93 Prozent der Trainierenden erreichen Ihre Ziele nicht
Kein Trainingsplan ohne SMARTE Ziele! Dieser Grundsatz ist das Wesentliche, wenn es darum geht, das Richtige zu trainieren. Richtig zu trainieren reicht nicht. Nur wenn ich als Trainer wirklich weiss, was die Kundin oder der Kunde, die Athletin oder der Athlet für Träume hat, von Zielen sprechen sie in der Regel nicht, wird es mir möglich sein, einen individuellen und zielführenden Trainingsplan zu erstellen. Tun wir das nicht, gehört die Kundschaft im Fitnesscenter zu den 93 Prozent der Trainierenden, welche ihre Ziele nicht erreichen. Sie haben richtig gelesen; im Umkehrschluss heisst dies, lediglich sieben Prozent der Trainierenden erreichen ihre Ziele. Eine unfassbar schlechte Quote.
Zweimal 40 Minuten Krafttraining und nur ein Satz ist völlig ausreichend
Die unsägliche Frage ob ein Einsatz- oder ein Mehrsatztraining besser sei, erübrigt sich. Ein effektives Training ist mit einem Einsatztraining und fein abgestimmten Übungen enorm gewinnbringend. Die Voraussetzung «…arbeiten bis zur muskulären Erschöpfung…» setzen wir als gegeben voraus. Wobei uns auch hier das Pareto-Prinzip einholt – 80 Prozent davon reicht im gesundheitsorientierten Kontext aus.
Die wichtigsten Punkte für die Praxis:
- Die Spannungszeiten je nach Trainingsziel sind zwingend einzuhalten.
- Einsatztraining ist im gesundheitsorientierten Kontext die richtige Wahl.
- Krafttraining ist hart – 85% des 1 RM müssen es bei der Zielsetzung „Hypertrophie“ schon sein.
- Zwei bis maximal drei intensive Krafttrainings pro Woche sind ausreichend.
- Zweimal 40 Minuten Krafttraining im gesundheitsorientierten Kontext sind ausreichend bei guter Trainingsgestaltung.
Ein Krafttraining macht beweglich – das erstaunt angesichts der schrankartig wandelnden Muskelprotze
Dehnen Sie auch, um beweglicher zu werden? Spüren Sie etwas davon oder ist es eher schade um die aufgewendete Zeit? Das Thema schwappte in den 70er Jahren wie vieles andere aus Amerika über den grossen Teich zu uns – und wurde deshalb für gut befunden. Das ist teilweise heute noch so. In der Zwischenzeit hat die Wissenschaft einiges getan und tatsächlich mehr Wissen geschaffen. Nimmt man den aktuellen Stand der Diskussion, ist das Dehnen sehr differenziert zu betrachten, um es einmal sorgfältig auszudrücken.

Die individuelle Herzfrequenz ist so einmalig wie die DNA
Beweglichkeit ist wichtig – nur damit wir uns nicht falsch verstehen. Ein harmonischer Bewegungsablauf, ein harmonisches Ganzes, benötigt neben vielen anderen Faktoren eben auch Beweglichkeit. Egal, ob im Alltag oder im Leistungssport. Der Mensch soll beweglich bleiben bis ins hohe Alter, damit seine Lebensqualität gut oder zumindest besser wird.
Das Dehnen allein für die Beweglichkeit verantwortlich ist, glauben heute noch immer viele Trainerinnen und Trainer. Sie schwören schon fast darauf. Deswegen wird es aber nicht richtiger. Sie bemühen oft das Bild der Katze, die sich reckt und streckt. Das hat aber mit den Faszien zu tun. Anders gesagt: Die Katzen waren schon immer intelligenter als wir – wenigstens, was die Beweglichkeit angeht.
