Pflanzliche Proteinversorgung im Sport
Die rein pflanzliche Ernährungsweise wird stetig populärer. Vor allem jüngere Menschen interessieren sich vermehrt dafür. Gleichzeitig herrscht Unsicherheit, ob diese Ernährungsform für Sportler geeignet ist. Wie eine vegane Ernährung bezüglich der Proteinversorgung aussieht, beleuchtet dieser Artikel.
In jeder Ernährungsform gibt es potenziell kritische Nährstoffe. Diese werden umso zahlreicher, je weniger Lebensmittelgruppen in die Ernährung einbezogen werden. Zu den potenziell kritischen Nährstoffen in einer rein pflanzlichen Ernährung zählen: Jod, Eisen, Selen, Zink, Calcium, Vitamin B2, Vitamin B12, Vitamin D, langkettige Omega-3-Fettsäuren und Protein (Gesamtmenge und Gehalt an limitierenden Aminosäuren). Zudem stellt die Deckung des Energiebedarfs potenziell einen kritischen Aspekt dar (Thienel, 2020). In diesem Artikel wird näher auf die Proteinversorgung im Sport bei einer rein pflanzlichen Ernährung eingegangen.
Proteinbedarf
Proteine haben diverse Aufgaben im menschlichen Körper. So sind sie etwa essenzieller Bestandteil des Immunsystems, des Blutes oder der kontraktilen Elemente im Muskel. Nahrungsprotein wird benötigt, um permanent die körpereigenen Proteine zu erneuern oder aufzubauen (Machner, 2023). Besonders Letzteres wird beim Training in Form von Muskelmasseaufbau fokussiert. Doch wie sieht der Proteinbedarf in den verschiedenen Sportkategorien aus? Tabelle 1 zeigt die Werte für Ausdauer-, Spiel- und Kraftsportarten.
Proteingehalte einzelner Lebensmittel
In der veganen Ernährung kann es für Sportler anspruchsvoller sein, den Proteinbedarf zu decken, als in einer mischköstlichen Ernährung. Pflanzliche Proteinquellen enthalten oftmals weniger Protein pro Nahrungsvolumen als die tierischen Proteinquellen. Das heisst, um die gleiche Menge an Protein auf-zunehmen, muss mehr Menge gegessen werden. Gleichzeitig enthalten pflanzliche Lebensmittel typischerweise mehr Ballaststoffe, sodass die Sättigung länger anhalten kann (West, Monteyne, van der Heijden, Stephens & Wall, 2023). Dadurch kann es zusätzlich herausfordernd sein, den täglichen Gesamtenergiebedarf, der je nach Sportart recht hoch sein kann, zu decken. Beides, die Deckung des Energie- und des Proteinbedarfs, ist mit einer veganen Ernährung möglich, muss aber in der Planung und Ausgestaltung der Ernährung berücksichtigt werden. Tabelle 2 zeigt einige beispielhafte Proteingehalte verschiedener pflanzlicher Lebensmittel.
Proteinqualität
Der Beitrag eines Lebensmittels zur Proteinversorgung des Köpers hängt allerdings nicht nur von der enthaltenen Proteinmenge ab, es kommt auch auf die Proteinqualität an. Diese umfasst u. a. die Aminosäurezusammensetzung des Proteins sowie die Verdaulichkeit und Bioverfügbarkeit der Aminosäuren (West, Monteyne, van der Heijden, Stephens & Wall, 2023). Eine Methode, um die Proteinqualität eines Lebensmittels zu beurteilen, ist die biologische Wertigkeit. Je mehr unentbehrliche Aminosäuren enthalten sind und je ausgeglichener deren Verhältnis untereinander ist, desto mehr körpereigenes Protein kann daraus aufgebaut werden. Als Referenzprotein dient das Hühnervollei mit einer biologischen Wertigkeit von 100 (Leitzmann & Keller, 2020). Tabelle 3 zeigt beispielhaft die biologische Wertigkeit einzelner pflanzlicher Proteinquellen.
Ein weiterer Aspekt, den es bei pflanzlichen Proteinquellen zu beachten gilt, ist die schlechtere Verdaulichkeit im Vergleich zu Protein aus tierischen Quellen. In der pflanzlichen Zellwand sind unverdauliche Substanzen mit Ballaststoffcharakter enthalten (Leitzmann & Keller, 2020). Eine Verbesserung der Verdaulichkeit kann z. B. durch Erhitzen erfolgen oder bei Saaten und Hülsenfrüchten über das Einweichen und Keimen lassen (DGE, 2021).
