Change Management in der Fitnessbranche – Praxisbeispiele
6. Dezember 2018
Concurrent Training Wie man Kraft- und Ausdauertraining richtig kombiniert
6. Dezember 2018

Schöne neue Arbeitswelt Was New Work und Führung 4.0 für Unternehmen bedeuten

Sie alle kennen das Lied von Udo Jürgens „Ich war noch niemals in New York“. Wenn wir jetzt nur einen Buchstaben auswechseln, kommt das Wortgebilde „New Work“ heraus. Das ist die neue schöne Arbeitswelt, in der wir uns bewegen. Das heutige Umfeld ist nicht mehr klar, übersichtlich und behäbig wie noch vor einigen Jahren. Aktuell leben wir in der VUKA-Welt.

VUKA steht für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz (Vieldeutigkeit). In diesem Wortgebilde versteckt sich viel Dynamik und Schnelligkeit. Zwei Dinge, welche in der Fitnessbranche ja zu den Kernkompetenzen auf der Trainingsfläche zählen. Nur – neu müssen die beiden Begriffe auch zu den Kernkompetenzen der Führungskräfte gehören. Nicht gross frisst klein ist das Motto heute, sondern schnell frisst langsam. Unter „frisst“ ist beispielsweise eine Übernahme oder sogar eine Marktverdrängung zu verstehen. Sind wir also nicht bereit für die VUKA-Welt, sind wir sehr schnell vom Markt verschwunden.

Was sich hinter VUKA versteckt

Volatilität: Das sind Schwankungen in einer kurzen Zeitspanne, beispielsweise der Preise, der Zinsen oder der Auslastung. Das ist ein Zustand der Instabilität und somit wenig berechenbar. Keiner weiss, wann es in welche Richtung gehen wird und welche Ereignisse die Fitnessbranche prägen werden.

Unsicherheit: Ein Zustand von mangelnder Kenntnis, von Ungewissheit. Ein Zustand, welcher mit einem unbekannten Risiko behaftet ist. Wir werden immer weniger wissen, was als nächstes passieren wird, bestehende Normen und Werte gelten nicht mehr oder sind unklar. Prognosen sind unzuverlässig, weil der Markt sich eigendynamisch entwickelt.

Komplexität: Verschiedene Komponenten interagieren zusammen. Nur weiss niemand, wie und wo genau. Das heisst, viele Merkmale sind verflochten – in wechselnden Beziehungen.

Ambivalenz: Mehr- oder Doppeldeutigkeit einer gegebenen Situation. In der Fitnessbranche aktuell beispielsweise mehr Center aber weniger Umsatz in der Branche?

Die vier Bereiche wirken nicht einzeln auf uns ein, sondern vernetzt. Dadurch entsteht diese nicht vorhersehbare Lage, in der alles möglich und irgendwie alles zusammenhängt – und nichts ist mehr vorhersehbar. Planung wird dadurch immer schwieriger und wir müssen lernen, agil zu sein.

Geräteinstrukteur oder Fitnesscoach?

Welche der beiden Optionen im Titel ist ein Bullshit-Job? Derzeit macht der Vordenker David Graeber von sich reden mit dem Buch „Bullshit-Jobs“, Jobs also, welche keinen Sinn haben. Und von denen gibt es im heutigen Umfeld eine ganze Menge. Geräteinstrukteur braucht kein Mensch im Fitnesscenter, das kann gut Siri oder ein Roboter übernehmen. Weg damit! Fitnesscoach ist eine völlig andere Dimension. Coaching heisst betreuen, begleiten und beraten. Das kann uns keine Maschine abnehmen, auch im sich anbahnenden Zeitalter der künstlichen Intelligenz nicht. Wo es komplex und nicht kompliziert ist, wird der Mensch in Zukunft weiterhin benötigt. Komplex ist das Erbringen einer Dienstleistung wie eben ein Fitnesscoach sie erbringt zum Wohle und Nutzen des Kunden. Kompliziert ist eine Maschine, die ich demontieren und wieder zusammensetzen kann. Komplex beinhaltet folglich die zwischenmenschliche Komponente, welche der Maschine abgeht. Fragen wir uns also als nächstes, wie sich die Führung in dieser von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz geprägten Zeit verändern muss.

VOPA als Antwort auf eine veränderte Welt

Das wird ja immer besser – nach VUKA also auch noch VOPA. Die Abkürzung oder Eselsbrücke steht für Vernetzung, Offenheit, Partizipation und Agilität. Dies kann die Antwort in der oben schon erwähnten New Work sein, wie in Zukunft die Mitarbeitenden geführt werden (wollen).

Vernetzung:  Austausch und Zusammenarbeit innerhalb und ausserhalb der eigenen vier Wände. Sich in alle Richtungen zu vernetzen, in den Dialog zu treten ist zeitgemäss, auch wenn damit nicht sofort eine feste Absicht verbunden ist.

Offenheit: Offen sein für Neues, loslassen und Freiraum geben und schaffen. Ausprobieren und Fehler zulassen in der organisierten Zusammenarbeit. Damit bejahen wir Experimente, welche das Unternehmen wachsen und lernen lässt.

Partiziptation: Entscheide von grosser Tragweite oder in der Ausrichtung (Geschäftsmodell) sollten gemeinsam getroffen werden. Es sei denn, die Situation erfordert einen schnellen Entscheid. Die Mitarbeitenden brechen die Jahresziele der Unternehmung auf den eigenen Bereich herunter und verantworten diese.

