Dual-Role-Coaching: Neue Anforderungen, neue Chancen für Personal Trainer

Mit dem Dual-Role-Ansatz fördern Personal Trainer nicht nur körperliche Fitness, sondern stärken auch mentale Ressourcen, Motivation und Selbstwirksamkeit. Als empathische Bezugspersonen begleiten sie ihre Klientinnen und Klienten durch emotionale, soziale und gesundheitliche Herausforderungen – und schaffen so die Grundlage für nachhaltige Verhaltensänderung. Doch wie gelingt die Arbeit als Dual-Role-Coach?

Das klassische Betreuungsangebot des Personal Trainers konzentriert sich auf das Optimieren der physischen Leistungsfähigkeit durch Trainingsplanung und -durchführung sowie Ernährungstipps. Doch die Welt sowie die Bedürfnisse von Fitnesskunden verändern sich – und damit auch die Anforderungen an Personal Trainer. Neben den klassischen Trainingsmotiven wie der Beseitigung von Rückenschmerz oder Gewichtsverlust führen psychische Belastungen wie Stress, Schlafmangel oder mangelnde Selbstwirksamkeitsüberzeugungen auch zu einem grösser werdenden Bedarf an mentaler Fitness. Die Arbeit mit Kundinnen und Kunden findet daher auch zunehmend auf emotionaler, sozialer und motivationaler Ebene statt. Personal Trainer sind oft die erste Anlaufstelle für Gespräche über Stress, Erschöpfung oder private Sorgen – weit über den eigentlichen Trainingsrahmen hinaus.

Für Personal Trainer stellt sich allerdings die Frage, wie die eigene Rolle entsprechend diesen Anforderungen erweitert werden kann, ohne die eigenen Grenzen zu überschreiten. Mit dem Dual-Role-Ansatz gelingt es Trainern neben ihrer Funktion als Trainingsexperte auch die Rolle eines Coaches für mentale Fitness einzunehmen. Die Qualität der Beziehung zwischen Coach und Athlet ist dabei entscheidend, denn sie beeinflusst massgeblich das psychologische Wohlbefinden und die Selbstsicherheit der Athletinnen (Coussens, Stone & Donachie, 2025).

Vom Bewegungsanleiter zum Verhaltensoptimierer

Training wirkt – wenn es stattfindet. Um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen, sind Personal Trainer auf die „Mitarbeit“ ihrer Kunden angewiesen. Für erfolgreiches Training müssen diese daher auch ausserhalb des gemeinsamen Trainings ein positives Bewegungs- und Gesundheitsverhalten aufrechterhalten. Damit dies gelingt, bedarf es Zielklarheit, Motivation und Routinen – kurzum: einer nachhaltigen Verhaltensänderung. Hier kommt das Behavior Change Wheel (BCW) ins Spiel (Michie, Stralen & West, 2011): ein anerkanntes Modell zum Erklären und Steuern von Verhaltensänderung, in dessen Zentrum das COM-B Modell steht.

Das COM-B-Modell verdeutlicht, dass individuelles Verhalten (Behavior) von drei Komponenten beeinflusst wird:

  • C – Capability (Fähigkeit): physische und psychische Voraussetzungen
  • O – Opportunity (Gelegenheit): äussere Bedingungen, soziale Einflüsse
  • M – Motivation: bewusste und unbewusste Beweggründe

Personal Trainer, die ihre Kundinnen und Kunden nicht nur körperlich, sondern auch mental unterstützen wollen, können genau an diesen drei Hebeln ansetzen.

Abb. 1: Das COM-B Modell (McDonagh et al., 2018)

Capability: Mentale Fähigkeiten aufbauen

Ein Kunde kann zwar die optimale Technik kennen, ist allerdings nicht mehr in der Lage, diese umzusetzen, sobald Stressoren auf die Person einwirken. Hier können Dual-Role-Coaches ansetzen: durch stressreduzierende Übungen, Achtsamkeitsphasen vor dem Training, Hilfestellungen zur Selbstreflexion und emotionale Stabilisierung. Auch die Reflexion von Coping-Strategien fällt in diesen Bereich.

