelächter!)

Edy: “Was du sagst, Claude, kann ich voll unterstützen. Neue Positionierung, neue Nischen, werden in die Branche hineingebracht werden. Die Vielseitigkeit wird sich vermehren. Ich bin nicht der Meinung, dass es den einen oder anderen nicht mehr gibt. Es gibt eine Diversifizierung. Man muss sich spezialisieren. Und die Landschaft wird sich verändern, die Anzahl Clubs wird zurück gehen, aber es wird mehr Segmente geben. Doch spielt es keine Rolle, ob Einzel- oder Ketten-Studio.”

Thomas: “Die Kettenbildung wird weitergehen. Wir kriegen auch Anfragen von Einzelstudios.” Aber was Edy Paul gesagt habe, könne durchaus zutreffen. Wenn sich das Einzelstudio bemühe, könne es sich sicher seinen Platz im Markt behaupten.

Töni: Er meint, dass wenn die Einzelstudios ökonomisch und marktwirtschaftlich unterwegs seien, dass dies dann das schon funktionieren würde.

Beat: Mit 10-11% seien es immer noch gleich viel, welche Fitness betreiben, wie eh und je. Dies halte sich. Wenn es neue Centers gäbe, werde es knapp. Aber es gäbe noch viele, welche infrage kämen für Fitness. “Wenn ich mich richtig positioniere, glaube ich, habe ich auch in 10 Jahren noch eine Chance.”

Braucht es künftig noch Einzelstudios und weshalb?

Roger: “Wenn ich mich in einem Fitnesscenter wohlfühle, kann es mir doch als Kunde egal sein, ob das Center zu eine Kette gehört oder ein Einzelstudio ist. Weshalb braucht es noch Einzelstudios?”

Claude: Einige seiner Kollegen hätten grosse Angst vor der Migros. Vor 15-20 Jahren sei man allein mit einem Studio in einer Stadt unterwegs gewesen. Wenn dann ein weiterer gekommen sei, hätte man lernen müssen, mit Konkurrenz umzugehen. Dies heisse Konditionierung. “Jetzt kommen die grossen Players. Aber das Vertrauen ist damit nicht gegeben” und doppelt nach: “Die Zeit, in welcher man grosse Kohle machen konnte, ist vorbei! – Wir haben viele KMUs. Da hat es Könige in ihrem Reich. Doch ist Betreuung wie gesagt, Vertrauenssache. Dies lässt sich nicht über eine App lösen. Da kann man auch 200 bis 300 Franken teurer sein.”

Ist die Betreuung bei Ketten schlechter?

Roger: “Edy, ist dann die Betreuung bei grossen Ketten schlechter? Du hast 40 Jahre Erfahrung. Wie siehst du das?”

Edy: “Ich kenne beides. Ich hatte das Problem selber gehabt in der Vergangenheit in grossen Ketten. Einzelkämpfer nützen den Vorteil, dass sie Trends viel schneller umsetzen können als Ketten, aber oft ihre Stärken nicht. Und wenn sie nicht ihre Stärken nutzen, sind sie in der Betreuung nicht besser, als eine Kette.” Die Einzelkämpfer würden sich zu wenig auf ihre Qualitäten konzentrieren. Die grossen Ketten könnten aber nicht das hinkriegen, was ein Einzelkämpfer als Patron, welcher die Kunden persönlich betreue, erreiche.

Claude: “Wir haben auch Ärzte und die Kunden glauben, dass der Arzt ihnen gesagt hat, wie sie Fitness machen müssten, obwohl er keine Ahnung hat.”

Töni: “Ja, ich meine schon, da wir Einzelstudios uns mehr Zeit nehmen für die Kunden und deshalb besser betreuen als die Ketten.”

Thomas widerspricht, da sie die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter gezielt fördern würden, wäre die Betreuung bei ONE Training Center definitiv nicht schlechter als bei Einzelstudios. „Bei unseren 12 Standorten, steckt one to one im Namen. Da steht qualitativ hochstehende Betreuung im Vordergrund.”

Beat: “Wir hatten bei TC in Muri mit rund 600–700 Mitgliedern weniger Fluktuation, als bei den 2000 Mitgliedern in Frauenfeld.”  Einzelstudios können besser betreuen.

Digitalisierung?

Roger: “Junge Menschen kommen mit einem fertigen Trainingskonzept aus dem Internet ins Center. Benötigen wir in Zukunft noch die Betreuung im Fitnesscenter?”

Edy: “Das Eine Tun, das Andere nicht lassen. Auf der einen Seite braucht es einen persönlichen Kontakt. Es braucht aber auch die Digitalisierung.”

Claude: “Jeder hat im Fitness seinen persönlichen Trainer. Dies wird als Megatrend im Fitness in den nächsten 10–15 Jahren gesehen!”

