Über die Potenziale, Herausforderungen und Grenzen
FITNESS TRIBUNE: Liebe Ines, erleben eure Mitglieder Fit-nesstraining aufgrund der Einbettung in den Wellnesskontext eher als Teil des Entspannungserlebnisses oder doch eher als «normale» Aktivität, um fit zu bleiben?
Ines Zmasser: Ich glaube, da wird von allem ein bisschen was dabei sein. Jedes Mitglied hat eine andere Motivation, ins Fitnesscenter zu gehen. Die einen kommen nach einer überstandenen Verletzung oder Krankheit und erleben das Training eher als notwendig, um wieder eigenständig zu sein. Die anderen wollen fit werden oder bleiben, da spielt der Entspannungsgedanke keine Rolle. Und wieder andere sehen Fitnesstraining als Teil ihres Entspannungserlebnisses. Sicher ist für manche Gäste auch der direkte Zugang zur Therme ein Grund, warum sie sich für uns entscheiden.
Habt ihr eure Dienstleistungen an die Thermenlandschaft mit Wellness, Sauna und auch an die Therme Wien Med angepasst?
Die Therme Wien besteht aus drei Bereichen: die Therme selbst mit Sauna, Schwimmen, Entspannung und Wellness, die Therme Wien Med mit einer ambulanten Reha und einer ambulanten Kur – da ist der Leistungsträger auch die Krankenversicherung – und dann gibt es das Fitnesscenter für Menschen mit Vorbelastung sowie für das präventive Training. Auch wenn wir mit Trainierenden arbeiten, die eine Vorerkrankung haben oder nach der Reha zu uns kommen, dürfen sie nicht mehr den Status Patient haben. Wir sind also insofern ein klassisches Fitnesscenter.
Natürlich beeinflusst uns die direkte Anbindung an die Therme insofern, als dass wir mit den Angeboten für Anspannung und Entspannung uns gegenseitig wunderbar ergänzen. Das Gleiche gilt auch für die Therme Wien Med: Sie liefern Unterstützung im medizinischen Bereich. Wir sind für die präventive Gesundheitsleistung zuständig. Man hat also, wenn man so will, alle Angebote unter einem Dach.
Auch wenn unsere Branche in den vergangenen Jahren viel für die Akzeptanz und Anerkennung von Fitnesstraining als Gesundheitsleistung getan hat, ist das «Muckibuden»-Image noch stark in den Köpfen vieler Menschen verwurzelt. Ist es also an der Zeit, Fitnesscenter nicht mehr als einzelne Anbieter zu präsentieren, sondern sie in einen Gesundheitskomplex zusammen mit Wellness, Entspannung und medizinischer Betreuung zu integrieren?
Wo die Vorteile, Potenziale, aber auch Herausforderungen liegen und ob das womöglich das Modell der Zukunft ist, haben wir Ines Zmasser, stellvertretende Leitung des Fitnesscenters der Therme Wien gefragt.
Profitiert euer Studio von der Wahrnehmung der gesamten Therme Wien als Wellnessoase und besonders auch von der Therme Wien Med als Gesundheitsdienstleister?
Ich glaube schon, dass wir von der Marke «Therme Wien» und ihrer Wahrnehmung als Qualitätsanbieter profitieren. Ob wir besonders auch von der Wahrnehmung und Kompetenz der Therme Wien Med profitieren, kann ich nicht einschätzen.
Es gibt aber einige ehemalige Patienten, die zu uns kommen, weil unsere Kollegen der Therme Wien Med uns empfohlen haben.
Also spielt ihr euch die Patienten bzw. Trainierenden auch untereinander zu und verweist auf das interne Angebot?
Das in jedem Fall. Unseren Therapeuten ist klar, dass ein weiterführendes Training nach dem ambulanten Aufenthalt wichtig ist, um die Fortschritte zu halten bzw. auszubauen. Und entsprechend verweisen sie auch direkt an uns. Dann treten wir auch mit Erlaubnis der Trainierenden mit den Therapeuten in Kontakt und besprechen die wichtigsten Themen, um das Mitglied bestmöglich weiter betreuen zu können. Wir haben sogar Mitarbeitende, die sowohl im Fitnessbereich als auch in der Therme Wien Med tätig sind. Die Synergieeffekte nutzen wir also voll aus.
