Massemonster mit Herz für Samtpfoten

Bodybuilding-Grösse Jean-Pierre Fux
Text: Yvonne Albers

Jean-Pierre Fux ist der bisher erfolgreichste Schweizer Bodybuilder auf internationaler Ebene. Er ist IFBB Mr. Universe und viermaliger Teilnehmer am Mr. Olympia. Seine markante Silhouette ziert sogar das Logo eines namhaften Gyms in der Schweiz. Wir sprachen mit Jean-Pierre Fux über Orangensaft in der Wettkampfvorbereitung, die Leidenschaft fürs Bodybuilding und sein Herz für «Fellnasen».

FITNESS TRIBUNE: Jean-Pierre, wann hast du deinen ersten Wettkampf bestritten? Wie alt warst du damals?

Jean-Pierre Fux: Das war 1985. Damals war ich 16 Jahre alt. Ich bin auf der Anfängermeisterschaft in Rheinfelden gestartet. Das ging aber fürchterlich daneben. Ich wusste zu dieser Zeit noch gar nichts von Wettkampfvorbereitung. Ich wusste nur, dass die Bodybuilder in der Diät Pouletbrust gegessen und Wasser getrunken haben. Gleichzeitig dachte ich mir, dass Orangensaft ja viel gesünder als Wasser ist. Also habe ich meine erste Diät mit Pouletbrust und Orangensaft gemacht. Das hat letztlich dazu geführt, dass ich zu Beginn meiner Vorbereitung besser ausgesehen habe als am Ende auf der Bühne. Beim Wettkampf selbst waren vier Teilnehmer. Da ich zu spät angekommen bin, war keine Zeit mehr für Farbe oder Aufpumpen und ich bin mehr oder weniger direkt auf die Bühne. Dort habe ich dann gesehen, dass zwei der Athleten sehr gut aussa-hen und der dritte war überhaupt nicht in Form. Ich war mir daher sicher, dass ich den dritten Platz machen und damit einen Pokal gewinnen würde. Meine Eltern waren damals absolut gegen das Bodybuilding und ich wollte unbedingt einen Pokal mit nach Hause bringen, um sie davon zu überzeugen, dass ich wirklich gut darin bin. Leider wurde ich vierter. Also habe ich auf dem Weg nach draussen einfach einen der Pokale gestohlen. Als ich diesen dann meinen Eltern ganz stolz präsentiert habe, hat das Telefon bei uns zu Hause geklingelt und die IFBB war dran, ich solle doch bitte das «Diebesgut» wieder zurückbringen. Das war natürlich furchtbar peinlich und hat echt weh getan. Den nächsten Wettkampf habe ich dann erst wieder mit 20 Jahren gemacht und diesen dann auch gewonnen.

Viele Athleten entdecken ihr Talent oder ihre Leidenschaft für das Bodybuilding, weil sie eigentlich mit dem Krafttraining anfangen, um in einer anderen Sportart besser zuwerden. Wie war das damals bei dir?


Ich wollte schon mit acht Jahren Bodybuilder werden. Es gab damals bei uns im Schwimmbad einen Bademeister, der Bodybuilder war und auch an Wettkämpfen teilgenommen hat. Und der hat mich damals so sehr beeindruckt, dass mir sofort klar war, dass ich das auch machen will. Natürlich habe ich auch Eishockey und Fussball gespielt, aber es war von Anfang an mein Ziel, Weltmeister im Bodybuilding zu werden. Mit zehn habe ich dann angefangen zu Hause zu trainieren unter der Anleitung meines Grossvaters. Der hat mich immer unterstützt und hat mir auch ein paar kleine Geräte für zu Hause gekauft. Jedes Jahr zu meinem Geburtstag bin ich dann ins Fitnesscenter gegangen und habe dort gefragt, ob ich Mitglied werden kann. Mit 15 haben sie mich dann endlich «reingelassen», und ab da habe ich sehr schnell Fortschritte gemacht.

Heute bist du selbst Coach und betreust deine Klientel sowohl persönlich als auch online. Wie bist du, als du mit dem Sport angefangen hast, an entsprechende Infos zum richtigen Training oder zur richtigen Ernährungsweise gekommen? Das Informationsangebot war ja bei Weitem nicht so umfangreich wie es heute ist. Siehst du das eher als Segen oder Fluch?

