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Ein Hoffnungsschimmer und Must-have in Krisenzeiten
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Wann Erfolg sich herumspricht – und wann nicht!

Wenn wir vom Virus etwas lernen können, dann, wie exponentielles Wachstum funktioniert. Da fällt irgendwo in China ein Sack Reis um – und die verheerenden Folgen fegen mit rasender Geschwindigkeit über die ganze Welt.

Was linear wächst, bleibt überschaubar, exponentielles Wachstum dagegen führt unweigerlich zum «point of no return». Du stehst daneben und kannst nichts tun, wenn es nicht irgendwelche Faktoren gibt, durch die das ungehemmte Wachstum einzudämmen ist. Für den Ebola-Virus sind das zum Beispiel die klimatischen Bedingungen Afrikas, die es zum Glück (noch) nicht überall gibt auf der Welt. Für den Coronavirus gibt es diese hemmenden Bedingungen nicht. Man erhofft sich eine Atempause durch den Sommer, aber sicher kann man sich da nicht sein. Das ist der Grund, warum dieser Virus, auch wenn es kein Killervirus ist wie Ebola, jeden, der etwas von exponentiellem Wachstum versteht, erschaudern lässt.

Warum die Panik, das zeigt ein indisches Märchen, in dem ein König das Schachspielen erlernen will. Zum Dank verspricht er seinem Lehrmeister die Erfüllung eines Wunsches. Der gibt sich bescheiden und wünscht sich ein Reiskorn auf dem ersten Feld. Er bittet den König, auf jedem weiteren Feld die Zahl an Reiskörnern zu verdoppeln. Stimmte der König zu, lägen auf den 64 Feldern des Schachbretts zum Schluss an die 20 Trillionen Reiskörner. Mit dieser Menge lisse sich unser gesamter Planet mit Reiskörnern bedecken. Ein ziemliches Schlitzohr, dieser Lehrmeister. Und nun, liebe Studiobetreiber, schaut euch bitte eure Wettbewerber an. Ob es die Influencer sind oder die Discounter: Alle verfolgen sie dieses Ziel!

Wie das bei den Influencern funktioniert, habe ich inzwischen hinreichend zitiert. Aber auch die Discounter bedienen sich dieses Prinzips. Während die Einzelstudios noch an Werte wie «Qualität durch individuelle Betreuung» glauben, entwickeln die Discounter eine unglaubliche Geschwindigkeit im Wachstum allein über die Masse ihrer Mitglieder. Denn wenn jedes Mitglied nur zwei weitere Mitglieder mitbringt, gewinnt ein Club mit 2’000 Mitgliedern schon bei der ersten Verdoppelung 4’000 Mitglieder dazu. Nimmt man pro Verdoppelung einen Zeitraum von einem Quartal an, liegt der Club bereits nach zwei Jahren bei ca. einer Million Mitgliedern, selbst wenn man 50 Prozent Fluktuation berücksichtigt. Voraussetzung für die Möglichkeit zu exponentiellem Wachstum ist zum einen ein Preis-Leistungsverhältnis, das leicht zu kommunizieren ist, und zum anderen eine entsprechend grosse Nachfrage. McFit erreichte auf diese Weise über eine Million Mitglieder innerhalb eines Zeitraums, in der ein Einzelstudio – wenn es gut ist – vielleicht 1’000 bis 2’000 Mitglieder schafft. Und jeder fragt sich: Wie hat der Schaller das gemacht? Die Antwort lautet: Durch exponentielles Wachstum!

Allein die bessere Lage am Ort und ein überragender Vorteil im «Kundengruppenbesitz» reicht, damit für den Discounter die Gewinnung neuer Mitglieder bei steigender Anzahl an Kontakten immer einfacher und günstiger wird, während der Einzelunternehmer für jedes neue Mitglied immer noch tiefer in die Tasche greifen muss. Sobald die Kosten für die Gewinnung neuer Kunden steigen, obwohl sie eigentlich sinken sollten, müssen sich die Clubs – auch wenn es jetzt noch gut läuft – fragen, ob das auf Dauer gutgehen kann.

Es ist die Exponentialfunktion, die dem Discounter wie dem Influencer ein Wachstum erlaubt, das der Einzelunternehmer nicht eindämmen kann. Als Beobachter steht er daneben und fragt sich, wie unberechenbar doch die Welt geworden ist. Nur bringt ihm das nichts. Die Discounter und die Influencer nutzen lediglich ihre Chance. Und das sollten die Einzelunternehmer ebenfalls tun. Sie sollten sich ihre eigenen Prozesse anschauen und sich fragen, wo ihre Chancen liegen, und wie sie ihre Chancen nutzen können.