Das heisst also, euer Einzugsgebiet ist wesentlich grösser als das herkömmlicher Studios?
Man könnte natürlich vermuten, dass sehr viele ehemalige Pa-tienten als Mitglieder bei uns trainieren. Aber genau an dieser Stelle kommt eine der grössten Herausforderungen ins Spiel: Weil die Therme ein riesiger Komplex aus unterschiedlichen Bauten ist, liegen wir am Stadtrand von Wien. Entsprechend müssen die meisten auch einiges an Anfahrtszeit in Kauf nehmen, um zu uns zu kommen. Im medizinischen Bereich ist das für die Patienten kein Problem. Sie wissen, dass sie nur für eine begrenzte Zeit zu uns kommen müssen. Wenn es dann aber darum geht, das anschliessend empfohlene Fitnesstraining in unserem Studio zu absolvieren, sieht das Ganze schon etwas anders aus. Deswegen ist unser Fitnesscenter nur für die Leute interessant, die auch aus der direkten Umgebung kommen. Und das ist nur ein Bruchteil der Patienten, die im medizinischen Bereich betreut werden.
Letztlich unterscheidet sich unser Einzugsgebiet aufgrund der Lage am Stadtrand dann doch noch etwas von dem herkömmlicher Studios. Zu uns kommen nämlich viele Pendler aus Niederösterreich oder aus dem Speckgürtel, die an uns vorbei nach Wien zur Arbeit fahren. Und das vergrössert unser Einzugsgebiet schon.
Welche Auffälligkeiten gibt es aufgrund des Angebotes und der Lage in eurer Zielgruppe?
Wir sind im Vergleich zu den günstigen Ketten doch deutlich teurer, nicht zuletzt weil wir unseren Fokus auch auf andere Leistungen richten, als diese es tun. Das heisst, bei uns legen wir viel Wert auf die Betreuung, weil wir eben auch mit Menschen arbeiten, die sich gerade von einer schweren Krankheit oder einer Verletzung erholen. Sie brauchen einfach mehr Zuwendung. Deswegen ist auch die Trainingsfläche immer durch einen ausgebildeten Trainer besetzt. Zusätzlich erstellen wir, wie eben schon gesagt, auch passgenaue Trainingspläne, aktualisieren diese regelmässig und gehen auf die individuellen Bedürfnisse unserer Trainierenden ein. Wir bieten ausserdem zusätzliche Leistungen an wie Personal Trainings oder Kleingruppentrainings. Das macht wiederum eine noch intensivere Betreuung möglich, ist aber eben auch mit einem höheren finanziellen Aufwand verbunden. Dementsprechend ist unser Publikum auch ein anderes. Unser Altersdurchschnitt liegt bei 55 Jahren, zwischen männlich und weiblich ist es fast genau 50:50.
Kommen wir nochmals auf die Wahrnehmung zu sprechen. Wie positioniert ihr euch im Marketing? Präsentiert ihr euch ausschliesslich im Kontext der Therme Wien oder auch als eigenständiges Studio?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass zwar unsere Trainierenden gern das Therme-Angebot nutzen, Therme-Gäste wiederum aber nicht unser Zielpublikum sind. Sie möchten sich wirklich nur entspannen. Wie vorhin erwähnt, ist die Reihenfolge immer An- und Entspannung, aber nicht Ent- und Anspannung. Deswegen hätte es für uns viele Nachteile, wenn wir nur als Teil der Therme Wien in Erscheinung treten würden.
Wir gehen also im Marketing eigene Wege, haben einen eigenen Instagram-Account und haben auch auf der Website bewusst den eigenen Reiter «Fitnesscenter». Wir sind zwar zugegebenermassen mit dem ein oder anderen Plakat in der Therme präsent, aber die Therme macht Werbung für die Thermenprodukte und wir machen eigenständig Werbung für die Fitnessprodukte.
Ist diese bewusste Abgrenzung auch der Grund dafür, dass es kein Abonnement für Fitnesscenter und Therme zusammen gibt?