Als ich mit Bodybuilding angefangen habe, wusste ich gar nichts. Einen richtigen Trainer oder Coach hatte ich eigentlich nie. Das meiste habe ich damals durch das Reisen gelernt. Ich bin überall hingegangen, auch nach München ins Busek Sportcenter. Und ich habe einfach jeden, der Muskeln hatte, gefragt, was er macht, wie er es macht und warum. Eine grosse Hilfe war mir auch Alfred Krautgartner, der damals beim gleichen Sponsor wie ich unter Vertrag war. Heute ist das Informationsangebot enorm und das ist sowohl Segen als auch Fluch. Auf der einen Seite ist es natürlich sehr viel einfacher an Informationen zu gelangen. Auf der anderen Seite ist aber auch sehr viel «Bullshit» dabei und die Athleten heute stehen vor der grossen Herausforderung, das Sinnvolle von dem nicht Sinnvollen zu unterscheiden. Ausserdem besteht dieGefahr, dass die Athleten sich viel zu sehr darauf konzentrieren, was andere sagen und sich nicht mehr auf sich selbst und die individuellen Reaktionen ihres Körpers fokussieren.

Wie beurteilst Du die Entwicklung des Bodybuildings in den letzten Jahren?

Heute ist Bodybuilding ein ganz anderer Sport als früher. Allein schon, wenn Du schaust, wie viele verschiedene Kategorien es mittlerweile gibt, mit jeweils unterschiedlichen Kriterien. Ich persönlich finde das gut. In jeder Kategorie gibt es so viele hervorragende Athleten. Wenn diese alle in der offenen Klasse starten würden, wäre das Niveau wahrscheinlich noch höher. Früher war die Szene einfach sehr viel kleiner.

Deine Karriere hat leider ein jähes Ende genommen, als dir bei einem Fotoshooting beide Quadrizepssehnen abgerissen sind. Was ist dir in dem Moment durch den Kopf gegangen? Weisst du das noch?

Naja, ich würde das nicht als ein «jähes Ende» bezeichnen. Eigentlich war meine Karriere zu dem Zeitpunkt schon zu Ende. Auf jeden Fall war ich mental zu diesem Zeitpunkt schon längst ausgestiegen. Was mir damals durch den Kopf gegangen ist, weiss ich noch, als wäre es gestern gewesen. Das Fotoshooting war eigentlich schon vorbei. Auf dem Weg nach draussen kam der Fotograf zu mir und sagte, dass er nicht zufrieden mit dem Licht auf den Fotos wäre und ob ich nochmal zwei Wiederholungen Kniebeuge machen könnte. Da das Gewicht mit über 300 Kilogramm ziemlich schwer war es sollte schliesslich auf den Fotos auch schwer aussehen –, hätte ich mich eigentlich zuerst nochmal aufwärmen sollen. Ich wollte aber, offen gestanden, einfach nur nach Hause und hab dann direkt mit dem schweren Gewicht losgelegt. Es hat sich von Anfang an irgendwie nicht richtig angefühlt. Es war, als hätte ich das Gewicht eines ganzen Berges auf den Schultern und ich habe damit schon in der Negativen unglaublich kämpfen müssen. Aber irgendwie musste ich auch wieder hoch. Und dann hat sich plötzlich alles verlangsamt und lief wie in Zeitlupe ab. Ich habe ganz genau gespürt, was passiert ist. Zuerst ist die rechte Patellasehne weggerissen und durch die schnelle Gewichtsverlagerung riss dann als nächstes die linke Quadrizepssehne ab. Ich lag dann da auf dem Boden und alle Leute um mich herum waren in Panik. Milos [Sarcev, Anm. d. Red.] hat sofort Eis organisiert und der Fotograf tat mir total leid, weil er völlig geschockt war. Und ich selbst lag nur da und dachte „Gott sei Dank! Endlich ist es endgültig vorbei!“ Ich war total erleichtert.

Was machst du heute? Wie sieht ein Tag im Leben des Jean Pierre Fux aus?

Ich bin sehr gesundheitsorientiert und mache sehr viel Anti-Aging. Am Morgen stehe ich auf und es gibt als Erstes einen Shake mit Chlorella Spirulina und Aloe Vera. Danach springe ich ins kalte Wasser für sieben bis acht Minuten. Anschliessend gehe ich ins Gym und trainiere. Den Rest vom Tag verbringe ich im Büro und mit meinen Kunden. Vereinzelt betreue ich auch Athleten, aber hauptsächlich trainiere ich mit älteren Menschen aus meiner Gegend. Mein aktuell wichtigstes Projekt, an dem ich seit über zwei Jahren arbeite, ist meine App «FitnethiX», eine flexible, individuell anpassbare Online-Plattform, die sowohl von Fitness- und Personal Trainern als auch von ihren Kunden genutzt werden kann. Diese stellt über 600 Übungen, 1000 Nahrungsmittel und Supplements sowie eine umfangreiche Sammlung von verschiedenen Trainings- und Ernährungsplänen zur Verfügung. Gleichzeitig kann sie um eigene, individuelle Inhalte durch die Trainer selbst ergänzt werden.

