„KLAG NICHT KÄMPFT!“
Durch diesen Artikel über das Invictus Training in Horgen von Patrik Wolf ist unser Redaktionsphrasenschwein nun prall gefüllt. Normalerweise soll es uns daran erinnern, Redewendungen nicht zu verwenden, weil sie eigentlich abgedroschen und gehaltlos sind. Durch die geradlinige und gleichzeitig warmherzige Philosophie dieses Kickbox- und Boxclubs werden sie aber mit neuem Leben und neuen Emotionen gefüllt.
Im Invictus Training in Horgen sind sehr viele Menschen aus allen sozialen Schichten und mit den unterschiedlichsten Bildungshintergründen zu Hause: Die Trainer und Trainerinnen haben teils selbst einmal als Neulinge angefangen oder sind erfahrene „Haudegen“ wie Robert Steiner und Mehmet Özalp, die tatsächlich Europa- und Weltmeistertitel im Kick- und Thaiboxen gewonnen haben. Auch der Inhaber selbst, Patrik Wolf, war zwölffacher Schweizer Meister und EM-Teilnehmer im Kickboxen. Diese zahlreichen Titel, diese grossen Namen und auch die eigenen Erfolge … beeindrucken Patrik Wolf in der Arbeit mit seinen Mitgliedern und seinem Team überhaupt nicht. Jedes Mitglied hat seine eigenen Herausforderungen und Ziele und die Coaches sollen dabei helfen, diese zu überwinden bzw. zu erreichen. Dann können alle ‚im Kampf des Lebens‘ auf ihre Weise Schweizer, Europa- oder Weltmeister werden – aber auch tatsächlich an Wettkämpfen teilnehmen.
Das Motto des kernigen Typs „mit frecher Schnauze“ scheint also klar: „Mich interessiert nicht, was du hast, mich interessiert, wer du bist!“ So führt er auch das Invictus Training, das sich durch so vieles, wie eben den innigen Umgang mit Trainierenden und Coaches, von der Masse abhebt.
Invictus Training – kein Studio für „Superhelden“
Der Name des Centers – invictus, lateinisch für unbesiegbar – lässt im ersten Moment vermuten, dass hier Kampfmaschinen, „gnadenlose Prügler“ ausgebildet werden, aber: „Ich wollte bereits mit dem Namen eine klare Botschaft vermitteln und nicht sowas wie ‚Wolf Fighting‘ oder ‚Patrik Thaiboxing‘. Deswegen kam ich auf die Idee für Invictus. Dabei gehts mir aber nicht darum, dass meine Trainierenden wie Superman oder Superwoman im Kampf unbesiegbar sein sollen, sondern dass sie für sich und ihre Werte einstehen und dafür kämpfen können.“
Diesen Ansatz verfolgt Patrik auch mit dem anfänglich recht hart wirkenden Studiomotto: „Klag nicht, kämpf!“ Dabei will der ehemalige Manager eines Schweizer Sicherheitsunternehmens den Menschen in erster Linie Selbstbestimmung und vor allem auch Selbstvertrauen (zurück)geben. Geprägt hat ihn seine bewegte Vergangenheit und auch der Beruf seiner Ehefrau, die als stv. Leiterin der Opferberatung in Zürich mit Menschen arbeitet, die von Überfällen, Unfällen und Ähnlichem traumatisiert sind. „Manchmal kann man die Leute nach schrecklichen Erlebnissen nicht ‚gesund streicheln oder quatschen‘. Man muss ihnen die Möglichkeit geben, sich nicht von dem Erlebten besiegen zu lassen, sondern aufzustehen und zu kämpfen. Und das geht im ‚Safe Space‘ Invictus.“