Agilität: Sich schnell den (neuen) Umfeldbedingungen anpassen. Agil handeln befähigt uns, getroffene Entscheide bei Bedarf zu korrigieren. Die Mitarbeitenden sollen und dürfen selber entscheiden in ihrem Arbeitsumfeld, in ihrem Verantwortungsbereich. Agil sein heisst entscheiden, ausprobieren, prüfen, Feedback einholen, neu bewerten und allenfalls ändern.

Das Gehalt ist nicht das Mass aller Dinge

Bei Einstellungsgesprächen werden von den potentiellen Mitarbeitenden unter anderem zwei Fragen schon früh gestellt: Kann ich zusätzlichen unbezahlten Urlaub nehmen und ist Home Office möglich? Das Zweite lässt sich in der Fitnessbranche nur dann umsetzen, wenn ich als Personal Trainer arbeite. Ich kann das Fitnesscenter ja nicht unter den Arm nehmen. Das Erste aber wird immer wichtiger bei den Generationen Y und Z. Diese sind jetzt auf dem Markt oder drängen dorthin. Wie also begegnen wir solchen Ansprüchen? Ganz einfach – zulassen. Die jungen Menschen wollen etwas erleben, wollen reisen und das länger als nur zwei Wochen am Stück. Sie kommen zurück mit vielen Erlebnissen, Erfahrungen und wunderbaren Begegnungen – und der Arbeitgeber profitiert genau davon. Die Frage nach dem Gehalt kommt auch, so an sechster oder siebenter Stelle. Und genau hier hat die Fitnessbranche ein Problem. Seien sie ehrlich – würden sie als „Clubmanager“ arbeiten mit einem Stundenlohn von unter 20 Franken? Wohl eher nicht. Das ist aber Realität in der Schweiz.

Mit der Lehre, dem Fachausweis und neu der höheren Fachprüfung hat es die Fitnessbranche geschafft, einen stringenten Berufsweg zu haben. Die Lehre floriert, der Fachausweis brummt und die höhere Fachprüfung muss sich noch beweisen. Das sind gute Zeichen in der Bildungslandschaft „Fitness und Gesundheit“. Nun muss es die Branche aber noch schaffen, die Gehälter den einzelnen Stufen und Anforderungen anzupassen.

Mit dem „lohnerechner.ch“ habe ich versucht, dies zu eruieren. Folgende Basisdaten habe ich verwendet: 25 Jahre alt, zwei Jahre Berufserfahrung, Kanton Luzern und keine Führungsfunktion, Beruf mit personenbezogener Dienstleistung, 44 Wochenstunden. Aufgrund dessen ergäbe sich folgendes Lohnschema: Nach der Berufslehre oder als Quereinsteiger wären pro Monat brutto rund 4’400 Franken angemessen, mit dem Fachweis sind es 4’900 Franken und mit der höheren Fachprüfung sind es 5’200 Franken. Die Werte sind Mittelwerte, je nach Region kann das nach oben oder unten noch variieren. Mittelwert heisst, die Hälfte der Angestellten verdient weniger, die Hälfte mehr. Die Gehälter entsprechen recht gut der Faustformel, wonach der Fachausweis rund 500 Franken und die höhere Fachprüfung nochmals rund 300 Franken mehr Lohn ergeben. Dies ist in den meisten Branchen der Fall. Ist es das auch in der Fitnessbranche? Ich denke, hier muss dringend nachgebessert werden in den nächsten Jahren. Und damit verbunden ist automatisch die Diskussion darüber, was ein Jahresabo kosten darf, beziehungsweise eben kosten muss. Auf dieser Basis ist der oben erwähnte Clubmanager sicherlich nicht adäquat bezahlt. Die Gehälter in der Branche sind sicherlich ein Grund, warum die Verweildauer der Mitarbeitenden eher kurz ist.

Die Lohnempfehlungen des Verbandes SFGV sind sehr nahe an diesen Mittelwerten von „lohnrechner.ch“. Nur – Hand auf’s Herz – wo finden sich diese Bedingungen? Wer sich in der Branche umhört, erfährt ganz viele unschöne Geschichten. Je näher die Grenze, umso grösser die Differenzen. Es ist wünschenswert, wenn wenigstens die Lohnempfehlungen des SFGV umgesetzt würden – die Mitarbeitenden haben dies mehr als verdient. Die Anforderungen steigen und VUKA und VOPA fordern auch hier ein Umdenken. Machen wir uns gemeinsam auf den Weg – und positionieren wir die Mitarbeitenden dort, wo sie hingehören. Begegnen wir ihnen als Führungspersonen oder Kunden mit der Wertschätzung, die sie für ihren schwierigen Job definitiv verdient haben.

Peter Regli 

ist Buchautor, Dozent und Referent. Er doziert an diversen Ausbildungsinstitutionen und bietet Workshops im Bereich Gesundheitsmanagement und Strategieentwicklung für kleinere Unternehmen an. Individuelle Themen bietet er als Inhouse-Schulungen oder als Online-Coaching für Menschen und Unternehmen an. Sie erreichen ihn per Mail mit pr@peter-regli.ch oder auf seiner Website www.peter-regli.ch