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Schwinger mit Leib und Seele

Matthias Glaner

Matthias Glarner über Motivation, Fokus und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen

Matthias Glaner

Zähne zusammenbeissen, zu 100 Prozent auf das Ziel konzentrieren und dabei nie die Motivation verlieren mit diesem «Rezept» hat es Matthias Glarner zum Schwingerkönig 2016 gebracht. Wie er seine Zeit an der Spitze des Schwingsports erlebt hat, welche Eigenschaften ihn am meisten prägten und wie gross der Stellenwert von Fitnesstraining bis heute für ihn ist, hat FITNESS TRIBUNE ihn gefragt.

Tipp: Lesen Sie das Interview und erkennen Sie das Mindset dieses Leistungssportlers, das Sie auch in Ihr unternehmerisches Denken übertragen können.

FITNESS TRIBUNE: Lieber Mätthel, wie du dich selbst sehr sympathisch auf deiner Website nennst, inwiefern haben deine Eltern dich und deinen Karriereweg als Profisportler bereits in jüngster Kindheit geprägt?

Matthias Glarner: In einem Wort zusammengefasst: Sehr! Sie waren mit ihrer bedingungslosen Unterstützung das wichtige Fundament meiner sportlichen Laufbahn. Es stand aber nie im Zentrum, aus mir einen Leistungssportler zu machen. Ihnen war einfach wichtig, dass ich mich bewege und in einem tollen sozialen Umfeld aufwachse. Der Rest hat sich dann im Laufe der Zeit entwickelt

FT: Zum ersten Mal hast du bereits mit acht Jahren im Sägemehl gestanden. Was fasziniert dich seit ganzen 30 Jahren am Schwingen?

MG: Man hört es ja immer wieder, aber ja, der Zweikampf «Mann gegen Mann» hat mich doch sehr stark in seinen Bann gezogen. Und dann die ganze Kameradschaft innerhalb der Schwingerfamilie ist etwas Einzigartiges. Mittlerweile geniesse ich die spannenden Duelle von der Tribüne aus. Aber der Sport hat für mich auch als Zuschauer nichts von seiner Faszination verloren.

FT: 2016 wurdest du Schwingerkönig. Ein letzter Gang vor Tausenden von Zuschauenden. Wie hast du es geschafft, in diesem Moment mit dem Druck umzugehen und dich voll auf deine Leistung zu konzentrieren?

MG: Ich glaube, das letzte Duell, den sogenannten Schlussgang, isoliert zu betrachten, würde nicht weit genug reichen. Für mich war es ein dreijähriger Weg bis zum ESAF [Anm. d. Red.: Eidgenössisches Schwing- und Älplerfest] 2016 mit stetig ansteigender Spannung. Das Ganze gipfelte dann in diesem letzten Gang in Estavayer-le-Lac im Kanton Freiburg. Und ganz ehrlich, es war nicht sehr einfach, sich zu konzentrieren und im Tunnel zu bleiben. Da hat mir die Erfahrung sicher geholfen.

FT: Jede grosse Karriere hat auch ihre negativen Zeiten. Kannst du uns verraten, welche das für dich waren und wie du dich wieder dem Positiven zuwenden konntest?

MG: Die Berg- und auch die Talfahrten auf ihren Wegen zum Erfolg sind wahrscheinlich die verbindenden Konstanten zwischen allen Sportlerinnen und Sportlern. Nach meinem Arbeitsunfall – ich stürzte 2017 bei einem Fotoshooting von einer Gondel und zog mir dabei schwere Verletzungen zu – war der Weg zurück an die Spitze schon sehr hart und so richtig gereicht hat es dann auch nicht mehr. Rückblickend war dies wohl die prägendste Zeit. Jede einzelne Erfahrung hat mich aber stärker gemacht und mein optimistisches Mindset hat da immer sehr geholfen.

FT: 2019 bist du in den sportlichen Ruhestand. Inwiefern hast du dich seitdem körperlich bzw. mental verändert?

MG: Die Veränderungen waren sehr einschneidend. Körperlich habe ich zuerst rund fünf bis sechs Kilo Muskelmasse verloren und musste meinen sportlichen Weg im «Leben B» zuerst finden. Langsam, aber sicher habe ich eine gesunde Art und Weise gefunden. Und mental hat es rund ein Jahr gedauert, bis ich den inneren Wettkampfsportler sozusagen auf die Seite legen konnte und sich eine neue Leidenschaft als Trainer gebildet hat.

FT: Du hast es gerade selbst erwähnt. Mittlerweile bist du Trainer Spitzensport beim Eidgenössischen Schwingerverband. Wie ist es, nun andere bei ihren Wettkämpfen zu unterstützen?

MG: Sagen wir mal so, ich kann den ganzen Winter hindurch täglich die rund 25 besten Athleten im Schwingsport im Sägemehl und im Kraftraum trainieren und unterstützen. Was will man als leidenschaftlicher ehemaliger Schwinger mehr?

FT: Wie sah für dich ein normaler Trainingstag aus und gibt es Unterschiede zum heutigen Training der Athleten?