Im Augenblick halten die Einzelstudios noch daran fest, dass ihre Trainer ihre Mitglieder «individuell» betreuen. Aber genau das ist typisch lineares Denken. Wer exponentielles Wachstum erzielen möchte, der muss auf seiner Trainingsfläche Bedingungen schaffen, wie sie sich ein Virus gar nicht besser wünschen kann: Viele Menschen auf engem Raum, am besten Karneval jeden Tag! Dann freut sich das Virus und wandert von Mensch zu Mensch. Der Fitnessclub ist dann der Hotspot von Erkenntnissen, die sich im Handumdrehen verbreiten in der ganzen Stadt.

Wäre schön, wenn es so wäre. Tatsächlich aber geschieht das Gegenteil. Die Trainer machen mit allem, was sie tun, dem armen Virus das Leben schwer. Sie gehen mit einem einzelnen Kunden ins Büro, infizieren ihn dort mit einem abgeschwächten Virus, entlassen ihn geimpft, möglichst schon immunisiert, mit dem neuen Trainingsprogramm wieder auf die Trainingsfläche, damit er dort sein «individuelles Training» wieder aufnehmen kann. Für dieses möglichst kontaktfreie Training – mit 1,5 m Mindestabstand zu den anderen Mitgliedern – gibt es seit Corona einen neuen Fachbegriff: «Social Distancing»!

Bis heute läuft fast die gesamte Kommunikation – zumindest über Trainingsfragen – über den Trainer, und seine Kommunikation zielt zu 90 Prozent auf dieselben Mitglieder. Ein ständiges Rühren im gleichen Topf. Denn hinter denselben Mitgliedern stehen auch immer dieselben Freunde. So entsteht eine Abkapselung mit einer gegenseitigen Immunisierung innerhalb des Freundeskreises, an der jeder Virologe seine Freude hätte. Unter kommunikativem Aspekt macht das alles jedoch gar keinen Sinn. Denn nur Mitglieder, die im Club auch miteinander über die Erkenntnisse im Training reden, verbreiten diese auch nach aussen. Und dabei ist das, was bei der Verbreitung eines tödlichen Virus am liebsten keiner gewesen sein will, besonders wichtig:

Der Patient Zero ist das Einzelstudio, und das muss für alle ersichtlich sein!

Ich bin kein Virologe, ich bin Sprachwissenschaftler. Mich interessiert nicht, wie man einen Virus möglichst erfolgreich eindämmt, sondern wie man den Menschen Erkenntnisse wie einen Virus einpflanzt, sodass er sich möglichst ungehemmt fortpflanzen kann. Und unter diesem Gesichtspunkt ist die Arbeit der Trainer schlicht kontraproduktiv. Hinter jedem, mit dem man spricht, stehen Menschen, mit denen diese sprechen. Dabei steht die Geschwindigkeit, mit der sich Erkenntnisse verbreiten, zum einen im Verhältnis zur Wichtigkeit, die die Menschen den Erkenntnissen beimessen, und der Einfachheit, die es ihnen ermöglicht, der Verbreitung dieser Erkenntnisse exponentielles Wachstum zu verleihen. Deshalb lautet meine Empfehlung an die Einzelstudios:

Wenn die Discounter exponentielles Wachstum erzielen allein durch die Masse an Mitgliedern, dann müssen die Einzelstudios in der Lage sein, ein vergleichbares Wachstum zu erzielen in der exponentiellen Verbreitung ihrer Erkenntnisse. Denn wo beim Discounter 500 Menschen zur Verfügung stehen, um ihre Informationen an jeweils zwei Freunde weiterzugeben, da muss der Einzelunternehmer als Einzelner in der Lage sein, 500 Menschen direkt zu erreichen. Ist er das, reicht ein einziger Vortrag – und eine Kleinstadt spricht über ihn. Und diese Rechnung galt nie mehr als jetzt. Denn während der Ausgangsbeschränkungen sitzen die Menschen zuhause, und sie warten auf Nachrichten. Sie wollen Informationen und sind interessiert an Erkenntnissen, um besser zu verstehen, was da draussen passiert. Sie wollen wissen, was sie tun können, um mit der Situation besser umgehen zu können. Und unter all den Informationen aus den Medien sollten auch Nachrichten und wichtige Erkenntnisse aus ihrem Fitnessstudio sein. Nachrichten, denen man Vertrauen schenken kann. Denn was jetzt vor allem gefragt ist, ist Integrität. Man möchte etwas Vernünftiges hören, von Menschen, denen man vertraut und die man versteht.

«Die Grenzen deiner Sprache markieren die Grenzen deiner Welt. Denn wer es nicht sagen kann, der muss dazu schweigen», sagt Ludwig Wittgenstein. Dieter Nuhr hat die Worte des Philosophen auf einen einfachen Nenner gebracht:

«Wer keine Ahnung hat – Einfach mal die Fresse halten.»