Thomas: “Im Zusammenhang mit der Digitalisierung wird die Fitnessbranche nicht grundsätzlich verändert. Daher haben wir eine gute Ausgangslage.”

Beat: “Mit der Firma milon sind wir direkt betroffen. Die Anamnese hat man früher in einem Ordner drin gehabt. Heute sehe ich sofort, was der Mensch benötigt. Heute kann ich mir als Trainer viel mehr Zeit nehmen für den Kunden. Digitalisierung kann nicht die Kundenbetreuung ersetzen, sie muss Hilfsmittel sein. – Ich benötige Leute mit Herz!”

Roger: “Bei älteren Leuten mag Betreuung wichtig sein. Aber wenn ich die jungen sehe, frage ich mich, brauchen diese das noch, da sie sich doch im Internet informieren, Edy?”

Edy: “Ich meine, dass das immer wichtiger wird. Die persönliche Zuwendung und Betreuung wird nicht ersetzt werden können.” Betreuung sei nicht bloss ein guter Ausweis – Zuwendung sei hier genauso wichtig, wie in der Gastronomie. Der Giovanni, welcher mit Herz und Seele an der Front stehe, gewinne immer!

Roger: “Töni, wie siehst du dies? Gibt’s dein Studio in 10 Jahren noch?”

Töni: “Vertrauen bringt auch Stabilität.” – Wenn ein Einzelkämpfer dienstleistungsorientiert arbeite, könne er mehr erreichen.

Beat:Die kleinen Studios arbeiten immer noch mit Karteikarten, auf welchen nicht viel gekritzelt wird. Aber ich meine auch, dass Einzelunternehmer eine Chance haben. Aber viele reklamieren und jammern über die Ketten. Ich muss meine Stärken kultivieren! Doch sind es letztlich Menschen, welche das Center ausmachen. Wenn sie ihre Hausaufgaben erledigen, werden die kleinen Center auch überleben.”

Konkurrenz mit besserer Infrastruktur

Roger: “Töni, wenn du 100 Meter neben dir einen Discounter kriegst, der doppelt so gross ist, die bessere Infrastruktur hat und wesentlich günstiger ist, kannst du da weiter bestehen?”

Töni: “Es kommt auf die Software an (Personal, Betreuung), nicht auf die Hardware.”

Beat: “Wenn der Besitzer selber 10 Stunden im Laden steht, dann fühlen sich die Kunden dort zuhause und werden nicht so schnell wechseln. Wenn man aber auf der Suche ist, geht man googeln. Da kann es schwierig werden, neue Kunden zu kriegen! Hier zählen Preis und Präsentation.”

Roger: “Was auch speziell ist: Im Detailhandel sieht der Discounter anders aus als der Premiumanbieter. Da sieht der Kunde rein optisch, dass es anders ist. Das Gleiche gilt bei den Hotels, drei Sterne ist anders als fünf Sterne. In der Fitnessbranche ist dies teilweise nicht so.” Bei den Fitness-centern würden die Kettenbetriebe oft schöner aussehen als die Einzelcenter und die Mitglieder sich dann fragen, warum sie für ein infrastrukturell schlechter ausgerüstetes Studio mehr zahlen müssten?

Claude: “Von diesem (Fitness-)Kuchen kann jeder profitieren. Die Infrastruktur ist das Sahnehäubchen auf dem Kuchen. Das wird für die Kunden nicht derart im Vordergrund stehen. Das Sternesystem des SFGV steht für die Betreuung und nicht den Preis.”

Thomas: “Mit ONLY-Fitness wollen wir das beste Preis-Leistungsverhältnis anbieten!”

Edy: “Ein neuer Discounter mit sehr guter Infrastruktur wird im ersten Schritt eine Welle entstehen lassen, dass Einzelstudios Kunden verlieren. Wenn man aber eine Qualitätsoffensive macht und einen Schnauf von 1 1/2 Jahren hat, kommen die Kunden zurück.”

Claude: “Ich habe eine alte Infrastruktur. In der Nähe sind verschiedene neuere und günstigere Center. Ich glaube nicht, dass sich neue Kunden durch die Infrastruktur blenden lassen. Wir sind immer noch in den 11% Trainierenden der Gesamtbevölkerung drin! Wir müssen lernen umzudenken.”

Nachfolgeregelung

Roger: “Edy, Du verkaufst Studios. – Hast du viele Leute am Telefon? Du müsstest ja überrannt werden?!“

Edy:Danke für die Reklame. Ich lass dich gerne in diesem Glauben. Aber die Meisten sind Solche wie ich – von der ersten Generation –, welche pensioniert sind und keine Nachfolge gefunden haben. Für solche sorge ich für eine Nachfolge, bzw. Übernahme. So kann man eine Übernahme auch ohne Geld machen, wenn der ursprüngliche Besitzer dafür eine lebenslange Rente kriegt, zumal viele Unternehmer keine Pensionskasse besitzen. Und ein Teil wird durch die Kinder weitergeführt.