Das beste Beweglichkeitstraining ist ein differenziertes Krafttraining, bei dem konsequent und ohne Ausnahme in jedem Training Agonist und Antagonist trainiert werden. Das wissen Sie ja mittlerweile schon. Das reicht aber noch nicht. Jeder Muskel ist in seinem zum Zeitpunkt des Trainings grösstmöglichen Bewegungsumfanges zu trainieren. Das ganze ROM (Range of Motion) ist auszunutzen. Aus dieser Optik ist Bankdrücken die dümmste aller Übungen im Krafttraining. Aus Sicht der Ästhetik aber durchaus sinnvoll.
Das Dehnen hat dort seinen Platz, wo es sinnvoll und nötig ist, beispielsweise bei der Korrektur von muskulären Dysbalancen oder bei Sportarten wie Ballett oder Kunstturnen.
Warum die Tabellen für die Herzfrequenzen ein Witz sind
Es werden wohl auch im Jahre 2020 noch irgendwelche Faustformeln oder Grafiken gebräuchlich sein, mit welchen vorgegaukelt wird, den für das Trainingsziel relevanten Bereich der Herzfrequenz berechnen zu können. Vergessen Sie es! Formeln wie 220 minus Lebensalter als maximalen Puls eines Menschen zu bezeichnen, ist, gelinde gesagt, ein Witz. Statistik sei Dank – die Wenigen, für die das sogar passt, sind definitiv zu wenig. In der Praxis habe ich Abweichungen gegenüber dieser Faustformel von minus 12 bis plus 34 erlebt. Statistisch passt rund ein Viertel der Trainierenden in die Formel mit einer Abweichung von plus/minus vier.
Das heisst für die Praxis: Nur wer seine individuelle maximale Herzfrequenz (HFmax) kennt, kann ein effektives Ausdauertraining durchführen. Für die Bestimmung dieser HFmax stehen in der Praxis verschiedene Testverfahren zur Verfügung. Von hochkomplexen Labortests hin zum einfachen Feldtest ist da einiges in der Ausdauerwelt zu finden. Je nach Anforderung und Leistungsniveau sind diese mehr oder weniger sinnvoll. Hier sind die Fachkompetenz und der Realitätssinn von Trainerinnen und Trainer gefragt.

Speck und Bohnen: Das tägliche Menü im Fitnesscenter.
Warum hohe Trainingsumfänge selbst Elefanten ans Limit bringen
Alle optimieren das Training, versuchen Neues und übernehmen Beispieltrainingspläne von erfolgreichen Sportlerinnen oder Sportlern aller Couleurs. Was bei X oder Y Erfolg bringt, kann mir ja schliesslich nicht schaden. Dieser Fehlinterpretation verfallen viele Mitglieder in den Fitnesscentern und ebenso viele ambitionierte Breitensportler. Sie trainieren Umfänge, welche selbst Elefanten an das persönliche Limit bringen. Daraus lässt sich schlussfolgern: Wer weniger trainiert, erzielt die besseren Resultate! Das Thema Regeneration wird in oft ausgeblendet mit fatalen Folgen.
Das Management der Regeneration muss bei allen regelmässig Trainierenden ein Thema sein. Die Trainingspläne sind ausgeklügelt bis ins letzte Detail – aber das wichtigste Detail wird oft vergessen: die Regeneration. «Wie viel soll ich trainieren»? ist die falsche Frage! Die richtige Frage lautet: «Wie viel Zeit habe ich für die Regeneration zur Verfügung»? Daraus lässt sich anschliessend Umfang und Inhalt des Trainings ableiten.
Im Leistungssport wird die Regeneration immer wichtiger und ist ein grosses Thema. So haben sich in der Schweiz die Trainerinnen und Trainer an der Magglinger Trainertagung im Oktober 2017 ausführlich mit dem Thema Regeneration auseinandergesetzt – zwei Tage lang mit spannenden Erkenntnissen für alle Trainierenden. Oder in Deutschland: Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft hat mit «REGman» ein gross angelegtes Projekt zum Regenerationsmanagement im Leistungssport während vier Jahren (2012–2016) erarbeitet, mit klaren Handlungsempfehlungen zu den jeweiligen Fragestellungen. Ich nehme in diesem Kapitel Bezug auf diese beiden Quellen. Zudem konzentriere ich mich bei den Empfehlungen auf Interventionen, welche für Trainierende im Fitnesscenter und ambitionierte Breitensportler und relevant und umsetzbar sind. Aus diesem Grund sind psychologische Strategien zur Regeneration nicht Thema dieses Kapitels, obwohl diese einen sehr hohen Nutzwert haben.