Bildquelle: privat

Du hast ein grosses Herz für Tiere und kümmerst dich zu Hause in Palms Springs um heimatlose und verletzte Katzen. Wie kam es dazu?

Nach dem Unfall wollte ich nichts mehr mit Bodybuilding zu tun haben. Ich habe erst einmal Abstand dazu gebraucht. Ich hatte mein Business als Personal Trainer und ausreichend Geld zum Leben. In meiner Freizeit habe ich dann im regionalen Tierheim geholfen. 2007/2008 ist die Immobilienblase geplatzt und die Tierheime waren voll. Um die Hunde wollten sich alle kümmern, aber mit den Katzen war es nicht so einfach. Also habe ich mich dann den Katzen angenommen. Eines Tages kam eine alte Frau zu mir und fragte mich, ob ich mich nicht auch um die wilden Katzen kümmern könnte. Sie selbst hat dies jahrelang getan, musste nun aber zurück nach Minnesota ziehen und bat mich, ihr Gebiet zu übernehmen. Allein in Palms Springs gab es zu der Zeit über 5000 streunende Katzen. Die freiwilligen Helfer teilen sich die Gebiete untereinander auf und füttern die Katzen, fangen sie nach Möglichkeit ein und bringen sie zum Tierarzt, um sie zu versorgen und zu kastrieren. Ich lehnte das ab, aber sie sagte, bevor sie ging, noch zu mir, dass hinter einer Tankstelle ca. 35 Katzen seien und darunter seien auch drei ganz kleine Kätzchen und eine könnte ihre Augen nicht öffnen. In der Nacht war es dann unwahrscheinlich kalt für Palms Springs und mir hat das keine Ruhe gelassen. Also bin ich dann mit einem Korb und ein paar Decken an die beschriebene Stelle gefahren. Ich habe den Korb dort abgestellt und mich ins Auto gesetzt. Keine Minute später sind tatsächlich die drei Kätzchen aus einem Busch gekommen und sind in den Korb mit den Decken hineingekrabbelt. Ich habe die drei dann mit zu mir nach Hause genommen und hab versucht, sie zu vermitteln, weil die Tierheime keine wilden Katzen aufnehmen. Montags kam dann jemand und sagte, er nimmt eine der drei Katzen. Aber ich habe es nicht übers Herz gebracht, die drei zu trennen und das Ende vom Lied ist, dass alle drei bei mir geblieben sind. Ich habe mich dann weiter um das Gebiet der alten Dame und die Katzen dort gekümmert. Irgendwann habe ich zwei Katzen gefangen, die tragend waren und bevor ich sie zum Tierarzt bringen konnte, haben sie ihre Jungen bei mir zu Hause zur Welt gebracht. Plötzlich waren es also neun Katzen. Einige konnte ich weitervermitteln, andere nicht. Irgendwann musste ich dann ein neues Haus mit einem grösseren Grundstück kaufen und habe das speziell für die Katzen eingerichtet. Heute leben bei mir 25 Katzen und ich versorge ausserdem 21 wilde Eichhörnchen und drei Hasen.

Bildquelle: Fitness Tribune

Jean-Pierre Fux

Jean-Pierre Fux wurde 1968 in Brig-Glis im Kanton Wallis geboren und ist der bis heute erfolgreichste Schweizer Bodybuilder. Derzeit lebt er in Palms Springs, arbeitet als Personal Trainer und hat seine eigene App «FitnethiX» für Fitnesstrainer und deren Kunden gelauncht.

Kontakt: jpfux511@aol.com

Mehr von diesen Autoren

Keine weiteren Beträge von diesem Autor gefunden.

Weitere News / Verwandte Nachrichten

Training, Physiotherapie und ganz viel Herzblut im Tom’s Training & PhysioText: Carolin Blank Das Ziel war irgendwann klar: Training und...

Am 22. Februar 2025 findet die dritte Auflage der HealthExpo in der St. Jakobshalle in Basel statt....
Sandra Jensen startete ihre Laufbahn als aktive Wettkampfathletin im Bodybuilding im Alter von 45 Jahren....