Ich habe nur wenige Einzelfälle, welche tragisch sind und ihr Center schliessen müssen.”

Discount

Roger: “Thomas, wieso steigt die Migros Luzern nun auch in den Discountmarkt ein?”

Thomas: “Für mich war von Anfang an klar. Wir müssen im Rennen um die Konkurrenz mitmachen. Wir haben das abgewogen, uns aber gesagt, dass wir das schon lieber selber machen, als dies andern zu überlassen.”

Roger: “Töni, du hast diesen Schritt ja auch unternommen. Du hast ein klassisches Studio und selber noch drei Discount-Center. – Warum?”

Töni: “Wir wollten einen 24 h Betrieb anbieten und etwas machen für Leute mit einem kleineren Budget. Eines war klar, mit dem bestehenden Center konnte ein 24 h Betrieb nicht realisiert werden.”

Gesundheitscenter die Lösung!

Roger: “Beat, was macht ihr genau mit eurem “FR!TZ”? Kannst du das Konzept kurz erklären?

Beat: “Ich arbeite für milon und leite Fitnesscenter bereits seit 32 Jahren.”  Vor paar Jahren hätte er erkannt, dass man mehr für die Gesundheit machen müsse. Der Punkt sei der, wir würden mit den traditionellen Center, nur einen Teil der Bevölkerung ansprechen. “Personen die in erster Linie aus gesundheitlichen Gründen und Problemen trainieren wollen, tun sich schwer, in ein Fitnesscenter zu gehen.” Deshalb hätten sie sich entschlossen, den Ausdruck Fitness wegzulassen. “65% unserer Leute sind noch nie in einem Fitness Studio gewesen! Wir verfügen über 350 m2 Trainingsfläche. Die Technik, welche wir anwenden, macht den Leuten den Einstieg enorm leicht. Das ist sehr wichtig! Bei uns hat jeder Kunde einen Termin! Daher ist die Fluktuationsrate bei 28% (statt 40-50% wie üblich) und sie geht noch runter! Ich selbst bin 54. Und diese Bevölkerungsschicht ist kaufkräftig und hier benötigen wir ein lösungsorientiertes Marketing, da bei diesen Leuten, wie erwähnt, die Gesundheit im Vordergrund steht. Wir haben in einem Jahr 1000 Mitgliedern geschafft. Wir werden nächstens 1300 Mitgliedern haben und nutzen High Tech, um einen raschen Turnaround zu schaffen.”

Ein guter letzter Tipp für alle Einzelstudios

Roger: “Wir kommen zur Schlussrunde. Habt ihr noch einen guten Tipp? Wie könnten sie sich Einzelstudios anders positionieren?”

Claude: “Sich seinen Stärken treu bleiben und diese Karte ausspielen! In andern Branchen muss man dies auch tun. Wir sind neben der Informatik die zukunftsträchtigste Branche! Somit ist die Zukunft für uns da! Bei uns haben die KMUs einen grossen Nachholbedarf. Wir haben da noch grosse Aufgaben zu erfüllen. Diese haben die grossen Centers und Ketten längst gemacht. Dies gehört auch zur Positionierung. Jedoch wird dies auf die Salärstruktur Konsequenzen haben. – In einem Netzwerk hilft es, dass man sich austauschen kann.”

Edy: “Für mich ist der Hauptgrundsatz: nicht in den Preiskampf eintreten, d.h. nicht mit den Preisen runter gehen! Drei Punkte zählen: 1) Positionierung! Was kann ich optimieren? Wo sind Fehler? Kundennähe zählt! Das muss super sein! 2) In welche Richtung gehe ich? Gegend analysieren, Konkurrenz, was bietet sie an? Eine Kette kann nicht so rasch reagieren. Dies ist ein Vorteil des Einzelunternehmers! 3) Mache ich einen guten Job? Kann ich dahinter stehen?”

Thomas: “Thema Gesundheit / Fitness ist ein Mega-Thema. Damit wird der Kuchen auch grösser und hat Platz für alle Players. Die Migros nehmen die Einzelstudios auch ernst. Wir wollen nicht die Billigsten, sondern die Besten sein für Leute, welche sich fragen: Was brauche ich? Unabhängig von der Grösse, kommt es auf die saubere Auslegeordnung an, dann haben Einzelkämpfer, aber auch Ketten Chancen.”

Töni: “Egal was ich anbiete, es muss professionell sein und authentisch daher kommen. Dann stimmt es!”

Beat: “Die Betreiber sind beim Angebot z.T. nicht sehr gezielt und laufen dann vielleicht in die Roten Zahlen. – Alles über Bord werfen, was nicht funktioniert und die Stärken leben, welche die Konkurrenten nicht bieten können!”