Das Training mit der Langhantel hat unter anderem durch Functional Training, CrossFit® und soziale Medien wieder mehr an Bedeutung und Interesse gewonnen. Dadurch sind in den Fitnesscentern vermehrt Mitglieder an der Langhantel zu beobachten.
Das vielseitige Trainingsmittel eignet sich bestens für eine Vielfalt von Kraftübungen der in den meisten Fällen grossen Muskelgruppen wie z. B. Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben (die drei Mainlifts des sogenannten Powerliftings). Dass Centermitglieder wieder verstärkt Langhantelübungen ausführen, ist jedoch nicht nur mit der gesteigerten Präsenz dieser Trainingsform in sozialen Medien zu begründen. Es kommt hinzu, dass viele Trainierende z. B. die Transferbenefits von Kniebeugen oder Übungen aus dem olympischen Gewichtheben in andere Sportarten mitnehmen möchten (Schmidtbleicher et al., 2009).
Um diese Übungen korrekt ausführen zu können, wird ein grosses Mass an Mobilität und Stabilität vorausgesetzt. Werden die Übungen unter qualifizierter Anleitung absolviert, können sich Mobilität und Stabilität jedoch gleichzeitig durch diese verbessern.
Muskuläre Verletzungen, die während des Trainings oder der Ausübung von Sportarten entstehen, sind darauf zurückzuführen, dass der Muskel eine ungewohnte Beanspruchung erfährt. Die Ergebnisse von Timmins et al. (2016) zeigen, dass Verletzungen an der Ischiocruralmuskulatur durch eine geringe Faszikellänge des M. biceps femoris (reduzierte Anzahl der in Serie geschalteten Sarkomere) und durch eine geringe exzentrische Kraft bedingt sind. Zur Minimierung des Verletzungsrisikos sollte die Muskulatur dementsprechend darauf vorbereitet werden, bei grossen Bewegungsamplituden weiterhin Kraft generieren zu können, um somit auch gegenüber den einwirkenden Kräften toleranter zu werden. Dafür eignen sich Übungen mit der Langhantel, die über den vollen Bewegungsumfang sowie mit Betonung der exzentrischen Bewegungsphase ausgeführt werden, hervorragend.
Ebenfalls immer häufiger zu sehen, sind wie bereits erwähnt die sogenannten Olympic Lifts, sprich Reissen (Snatch) und Stossen (Clean and Jerk), welche die beiden Kerndisziplinen des olympischen Gewichthebens darstellen. Gerade im athletischen Bereich erfreuen sich Reissen und Stossen bzw. Teilübungen davon immer grösserer Beliebtheit. Das liegt zum einen daran, dass auch hier die Benefits (z. B. die explosive Hüftstreckung) gut auf spezifische Bewegungsmuster anderer Sportarten übertragen werden können.
Hierzu folgende Beispiele:
Was sollte abgeklärt werden, bevor das Training mit der Langhantel im Fitness- und Gesundheitscenter eingeführt wird?
Im Grossen und Ganzen gilt das Training mit der Langhantel laut Mark Rippetoe (2015) als sehr sicher. Er stützt sich in seinem Buch «Starting Strength» auf die Studie von Hamill (1994), in der die Verletzungen pro 100 Stunden Training bei Jugendlichen im Alter von 13 bis 16 Jahren erfasst wurden. Die Ergebnisse fielen, gegliedert nach Sportart, folgendermassen aus:
Diese Sportarten zählten zu den sichersten. Sogar Schulsport war mit 0,18 gefährlicher. Gemäss den Ergebnissen ist nicht davon auszugehen, dass die Verletzungsrate in anderen Alterskategorien anders sein wird. Sprich: Die Ergebnisse lassen sich auf ein lebenslanges Ausführen dieser Sportarten anwenden.
