Faszien im Fokus: Warum sie mehr sind als bloßes Stützgewebe

Was Faszien wirklich leisten, wo diese im menschlichen Körper zu finden sind, warum sie Schmerzen verursachen können und wie sich ihre Gleitfähigkeit gezielt verbessern lässt – ein Blick hinter das oft missverstandene Gewebe.

Faszien – auf diesen Begriff stösst man immer wieder, doch welche Funktion sie haben oder wo sie im Körper zu finden sind, wird meist nicht erwähnt. Es lohnt sich also, sich mit dem Aufbau und der Funktion der Faszien näher zu beschäftigen.

Faszien sind Strukturen aus kollagenem Bindegewebe, das Muskeln umschliesst, aber auch das ganze Körpergewebe durchdringt und die einzelnen Körperpartien miteinander verbindet. Es sieht somit aus wie ein gitterartiges Geflecht, das wie eine Art zweite Haut fungiert. Faszien umschliessen jedoch nicht nur Muskeln und geben ihnen ihre Form, sondern haben auch direkten Einfluss auf ihre Funktion (Hegner, 2018). Die Aufgabe der Faszien lässt sich sehr gut am Beispiel einer Grapefruit veranschaulichen. Die äussere Schale steht für die Haut, die weissen Häute im Inneren trennen die Fruchtsegmente – ähnlich wie Muskeln und Organe von Faszien umhüllt und voneinander abgrenzt werden. Entfernt man das Fruchtfleisch, bleibt nur das Bindegewebsnetz übrig – so wie im Körper das Fasziensystem die Form und Struktur erhält (Schleip, 2018).

Funktionen der Faszien

Sie erfüllen zentrale Funktionen im menschlichen Organismus. Als Teil des Bindegewebes bilden Faszien ein netzartiges, durchgehendes Spannungs- und Gleitgewebe, das Muskeln, Organe, Nerven, Gefässe und sogar Knochen miteinander verbindet. Ihre Aufgaben gehen weit über die Stabilisierung hinaus.

1. Struktur und Formgebung:

Faszien verleihen dem Körper Form und innere Ordnung. Sie umhüllen Muskeln in Bündeln und Einzelsegmenten (Epimysium, Perimysium, Endomysium) und formen das sogenannte myofasziale System (Schleip, Findley, Chaitow & Huijing, 2012).

2. Kraftübertragung und Bewegungskoordination:

Faszien sind aktiv an der Kraftübertragung beteiligt – sowohl innerhalb eines Muskels als auch zwischen benachbarten Muskelgruppen. Dieses Prinzip der sogenannten epimuskulären Kraftübertragung zeigt, dass Faszien keineswegs ausschliesslich eine passive Funktion erfüllen, sondern auch aktiv an Bewegungen beteiligt sind (Huijing, 2009).

3. Gleitfähigkeit und Beweglichkeit:

Eine gesunde Faszie erlaubt das reibungslose Gleiten von Muskelschichten gegeneinander. Einschränkungen dieser Gleitfähigkeit, etwa durch Bewegungsmangel, Überlastung oder Narben, können zu Verspannungen, Bewegungseinschränkungen und Schmerzen führen (Schleip, 2018).

4. Sensorische Funktion und Schmerzempfindung:

Faszien enthalten eine Vielzahl sensorischer Rezeptoren, darunter Mechanorezeptoren, Propriozeptoren und freie Nervenendigungen. Diese sind für die Wahrnehmung von Spannung, Dehnung und Schmerz verantwortlich. Besonders die oberflächlichen Faszien gelten als „Sinnesorgan für Bewegung“. Es wird angenommen, dass myofasziale Strukturen bei vielen unspezifischen Schmerzen, etwa Rückenschmerzen, eine bedeutende Rolle spielen (Schleip et al., 2012).

5. Kommunikation und Stoffwechsel:

Neuere Forschungen legen nahe, dass Faszien auch als Kommunikationsmedium im Körper dienen, etwa durch Flüssigkeitstransport im interstitiellen Raum. Sie unterstützen damit den Stoffaustausch und sind auch Träger von Immunzellen – was sie zu einem Teil des körpereigenen Abwehrsystems macht (Swartz, Lund & Borriello, 2022).

6. Wundheilung und Geweberegeneration:

Faszien enthalten Fibroblasten – Zellen, die massgeblich an der Kollagenproduktion und damit an der Reparatur und Stabilisierung von Gewebe beteiligt sind. Sie reagieren auf mechanische Reize (z. B. durch Bewegung oder Massage) und passen sich strukturell an (Grinnell, 2003).

Können Faszien überhaupt verkleben – oder ist das nur eine bildhafte Erklärung?

In der Medizin spricht man von „Verklebung“ (Adhäsion) bei dauerhaften Gewebsverbindungen, z. B. bei Narben oder pathologischen Verwachsungen nach Operationen. Im gesunden Fasziengewebe sind diese echten Verklebungen jedoch nicht nachweisbar. Die sogenannte Verklebung betrifft meist die Funktion des Gewebes – also wie gut es sich bewegt – und nicht eine dauerhafte Veränderung der Struktur. Deshalb lässt sie sich in der Regel auch wieder rückgängig machen. Der Begriff „Verklebung“ hat sich in der Praxis dennoch etabliert, weil er leicht verständlich ist. Aus didaktischer Sicht mag das hilfreich sein – aus wissenschaftlicher Perspektive sind jedoch präzisere Bezeichnungen wie z. B. viskoelastische Veränderung, veränderte Faszienschichtung oder Gleitstörung zu bevorzugen (Bonar, 2012).

Begriffsklärung: „Verklebte Faszien“ – was ist gemeint?