Opportunity: Umfeld gestalten

Dual-Role-Coaches schaffen durch Struktur und Routinen ein unterstützendes Umfeld. Ob durch feste Trainingszeiten, (Klein-)Gruppentraining mit sozialem Support, klärende Gespräche oder Perspektivenwechsel – all das steigert die Wahrscheinlichkeit, dass Kundinnen und Kunden ihre Trainings- und Gesundheitsroutinen beibehalten.

Motivation: Antrieb verstehen und stärken

Emotionale Bindung, Wertearbeit, Sinnorientierung – Dual-Role-Coaches beschäftigen sich nicht nur mit der Frage, was getan werden muss, sondern auch, warum Kunden es tun.

Im Rahmen eines Gesundheitscoachings spielt insbesondere die Face-to-face-Kommunikation zwischen Coach und Klient eine zentrale Rolle (Dejonghe, 2020).

Personal Trainer als Bezugsperson

In der besonderen Rolle, die Personal Trainer spielen, liegt grosses Potenzial für langfristige Bindung und Verhaltensänderung. Denn als konstante Bezugsperson, Zuhörer und Begleiter sind sie häufig näher an ihren Klientinnen und Klienten als andere Gesundheitsdienstleister. Sie können Trainingsprogramme nicht nur auf körperliche Ziele, sondern auch auf emotionale Ressourcen und soziale Einflüsse abstimmen. Der Dual-Role-Ansatz ermöglicht es Trainern, ihre Kunden ganzheitlich im Bereich der körperlichen und mentalen Fitness zu betreuen. Dabei sollte der Trainer jedoch die Rolle als Coach für mentale Fitness klar definieren und sich insbesondere vom Aufgabengebiet eines professionellen Therapeuten abgrenzen. Damit dies auch gelingt, sollte das eigene Rollenverständnis auf einem klaren ethischen Fundament stehen. Der Dual-Role-Trainer ist ein sensibler, empathischer Begleiter, der im Sinne seiner Klienten auch weiss, wann externe Hilfe hinzugezogen werden sollte.

Der Dual-Role-Ansatz funktioniert, wenn beide Rollen transparent wahrgenommen werden: Als Fitnesstrainer liegt der Fokus auf der Optimierung der körperlichen Leistungsfähigkeit, der Reduktion von Beschwerden und Funktionseinschränkungen sowie der Modifikation des äusseren Erscheinungsbildes. Erreicht wird dies durch kompetente Unterstützung in den Bereichen der Trainingsplanung und -umsetzung sowie der Regeneration. In dieser Rolle wird durch direktes Anleiten und Unterstützen während des Trainings die Motivation gefördert.

Als Coach liegt der Schwerpunkt auf der Optimierung eines gesundheitsfördernden Verhaltens. Dies umfasst Aspekte wie den Umgang mit Belastungssituationen (z. B. Stress), Ess- und Schlafgewohnheiten sowie die mentale Befindlichkeit. Das COM-B bildet in dieser Rolle die konzeptionelle Basis zur Analyse und Entwicklung zielgerichteter Interventionen. Der Coach schafft so die mentalen Voraussetzungen für langfristige und nachhaltige Verhaltensänderungen.