Wenig verwunderlich, dass eine ganz spezielle Comicfigur Patrik sowohl in seiner Lebens- als auch in seiner Studiophilosophie massgeblich geprägt hat: Batman. Selbst zur Unfähigkeit verdammt, als seine Eltern nach einem Opernbesuch vor seinen Augen ermordet werden, ist Batman eine Figur, die ihr ganzes Leben lang für das Gute und die Gerechtigkeit in der Welt kämpft – ganz ohne Superkräfte. Trotz seines Engagements versteckt er seine wahre Identität hinter einer Maske, weil es ihm nicht um Ruhm und Ehre, sondern rein um die guten Taten geht. Diese ganz besondere Comicfigur hat Patrik kurz nach seiner Kündigung sogar auf seinem Unterarm verewigt: „Ich wollte sozusagen meine Freiheit manifestieren und das machen, was ich will. Meine erste Protestaktion war dann ein Baby-Batman-Tattoo.“
Freundlich und offen statt „Bathöhle“
So sehr Batman den Kickboxer auch bei der Entwicklung seines Studiokonzeptes geprägt hat, so wenig nahm sich Patrik den Comichelden bei der Auswahl der Location zum Vorbild. Das Invictus Training befindet sich nicht in einem Keller, sondern verfügt über zahlreiche grosse Fenster und wirkt dadurch um einiges freundlicher als der übliche Boxingclub. „Wir bewegen uns zwischen den ursprünglichen Kickbox- und Boxcentern und der neuen, modernen Erlebniswelt und den Community-Centern der Fitnesskampfsportszene.“
Viel wichtiger als die Location ist Patrik aber die Tatsache, dass die Trainierenden in einem sicheren Umfeld ihre sport-lichen Ziele verfolgen können, ohne Ausgrenzung, Diskriminierung und Diffamierung. Ins Invictus können alle kommen, die Interesse am Boxen oder Kickboxen haben, unabhängig davon, ob sie Erfahrung mitbringen oder Anfänger sind. Alle sind herzlich willkommen. Deswegen liegt der Fokus des Centers auch nicht auf Wettkämpfen. „Wenn 100 Leute bei dir trainieren, hast du vielleicht 20, die gern kämpfen wollen, zehn, die tatsächlich kämpfen und fünf, die Erfolg haben. Ich will aber nicht nur diese fünf hervorheben, sondern auch die an-deren 95 loben, in den Vordergrund stellen und sie motivieren. Ganz pragmatisch betrachtet: Es schreckt viele Interessierte ab, wenn du auf der Website oder Social Media immer nur die ‚Asse‘ präsentierst und sagst, dass bei dir Welt- oder Europameister trainieren. Wer wagt dann noch den Einstieg?“
Deswegen arbeitet Patrik auch bewusst mit einem „offenen Kursplan“: Er verzichtet auf Einteilungen wie Anfänger oder Fortgeschrittene und bietet – anders als zu Beginn – keine spezifischen Frauenkurse mehr an. „Wir haben uns das lange überlegt, ob wir die Frauentrainings abschaffen sollen. Es gab im Team befürwortende Stimmen, aber auch klare Gegenstimmen. Unser Ziel war aber von Anfang an, allen Interessierten einen niedrigschwelligen Zugang zum Boxen und Kickboxen zu ermöglichen. Wir haben dann rasch gemerkt, dass die spezifischen Klassen eigentlich meistens nur von Anfängerinnen und Anfängern genutzt wurden. Die meisten sind bereits nach ein paar Stunden in die gemischten Klassen gewechselt. Ein gutes Zeichen, weil es zeigt, dass es eine Wohlfühlatmosphäre unter den Trainierenden gibt und die Coaches darauf achten, dass respektvoller Umgang nicht nur Worte, sondern auch Taten sind. Alle trainieren mit allen. Das schafft Vertrauen, Verständnis und bringt die Menschen letztlich zusammen.“ Immer wieder bietet das Invictus dennoch Einstiegskurse oder anderweitige Spezialtrainings an, zum Schnuppern und um mögliche Ängste zu überwinden. Wer dann richtig mit dem Kampfsport beginnen will, geht direkt in die Kurse ohne (Level)Zuschreibung.
Ein ganz besonderes Steckenpferd des Invictus Training ist die Arbeit mit Kindern, die Kleinsten können mit vier Jahren starten – ab 14 Jahren bzw. je nach Entwicklung gehts dann aber auch in die gemischten Kurse für Erwachsene.