Faszien bestehen aus kollagenen und elastischen Fasern, eingebettet in eine extrazelluläre Matrix (EZM), die vor allem aus Wasser besteht (70 %), das durch die Hyaluronsäure gebunden wird. Unter normalen Bedingungen ermöglichen diese Schichten eine reibungslose Bewegung von Muskeln und Organen gegeneinander (Stecco, Macchi, Porzionato,
Duparc & De Caro, 2011).

Wenn Faszien „verkleben“, ist also gemeint:

  • Die viskoelastischen Eigenschaften der EZM verändern sich (z. B. durch Inaktivität, Überlastung, Entzündung),
  • die Hyaluronsäure wird „gelartig“ und verringert die Gleitfähigkeit,
  • Abnahme der Grundsubstanz und des Wassergehalts,
  • dichtere Anordnung der Kollagenfasern.

Dadurch kann es zu Bewegungseinschränkungen, Spannungsgefühlen oder Schmerzen kommen. Einschränkungen infolge reduzierter Gleitfähigkeit sind jedoch reversibel. Studien zeigen, dass manuelle Techniken, Bewegung oder gezieltes Faszientraining die Gewebeviskosität beeinflussen und die Gleitfähigkeit verbessern können (Simmonds, Miller & Gemmell, 2012).

Massnahmen für gesunde und bewegliche Faszien

Verschiedene Massnahmen haben sich in Studien als wirksam erwiesen, um die Gleitfähigkeit zu verbessern, Spannungen zu reduzieren und die Gewebestruktur zu beeinflussen.

Regelmässige, abwechslungsreiche Bewegung führt zu einer Verbesserung der viskoelastischen Eigenschaften sowie einem verbesserten Hydrationszustand und hält die extrazelluläre Matrix in einem optimalen Zustand. Geschmeidige Gewebsstrukturen und eine gute Gleitfähigkeit der Faszienschichten zeichnen diesen Zustand aus. Besonders wirksam sind dreidimensionale Bewegungsmuster, bei denen Muskeln und Faszien in verschiedenen Richtungen und Intensitäten belastet werden. Dreidimensional daher, weil Faszien nicht nur linear verlaufen, sondern netzartig in verschiedenen Richtungen. Sie verbinden Muskeln, Organe und Gelenke – teils diagonal oder spiralförmig (Schleip et al., 2012).

Zahlreiche manuelle Therapien zielen darauf ab, Spannungsmuster zu lösen, die Gleitfähigkeit zwischen den Faszienschichten zu verbessern und die Gewebespannung zu normalisieren. Dabei werden spezifische mechanische Reize auf die Faszien ausgeübt – durch Druck, Zug, Scherkräfte oder Dehnung (Simmonds et al., 2012). Selbstanwendungen wie das Rollen mit Schaumstoffrollen oder Bällen haben in Studien gezeigt, dass sie die Beweglichkeit steigern, den Muskeltonus reduzieren und das fasziale Gleiten verbessern können. Dabei wirken Scherkräfte auf die EZM und stimulieren die Rezeptoren in der Faszie (Martínez-Aranda, Sanz-Matesanz, García-Mantilla & González-Fernández, 2024).

Die Viskosität der EZM ist temperatur- und hydratationsabhängig. Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und moderate Erwärmung des Gewebes (z. B. durch Bewegung) verbessern dessen Fliessverhalten und Gleitfähigkeit (Stecco et al., 2011). Bei der Trainingsplanung sollte daher gezielt auf Bewegungen in mehreren Ebenen und mit variierender Belastung geachtet werden. Auch der gezielte Einsatz von Faszienrollen ist dabei sinnvoll. Trainerinnen und Trainer sollten ihre Kundinnen und Kunden nicht nur in der Anwendung anleiten, sondern auch vermitteln, worauf zu achten ist, um maximale Wirkung und Sicherheit zu gewährleisten.

Faszien sind nicht nur passive Strukturen, sondern dynamische Bestandteile des menschlichen Körpers, die eine zentrale Rolle für Stabilität, Bewegung und Schmerzempfinden spielen. Die oft verwendete Metapher der „verklebten Faszien“ beschreibt funktionelle Einschränkungen im Gleitverhalten des Gewebes, die in der Regel reversibel sind. Durch gezielte Bewegung, manuelle Techniken und geeignete Selbstbehandlungen lässt sich die fasziale Gesundheit nachweislich positiv beeinflussen – ein Ansatz, der sowohl präventiv als auch therapeutisch zunehmend an Bedeutung gewinnt.


Auszug aus der Literaturliste

Huijing, P. A. (2009). Epimuscular myofascial force transmission: a historical review and implications for new research. International Society of Biomechanics Muybridge Award Lecture, Taipei, 2007. Journal of biomechanics, 42(1), 9–21.

Martínez-Aranda, L. M., Sanz-Matesanz, M., García-Mantilla, E. D., & González-Fernández, F. T. (2024). Effects of Self-Myofascial Release on Athletes‘ Physical Performance:
A Systematic Review. Journal of functional morphology and kinesiology, 9(1), 20.

Swartz, M. A., Lund, A. W., & Borriello, F. (2022). The interstitium: A new view of the extracellular matrix and fluid transport. Nature Reviews Molecular Cell Biology, 23(11), 741–756.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte info@fitness-tribune.com.

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Janine Hächler

Über den Autor
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Janine Hächler

Die Studentin der Fitnessökonomie ist bei der SAFS sowohl in der Kundenbetreuung tätig als auch in verschiedenen Projekten aktiv. Neben ihrem Studium hat sie eine grosse Leidenschaft für Fitness und ist immer gern in Bewegung.
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