So gelingt das Umsetzen in die Praxis

  • Weiterbilden in Psychologie und Kommunikation
    Insbesondere Ausbildungsinstitute der Fitnessbranche bieten Weiterbildungen in den Bereichen Verhaltenspsychologie, Coaching-Techniken oder Mentale Fitness, die gerade Personal Trainern einen hohen Praxisnutzen versprechen.
  • Transparente Begleitungsvereinbarung treffen
    Nicht jeder Kunde braucht ein „Verhaltenstraining“ – aber jeder profitiert davon, wenn er ganzheitlich begleitet wird. Der Personal Trainer klärt den individuellen Bedarf ab und gestaltet die Begleitung entsprechend.
  • Das COM-B Modell integrieren:
    • Capability: mentales Aufwärmen, Fokustraining, vegetatives Umstellen
    • Opportunity: klare Strukturen, Wahlmöglichkeiten, Coaching-Sequenz oder Gruppenformat
    • Motivation: Zielbilder, Monitoring, Reflexionsgespräche, Erfolgserlebnisse
  • Monitoring-Tools nutzen
    In Abhängigkeit der individuellen Voraussetzungen und Ziele können Daten zum Prozess, zur Stimmung, zum Verhalten und zum Ergebnis im Rahmen der Betreuung dokumentiert werden. Hier sind sowohl qualitative als auch quantitative Daten sinnvoll, die entweder durch analoge Verfahren oder digitale Tools erhoben werden.
  • Grenzen respektieren – Netzwerk aufbauen
    Personal Trainer sollten ihre fachlichen und persönlichen Grenzen kennen und wahren. Eine Zusammenarbeit mit Fachpersonen aus Medizin, Therapie und Psychologie ermöglicht das gegenseitige Weitervermitteln und sichert die Qualität der Beratung.

Dual-Role-Ansatz – Fit for the Future

Gesundheit hat sowohl eine mentale als auch körperliche Dimension. Ganzheitliche Gesundheitsdienstleistungen ziehen daher keine Grenzlinie zwischen Körper und Geist, sondern fokussieren sich sowohl auf körperliche als auch mentale Gesundheit. Personal Trainer, die den Dual-Role-Ansatz verfolgen, werden diesem komplexen Gesundheitsverständnis gerecht und bieten eine zeitgemässe Antwort auf die komplexen Anforderungen moderner Kundinnen und Kunden. Mit dem Behavior Change Wheel und dem COM-B-Modell stehen den Personal Trainern fundierte Modelle für Analyse und Intervention zur Verfügung.

  • Verhalten lässt sich nur dann verändern, wenn Fähigkeit, Gelegenheit und Motivation zusammenwirken.
  • Personal Trainer können als Dual-Role-Coaches bewusst auf alle drei Ebenen einwirken und ihre Kundinnen und Kunden als Bezugsperson begleiten.
  • Der ganzheitliche Blick stärkt nicht nur die Gesundheit der Klientinnen und Klienten, sondern auch die Bindung und Effektivität der Trainingsbeziehung.

Studien zeigen, dass eine starke Trainer–Klientenbeziehung massgeblich zur Entwicklung von Selbstvertrauen, psychischem Wohlbefinden und Trainingsadhärenz beiträgt. Dabei ist nicht nur die tatsächliche Unterstützung entscheidend, sondern auch, wie diese vom Gegenüber wahrgenommen wird – was die Wichtigkeit einer authentischen, empathischen Kommunikation unterstreicht (Felton & Jowett, 2013).

Fazit

Die Rolle des Personal Trainers wird sich in den nächsten Jahren weiter wandeln – vom reinen Bewegungsanleiter hin zum ganzheitlichen Gesundheitscoach. Wer frühzeitig Kompetenzen im Bereich der mentalen Fitness aufbaut und auf bewährte Modelle wie COM-B zurückgreift, wird nicht nur mehr bewirken, sondern auch langfristig erfolgreicher arbeiten.


Auszug aus der Literaturliste

Coussens, A. H., Stone, M. J. & Donachie, T. C. (2025). Coach-athlete relationships, self-confidence, and psychological wellbeing: The role of perceived and received coach support. European journal of sport science, 25(1), e12226.

Felton, L. & Jowett, S. (2013). „What do coaches do“ and „how do they relate“: their effects on athletes‘ psychological needs and functioning. Scandinavian journal of medicine & science in sports, 23(2), e130-9.

Michie, S., Stralen, M. M. & West, R. (2011). The behaviour change wheel: a new method for characterising and designing behaviour change interventions. Implementation science : IS, 6, 42.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte info@fitness-tribune.com.

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Robert Winzenried

Über den Autor
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Robert Winzenried

Der Erwachsenenbilder mit Diplom HF ist andragogischer Leiter der Swiss Academy of Fitness & Sport AG (SAFS). Er verfügt über 40 Jahre Erfahrung als Trainer für körperliche und mentale Fitness.
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