Wie viel Selbstvertrauen und auch Selbstreflexion der Sport schafft, sieht Patrik vor allem auch an diesen jungen Trainierenden: „Gerade junge Mädchen sind in ihren ersten Trainingsstunden oft zurückhaltend. Sie glauben oft nicht an sich und unterschätzen ihre Fähigkeiten. Wenn dann aber das erste Lob oder der erste feste Schlag beim Sparring kommt, dann wächst das Selbstvertrauen und sie blühen regelrecht auf – das ist jedes Mal so schön zu erleben. Jungs hingegen haben oft schon zu Beginn mehr Selbstvertrauen und können mit den ersten Trainingserfolgen auch sehr schnell abheben. Dann muss man ihnen klarmachen, dass sie wegen ein oder zwei guter Schläge nicht direkt zum Profi werden, sondern hart trainieren müssen, wenn sie diesen Weg gehen wollen. Wer einfach nur drauflosprügeln will, um ein paar Jahre Erfolg zu haben und danach mit kaputten Schultern oder Hüften dazustehen, der ist bei mir definitiv falsch.“
Wenn es sein muss, folgen also auch einmal ernste Worte – diese Einstellung vor allem gegenüber seinen jungen Trainierenden zeigt, dass seine Kundschaft für Patrik weit mehr als „nur“ Kundschaft ist. Er sieht sich als Mentor, Wegbegleiter, Freund, der eben auch seine Meinung sagt, vor allem wenn es bei jungen Talenten beispielsweise um den Traum von einer Kickboxkarriere anstelle der soliden Ausbildung z. B. im Handwerk geht. Dieser einzigartige Community-Spirit schafft ebendiesen „Safe Space“ für die Trainierenden, den sie offen-sichtlich sehr zu schätzen wissen: Mittlerweile gibt es schon zwei weitere kleinere Ableger des Invictus gemeinsam mit dem Klub der Sportfreunde. Hier werden ebenfalls nach dem Invictus-Konzept Boxtrainings angeboten, sodass Patriks Team inzwischen bereits zwölf Coaches umfasst.
Patrik und Team wie Batman und Robin
Obwohl die meisten an Halloween wohl eher zum Batman- statt zum Robinkostüm greifen würden, ist die Figur dramaturgisch gesehen essenziell, vor allem für die Comics. Durch Gespräche mit Robin kann Batman seine Handlungen beschreiben und sie für die Lesenden nachvollziehbar machen. Und genauso ist es auch mit Patrik und seinem Team. Dieses füllt letztlich die Vision des Invictus mit Leben. Zwar gibt Patrik immer noch selbst Trainings, aber natürlich müssen auch seine Trainerinnen und Trainer die Philosophie verstehen, leben und letztlich auch umsetzen.
Im Gespräch mit ihm wird eine Tatsache auch beim Umgang mit seinem Team abermals deutlich: Er interessiert sich nicht für Titel, Erfolge und Ruhm. Damit auch seine Mitglieder ihre Kurse nach ihren Trainingszielen und nicht etwa nach den aufgeführten Trainern aussuchen – was in vielen Studios durchaus der Fall ist –, findet man auf dem Stundenplan des Invictus keinen einzigen Namen eines Trainers oder einer Trainerin.
Diese Gleichbehandlung betrifft auch die Vergütung seiner Trainerinnen und Trainer – und auch dabei spielen Titel keine Rolle: „Ich mache hinsichtlich der Vergütung keinen Unterschied zwischen dem ehemaligen mehrfachen Weltmeister und der Sechzehnjährigen, die bei mir die Kindertrainings veranstaltet. Alle bekommen das Gleiche, Punkt und Schluss. Weil jeder auf seine Weise sein Bestes gibt. Während Corona musste ich, wie viele andere auch, Geld reinbuttern, um zu überleben. Als dann Trainings wieder möglich waren, hätte ich normalerweise alle selbst geben müssen. Aber um der Nachhaltigkeit willen konnte jeder die gleiche Anzahl an Trainings geben.“ Für Patrik trifft im Umgang mit seinem Team Realismus auf Emotion: „Wenn ich von heute auf morgen krank werde und einfach nicht mehr kann, muss jemand übernehmen können und wollen. Mein Team ist meine Familie, viele von ihnen kenne ich seit Jahrzehnten oder habe sie im Center aufwachsen sehen, genauso wie meine Mitglieder.“
The End?