Proteinquellen kombinieren
Einzelne pflanzliche Proteinquellen sind einzelnen tierischen Proteinquellen hinsichtlich der biologischen Wertigkeit oftmals unterlegen. Durch Kombination verschiedener pflanzlicher Proteinquellen kann diese jedoch gesteigert werden (SGE, 2019). Diese Kombinationseffekte sollten in der veganen Ernährung gezielt eingesetzt werden. Hülsenfrüchte etwa enthalten wenig von der Aminosäure Methionin (Ausnahme Soja), dafür aber reichlich Lysin. Bei Getreide ist das Verhältnis genau umgekehrt, sodass sich die beiden Lebensmittelgruppen sinnvoll ergänzen und insgesamt die biologische Wertigkeit gesteigert wird (Machner, 2023). Auch Ölsaaten und Nüsse haben wenig Lysin, weswegen sie im Optimalfall zusammen mit Hülsenfrüchten (u. a. Kichererbsen, Erdnüsse) verzehrt werden (SGE, 2022).
Mahlzeitengestaltung
Am besten wird die Gesamtmenge Protein gleichmässig über den Tag verteilt aufgenommen (Machner, 2023). Es sollte darauf geachtet werden, dass nicht alle Proteinquellen dieselbe limitierende Aminosäure aufweisen. In der Praxis heisst dies für Sportler, täglich mehrere Portionen Getreide oder Pseudogetreide (z. B. Amarant, Quinoa) mit Hülsenfrüchten oder daraus hergestellten Produkten (z. B. Tofu, Tempeh, Sojaschnetzel) zu verzehren. Als Frühstück würde z. B. ein Müsli aus Haferflocken, Sojadrink, Leinsaat, Nüssen und Bee-renobst passen, zum Mittagessen etwa Falafel mit Vollkornreis und Salat sowie ein Sojajoghurt mit Obst und Nüssen. Als Abendessen könnten Hirsebratlinge mit Mais, Erbsen und Hummus gegessen werden. Für Zwischenmahlzeiten eignen sich Nüsse, Ölsaaten, geröstete Kichererbsen, Linsencracker, Smoothies mit Nüssen, Sojadrink und Haferflocken, Hummus mit Gemüsesticks, Müsli-Nuss-Riegel oder Energiebällchen (Thienel, 2020). Vor allem in den Anfängen einer veganen Ernährung ist es empfehlenswert, die aufgenommenen Lebensmittel zu wiegen und zu protokollieren (z. B. über Apps). Dadurch kann ein Gefühl für die Mengen entwickelt werden, die aufgenommen werden müssen, um den Nährstoffbedarf abzudecken. Dies hilft, nachhaltig in der Praxis die Nährstoffversorgung einschätzen zu können und einer potenziellen Proteinmangelversorgung vorzubeugen. Ergänzend können Sportler von einer Zusammenarbeit mit einer professionellen Ernährungsfachkraft profitieren. In einer individuellen Beratung und Begleitung kann so präzise auf einzelne Nährstoffe und die Deckung des Bedarfs eingegangen werden.
Fazit
Die derzeitige Datenlage geht davon aus, dass eine vegane Ernährung im sportlichen Kontext weder Vor- noch Nachteile aufweist, allerdings mehr Planung braucht und ggf. anspruchsvoller in der Umsetzung ist. Der Proteinbedarf kann gedeckt werden, es ist jedoch auf eine sich ergänzende Lebensmittelauswahl und eine ausreichende Gesamtenergieaufnahme zu achten. Aufgrund noch fehlender langfristig empirisch erhobener Daten kann die Auswirkung der Proteinversorgung über ausschliesslich pflanzliche Lebensmittel im sportlichen Kontext noch nicht final beurteilt werden.
Auszug aus der Literaturliste
Campbell, B., Kreider, R. B., Ziegenfuss, T., La Bounty, P., Roberts, M., Burke, D. et al. (2007). International Society of Sports Nutrition position stand: protein and exercise. Journal of the International Society of Sports Nutrition, 4, 8.
Machner, D. (2023). Pflanzenbasierte Ernährung im Sport. Mischkost – Vegetarisch – Vegan. Stuttgart: Eugen Ulmer.
Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE). (2019). Zusatzinformationen Proteine – Aminosäuren. Zugriff am 28. 05. 2024. Verfügbar unter https://www.sge-ssn.ch/media/Zusatzinformationen-Protein-2019.pdf
Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE). (2022). Proteine: Qualität und Gehalt in Lebensmitteln. Zugriff am 28. 05. 2024. Verfügbar unter https://www.sge-ssn.ch/media/ct_protected_attachments/185db6c0378daf2d817d866fb731c5/Merkblatt-Proteine-Qualitaet-Gehalt-in-Lebensmitteln.pdf
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