Der Weg ist das Ziel – ein kolossales Missverständnis
Der Weg ist das Ziel! Diesen Ausspruch haben Sie mit Sicherheit schon irgendwo gehört oder gelesen. Am ehesten wohl im Zusammenhang mit Sportlerinnen und Sportlern, welche das Ziel nicht (ganz) erreicht haben. Der Weg ist das Ziel – ein Motto, das letztlich in die Irre führen muss. Doch der Reihe nach.
Zuerst erzähle ich Ihnen eine kleine Geschichte vom Alltag auf einer Ranch. Die Geschichte ist übrigens nicht von mir, sondern dem Beitrag Bohnen und Speck» von Stefan Köhler in dem Buch «Erzählbar» von Hans Hess entnommen:
[…] Robert lebte mehr schlecht als recht von seiner Schreiberei. Er träumte davon, eines Tages eine Ranch zu besitzen, aber mit seinen Einnahmen als Schriftsteller würde das wohl ein Traum bleiben. Nun hatte er das Glück, einen Verleger zu finden, der ihm einen hübschen Vorschuss auf seine Arbeit zahlte, und so hatte er endlich ein wenig Geld. Natürlich nicht genug für eine Ranch, aber für vier Wochen Urlaub auf einer Ranch reichte es. Voller Vorfreude buchte er die Reise. Schon gleich am ersten Tag durfte Robert helfen, den Zaun zu reparieren, und so ritten sie früh morgens los. Fantastisch! So hatte er sich das vorgestellt: auf dem Rücken eines Pferdes die Natur genießen und stolz auf seiner Hände Arbeit sein. Müde, aber glücklich ritten sie abends nach Hause. Von weitem rochen sie es schon: Bohnen und Speck. Genau das Richtige für einen Cowboy! Das Essen schmeckte herrlich. Am nächsten Tag ging es raus zum Kälber-Brandmarken. Robert lernte es schnell. Ein toller Tag! Abends ritten sie nach Hause, und es gab wieder Bohnen und Speck. Am dritten Tag fingen sie ein paar verirrte Kälber ein und trieben sie zurück zur Herde. Wunderschön, wie sich ihnen die Natur in der Sonne offenbarte! Und abends zu Hause gab es – Bohnen und Speck. Am vierten und fünften Tag trieben sie die Herde auf neue Weiden. Robert fragte sich tagsüber schon, was es wohl abends zu essen geben würde. Es gab – Bohnen und Speck. Wie auch am sechsten Tag […].
Sie fragen sich, was das mit Planung und Steuerung zu tun hat? Ganz einfach – in der freien Prärie der Fitnesscenter gibt es täglich Speck und Bohnen zu essen. Eine Planung über einen vernünftigen Zeitraum mit Zielen, die den Namen verdienen, und bei der die Trainingsgrundsätze im Wesentlichen eingehalten werden, ist leider nur selten anzutreffen. Machen Sie den Test und fragen Sie das nächste Mal fünf Mittrainierende Ihrer Wahl, was genau ihr Trainingsziel ist. Sie werden sich verwundert die Augen reiben. Nur ganz wenige Trainierende werden klar sagen, was heute das Trainingsziel ist was mittel- und langfristig als Trainingserfolg angestrebt wird. Der Aufwand für eine strukturierte Planung ist nicht so gross, dass man das aus Zeitgründen nicht machen kann. Da wären wir dann schon fast wieder beim Thema «Der Weg ist das Ziel». Gehen wir die Sache strukturiert an – denn von der Planung und Steuerung hängt der Trainingserfolg ab – und davon wiederum, unter anderem, die Erneuerungsquote. Alles klar?