Von daher dürfte wohl anzunehmen sein, dass die Langhantel risikoarm in jedes Fitnesscenter einzuführen ist – die Statistik spricht für sich. Nicht ganz, auch hier steckt der Teufel im Detail. Wie Rippetoe in seinem Buch «Starting Strength» richtigerweise präzisiert, geht es in der genannten Studie um systematisch organisiertes Hanteltraining. Die Ergebnisse o. g. Studie wurden auf folgende Art und Weise von den Schulen erhoben:
«Schools were surveyed by questionnaire to determine the injury rate among students receiving instruction in weight training and weightlifting» (Hamill, 1994, S. 54). Die Ergebnisse basieren also auf der Verletzungsrate von Schülerinnen und Schülern, die in Krafttraining und Gewichtheben unterrichtet wurden – und zwar unter der Anleitung und stetiger Beobachtung von hochqualifiziertem Personal.
Die Gruppen wurden ausnahmslos von qualifizierten Sportlehrern betreut. In fast allen Fällen wurden die Lehrer ausgezeichnet und hatten fachliche Zusatzqualifikationen durch Lehrgänge von der British Amateur Weight Lifters Association. Diese Kurse zeichnen sich durch ihr besonderes Augenmerk auf technische Fähigkeiten und eine gründliche Analyse der Sicherheit und Vorsorge aus und berücksichtigen auch Fragen der kindlichen Entwicklung.
Kinder, die an Krafttraining und Gewichtheben beteiligt sind, sollten jederzeit engmaschig von sachkundigen Spezialistinnen und Spezialisten beaufsichtigt werden, denn dann sind Gewichtheben und die restlichen Übungen mit der Langhantel sicher. Da sich die Studie laut eigener Aussage auf alle Altersklassen übertragen lässt, zählen diese Faktoren auch für alle Altersklassen. Untermauert wird das Ganze von einer anderen Studie, die zu einem ähnlichen Schluss kommt (Calhoon & Fry, 1999).
Fazit
Damit das Gewichtheben beziehungsweise das Langhanteltraining eine nahezu verletzungsfreie und beschwerdefreie (in Bezug auf Lärm) Angelegenheit ist, sind bestimmte Grundparameter notwendig. An erster Stelle steht die Qualifikation der Trainer. Der richtige trainingsmethodische Aufbau, «Mobilität vor Technik vor Last», ist hierfür die Grundlage. Ein zweiter Punkt ist das Equipment: Gutes Hantelmaterial, festes Schuhwerk und ein geeigneter Untergrund sind unverzichtbar für einen sicheren Trainingsbetrieb mit der Langhantel.
Ronny Hänni
Ronny Hänni ist Dozent und Entwickler bei der SAFS. Er verfügt über langjährige Erfahrung als Personal und Athletic Trainer. Er war über 20 Jahre als (zum Teil internationaler) Athlet in den Bereichen olympisches Gewichtheben und Powerlifting im Einsatz, was zu mehreren Titeln und Rekorden führte. www.safs.com
Literaturliste
Calhoon, G. & Fry, A. (1999). Injury rates and profiles of elite competitive weightlifters. Journal of Athletic Training, 34(3), 232–238.
Hamill, B. (1994). Relative safety of weightlifting und weight training. Journal of Strength and Conditioning Research, 8 (1),53–57,
Rippetoe, M. (2015). Starting Strength. Einführung ins Langhanteltraining (2. Aufl.). München: riva.
Schmidtbleicher, D., Hartmann, H., Dalic, J., Klusemann, M., Matuschek, C. & Wirth, K. (2009). Vergleich unterschiedlicher Kniebeugentechniken zur Entwicklung der Schnellkraft. BISp-Jahrbuch : Forschungsförderung 2009 (2008/09), 97–102.
Timmins, R. G., Bourne, M. N., Shield, A. J., Williams, M. D., Lorenzen, C. & Opar, D. A. (2016). Short biceps femoris fascicles and eccentric knee flexor weakness increase the risk of hamstring injury in elite football (soccer): a prospective cohort study. British Journal of Sports Medicine, 50 (24), 1524–1535.
Dienstag, 22. August 2023