Patrik Wolf hat so viel erlebt und mit seinem Invictus sein ganz eigenes Studio geschaffen, das so einzigartig wie erfrischend und liebevoll gestaltet ist. Noch will der 61-Jährige die Zügel aber nicht aus der Hand geben: „Ich finde es geil, älter zu werden – besser gesagt, schmerzfrei älter zu werden, körperlich wie seelisch. Ich habe eine tolle Familie, Coaches, auf die ich so stolz bin und die für mich auch Familie sind und ich möchte so lange Trainings geben, wie ich kann. Aber ich muss nicht mehr alles eins zu eins vormachen, wenn ich stundenlang rumgestanden und total unterkühlt bin – ich bin ja nicht doof!“
Patrik ist immer noch „on fire“, kassiert auch immer noch gern Prügel, wenn einer der Einsteiger beim Sparring aus Versehen sein Gesicht anstatt des Handschuhs trifft. Er hat noch lange nicht genug getan, steckt voller Energie, Kreativität und Ideen. Es bleibt also abzuwarten, welche Kapitel das Invictus Training noch unter Patrik Wolf aufschlägt und wo die Reise hingeht. Eines ist dabei aber sicher: Es wird definitiv nicht langweilig und das Studio kann auf vielen Ebenen eine Inspiration für andere Center der Fitnessbranche sein. Bei unserer Redaktion haben die „Prügler aus Horgen“ in jedem Fall schon einmal mächtig Eindruck hinterlassen.
ÜBER DAS STUDIO
Das 320 Quadratmeter grosse Invictus Training in Horgen bietet Kampfsportbegeisterten unterschiedlicher Level und jeden Alters das passende Kursangebot mit Blick auf den Zürichsee, von Boxen über HIIT-Trainings bis hin zu Thai-Kickboxen oder Sparring. Die Jüngsten können bereits mit vier Jahren in diesen Sport einsteigen. Insgesamt beschäftigt das Center zwölf Coaches, die Kurse in Horgen sowie beim Klub der Sportfreunde in Zürich Altstetten und im Einkaufszentrum Glatt anbieten. Wer will, kann in Horgen auch neben den regulären Kursen die Fläche und das hochwertige Equipment für eigenes freies Training verwenden oder beim Personal Training mit den Coaches richtig ins Schwitzen kommen. Probetrainings sind an allen Standorten jederzeit möglich.
PATRIK WOLF
Patrik Wolf stiess als Siebenjähriger auf den Sport, der sein gesamtes Leben prägen würde: Boxen. Nachdem er als Jugendlicher zum Kickboxen gewechselt war, früh seinen ersten Schweizer Meistertitel gewann, entschied er sich trotz allen Erfolgs, sein Hobby nicht zum Beruf zu machen. Nach seinem Militärdienst startete der heute 61-Jährige seine Karriere in der Sicherheitsbranche und wurde äusserst erfolgreich: Als Manager eines international tätigen Sicherheitsunternehmens war er in der Schweiz für mehr als 4000 Mitarbeitende zuständig. Dem Sport blieb er aber immer treu.
2015 quittierte er seinen Dienst in der Sicherheitsbranche, nachdem ein Unternehmenswechsel die erhoffte Wende nicht brachte. Das Problem: Patrik wollte mit 50 Jahren etwas Neues beginnen, mehr Lebensqualität und Zufriedenheit spüren. Nach einigen Gesprächen mit seiner Frau und seinem besten Freund entschied sich der kernige Boxer für das, was er wohl am besten kann: sein eigenes Ding zu machen. Und so eröffnete er im September 2016 sein Invictus Training in Horgen