Und die, von denen man jetzt nichts hört, das sollten nicht die Einzelstudios sein. Denn «alles, was sich klar denken lässt, lässt sich auch klar sagen» (ebenfalls Ludwig Wittgenstein). Und darin möchte ich die Einzelstudios schulen. Auf dem EGYM-Kongress am 12. März 2020 hat Mario Görlach noch einmal nachdrücklich darauf hingewiesen, wie wichtig es für die Einzelstudios sei, statt zeit- und kostenaufwendiger Einzeltermine ihre Erkenntnisse in Form von Vorträgen zu kommunizieren. Er erinnerte die Unternehmer, dass es sich bei meinem «Trainerkonzept» um ein «Geschäftsmodell für Trainer» handele. Jeder Trainer könne sich mit diesem Modell an jeden x-beliebigen Discounter wenden und in dessen Räumlichkeiten virale Vorträge halten – und in Einzelfällen geschähe das auch schon. Er betonte, dass es für die Einzelstudios keine gute Entwicklung sei, wenn sie sich hierin von den Discountern überholen liessen. Denen verleihen bereits ihre grösseren Mitgliederzahlen wesentlich mehr Reichweite. Halten nun auch noch geschulte Trainer in ihren Räumlichkeiten virale Vorträge, erzielten sie damit noch mehr Reichweite. Er wies darauf hin, dass er die «Masterausbildung» nicht aus wirtschaftlichen Erwägungen in den EGYM-Campus aufgenommen habe, denn für EGYM sei sie kein Geschäft. Er habe sich nicht im Interesse von EGYM entschlossen, die «Masterausbildung» in den Campus aufzunehmen, sondern im Interesse der Einzelstudios. Ihnen wolle er einen Vorsprung verschaffen, denn den würden sie brauchen. Wörtlich sagte er:

«Andreas Bredenkamp ist in einem Alter, in dem man Geburtstage nicht mehr unbedingt feiert. Nutzt also die Chance zu lernen, wie man virale Vorträge hält, solange er noch die Lust dazu hat, sie auf unserer Masterschulung zu vermitteln.»

Ich habe noch sehr viel Lust dazu, denn in Zukunft wird nicht die Bereitstellung von Geräten das Spiel entscheiden. Für die Discounter ist «fehlende Nachfrage» ein ähnlich eindämmender Faktor wie die klimatischen Bedingungen Afrikas für Ebola. An die 90 Prozent der Menschen, für die Fitness gar kein Thema ist, kommt der Discounter nicht dran. Wichtig für diesen Markt sind die notwendigen «Erkenntnisse», warum Muskeltraining für jeden Menschen so wichtig ist, und dieser Schlüssel liegt bis jetzt noch in den Händen der Einzelstudios – und ihrer Trainer! Und mit den Trainern werden die Erkenntnisse die Einzelstudios auch verlassen. Wenn es dumm läuft, in Richtung der Discounter. Die eigentliche Gefahr für die Einzelstudios sind damit nicht die Discounter, sondern womöglich ihre eigenen Trainer. Deshalb sollten sich die Betreiber der Einzelstudios überlegen, ob sie mir ihre Trainer zur Ausbildung schicken. Natürlich schulen wir im Rahmen der Masterausbildung auch gern irgendwann die Trainer, aber die Betreiber der Fitnessanlagen sollten zuerst lieber selbst kommen, um sich den notwendigen Vorsprung zu verschaffen. Genau den Vorsprung, von dem Mario Görlach auf dem EGYM-Kongress sprach.

Mein Ziel auf der Schulung ist es nicht, aus den Betreibern von Fitnessanlagen «Speaker» oder «Influencer» zu machen. «To influence» heisst «beeinflussen». Entsprechend möchte ich mit der Schulung die Betreiber befähigen, durch einen geschliffenen sprachlichen Ausdruck auf ihren eigenen Markt mehr Einfluss zu nehmen. So wie für die Discounter die «fehlende Nachfrage» ein eindämmender Faktor für den Virus ist, so ist das für die Einzelstudios im Augenblick noch ihr sprachlicher Ausdruck, um sich die 90 Prozent des Marktes zu erschliessen. Darin möchte ich sie unterstützen, denn die Zukunft gehört nicht den «Bereitstellern von Geräten», sondern der Integrität des Unternehmers in der Kommunikation mit seinen Kunden. Wenn die Kunden dem Einzelunternehmer in Krisenzeiten wie diesen vertrauen dürfen, werden sie auch solidarisch zu ihm stehen.

Andreas Bredenkamp

Jahrgang 1959

Studierte Germanistik und Sport, Autor des Buches „Erfolgreich trainieren“ und des „Fitnessführerscheins“