MG: Während meiner aktiven Zeit habe ich meist zwei Mal am Tag trainiert und nebenbei noch gearbeitet oder studiert. Am Morgen Kraft- oder Ausdauereinheiten und am späten Abend dann Schwingtrainings. Zu meiner Zeit kam das Halb-Profitum aber erst auf und dies ist wohl der grösste Unterschied zu den aktiven Schwingern heute. Diese gestalten den Alltag und den Beruf rund um den Sport und treiben zu 100 Prozent Leistungssport.

FT: Welches sind die drei Eigenschaften, die dich am meisten im Spitzensportbereich vorangebracht haben und inwiefern sind sie auch heute noch sehr wichtig für dein berufliches Vorankommen?

MG: Mutig sein und gross träumen, über längere Zeit hart an sich und seinen Zielen arbeiten und bereit sein, den Preis dafür zu bezahlen. Dies hilft nun im beruflichen Alltag, sprich in meiner Selbstständigkeit, sehr. Zudem versuche ich, diese Eigenschaften meinen Sportlerinnen und Sportlern im Training weiterzugeben.

FT: Welche Rolle spielt Fitnesstraining allgemein in deinem heutigen Leben?

MG: Fitnesstraining, oder ich würde dies Athletiktraining nennen, spielt eine zentrale Rolle in meinem Leben. Sei dies als Coach von Leistungssportlerinnen und Leistungssportlern oder auch als normaler «Leistungssportpensionär». Mit meiner Tätigkeit als Botschafter von EGYM Schweiz kam zudem eine weitere spannende Facette hinzu. Es ist ein tolles Team mit interessanten Projekten unterwegs und die Zusammenarbeit mit diesen innovativen Leuten macht so richtig Spass. Ich mag meine Tage also sehr.

FT: Gemeinsam mit der Stiftung «Freude herrscht» unterstützt du Kinder dabei, Kameradschaft, Durchhaltewillen, körperliche Leistungsfähigkeit und Lebensfreude aufzubauen. Inwiefern ist das ein Herzensprojekt für dich? Welchen Stellenwert hat genügend Bewegung für ein gesundes Leben bis ins Erwachsenen- und Rentenalter?

MG: Ich selbst wurde «bewegend» erzogen, heisst, wir waren andauernd sportlich unterwegs. Mir ist es wichtig, dass möglichst alle Kinder von genügend Bewegung profitieren können und die wertvollen Sportlerwerte auf ihren Lebensweg mitbekommen. Daher engagiere ich mich sehr gern für die Stiftung «Freude herrscht».

FT: Du hast ein Buch mit dem Titel «#DreamBIG» geschrieben. Wie kam es dazu und was erwartet die Lesenden?

MG: Eigentlich sollte es nicht dazu kommen, ist dann aber trotzdem irgendwie passiert. Eine Biografie über mich und meinen Weg fand ich zu wenig spannend. Nach zahlreichen Diskussionen ist dann in meinen Augen ein Buch mit Mehrwert entstanden. Ein paar Seiten wurden von meinem ehemaligen Athletiktrainer geschrieben, ein paar andere Seiten von meinem Sportpsychologen mit wertvollen Tipps für den Alltag. Es sollte also für jedefrau/jedermann etwas dabei sein.

FT: Welche beruflichen und privaten Ziele hast du für deine Zukunft?

MG: Zusammen mit meinem Geschäftspartner bin ich seit zwei Jahren als Co-Founder von Spirit4Sports Pro unterwegs. Wir betreuen rund 35 Athletinnen und Athleten aus dem Leistungssport im athletischen Bereich. Für mich ist es jeden Tag ein grosses Privileg, mit diesen Persönlichkeiten arbeiten zu dürfen und daher eine grosse Herzensangelegenheit. Ansonsten freue ich mich sehr auf weitere tolle Projekte mit dem EGYM Team und bin gespannt, was da noch alles auf mich wartet.

Über den Interviewpartner:

Matthias Glarner wurde 1985 in Meiringen geboren. Nachdem er eine Lehre als Polymechaniker mit Berufsmatur absolviert hatte, schloss er ein Studium der Sportwissenschaften an der Universität Bern an (M. Sc.). Seit seinem achten Lebensjahr ist Matthias Glarner darüber hinaus mit Leidenschaft am Schwingsport beteiligt. Seinen grössten Erfolg in diesem Sport feierte er 2016 mit dem Schwingerkönigtitel. Nach einem schweren Unfall 2017 kämpfte er sich wieder zurück, beendete seine Karriere als aktiver Schwinger aber 2019. Mittlerweile ist als Trainer tätig.

Vor zwei Jahren hat er darüber hinaus mit einem Geschäftspartner Spirit4Sports Pro gegründet. Er ist ausserdem auch als Botschafter verschiedenster Marken, unter anderem für EGYM Schweiz, tätig. Als Präsident der Bewerbungskommission bemüht er sich um die Ausrichtung des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests 2028 in Thun, Berner Oberland.

Freitag, 18. August 2023