Nein, das ist wiederum nicht der Grund. Wir hatten früher Kombinationskarten. Allerdings lag der Gesamtpreis bei mindestens 250 Euro pro Monat – inklusive waren dabei aber nur fünf Therme-Besuche. Das war einfach viel zu teuer und wurde von unseren Gästen nicht angenommen. Deswegen haben wir uns auch im Abonnement separiert. Unsere Studiomitglieder erhalten aber vergünstigten Eintritt zum Therme-Bereich. Man muss aber auch dazu sagen, dass die Therme mittlerweile auch keine Jahreskarten mehr anbietet. Wir würden also ein Konkurrenzprodukt im eigenen Unternehmen schaffen.
Du hast vorhin erwähnt, dass einige Mitarbeitende im Studio und in der Therme Wien Med tätig sind – wie sieht es generell mit der Qualifikationsstruktur der Beschäftigten aus und wie funktioniert diese bereichsübergreifende Tätigkeit?
Also, die Therme Wien hat mittlerweile über 300 Mitarbeiter. Im Fitnesscenter sind wir aktuell bei 21 Mitarbeitern. Unsere Fitnesstrainer haben sehr gute Ausbildungen und meist schon viel Erfahrung. Das ist notwendig, eben weil wir ganz viel mit Leuten zu tun haben, die die Betreuung brauchen und wünschen. Wir haben auch einen Lehrling, den wir zum Fitnessbetreuer ausbilden. Und wir haben ganz viele Gruppentrainer auf Stundenbasis mit den entsprechenden Ausbildungen. Bei unserem Rezeptionsteam und den Gästebetreuern geht es weniger um die Ausbildung, sondern viel mehr um Offenheit und Kommunikation. Und wir beschäftigen auch eine Sportwissenschaftlerin, die im Health Center Check-ups anbietet, die die Basis für die Trainingsplanerstellung und für die Erfolgskontrolle bilden. Wir versuchen also ganz bewusst, die Kompetenzen unserer Beschäftigten auch in Szene zu setzen und aktiv anzuwenden.
Unsere Sportwissenschaftlerin ist wiederum akkreditiert und darf in der Therme Wien Med noch rehabilitative sportliche Einheiten anbieten. Das schafft nicht nur eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit, sondern wir können ganz einfach auf unser Fitnesscenter aufmerksam machen.
Wenn wir die Vor- und Nachteile nun gegeneinander aufwiegen, sollte der Gesundheitskomplex bestehend aus Fitnesscenter, Wellness, Sauna und medizinischem Angebot das Zukunftsmodell werden, um langfristig die Akzeptanz und Anerkennung von Fitnesstraining in der Gesellschaft zu steigern?
Ich glaube nicht, dass eine Art Gesundheitskomplex die Gesamtlösung des Problems wäre, dass Fitnesstraining oft nicht die notwendige Anerkennung erfährt. Auch wenn der gesellschaftliche Trend langsam dazu geht, Fitnesstraining als Prävention und Gesundheitsleistung anzusehen, kann der gesamtgesellschaftliche Umbruch nicht durch die Einbettung eines Studios in einen Gesamtkomplex erreicht werden. Erst wenn Kinder schon in Kindergarten und Schule erfahren, wie wichtig Sport und Bewegung für ihre Gesundheit sind, dann wird es zu einer nachhaltigen Veränderung kommen.
Über die Interviewpartnerin
Ines Zmasser (36) arbeitet seit 17 Jahren in der Therme Wien. Seit einigen Jahren ist sie die stellvertretende Leitung des Fitnesscenters in der Therme Wien und kümmert sich um die Rezeption, Gästebetreuung, administrative Arbeiten und die Leitung des Teams. Sie verbringt auch privat bewusst sehr viel Zeit auf der Trainingsfläche, um ein Gefühl für die Bedürfnisse ihrer Kunden zu bekommen.
Das Fitnesscenter der Therme Wien
Die Therme Wien GmbH und Co KG ist ein Unternehmen mit drei Profitcentern, eines davon ist das Fitnesscenter. Insgesamt umfasst dieses 1200 Quadratmeter Trainingsfläche mit Kraft- und Ausdauergeräten, Gleichgewichtstraining, Stretching-Area und eigener Ladys-Fitnesszone. Auch auf Gruppentrainingsangebote, insgesamt 45 Stunden pro Woche, legt das Studio viel Wert.