Eisbaden

Kalt und eisig abkühlen

In diesem Winter und in den letzten Monaten ist es anscheinend rundum der grosse Trend, oder neudeutsch: ein Hype. In allen Gesundheitsmedien, in mehreren Gesundheitssendungen oder Zeitschriften – überall wird auffallend oft über den „Sturz“ ins sogenannte kalte Element berichtet.

Silvester- oder Neujahrsschwimmen in Flüssen und Seen finden immer mehr Beliebtheit und Anhänger. In Ostende, Belgien, stürzen sich zu Jahresbeginn hunderte Bewohner alljährlich in die Fluten der Nordsee. Freibäder mit einem See bieten in den Wintermonaten seit Neuestem, wenn geschlossen ist, Anfängerkurse fürs Kaltbaden an. In der Kombination mit mobilen Saunen wird alles mittlerweile zur lukrativen Einnahmequelle in der Wintersaison. Wir lesen von leicht bekleideten Wandergruppen im Schnee, vom Eistauchen und Schwimmen unter der Eisfläche, und für das Eiswasserschwimmen gibt es seit einiger Zeit schon Weltmeisterschaften mit Strecken zwischen 50 bis 1000 Metern.

Von +8 °C bis –170 °C

Wir sehen unglaublich viele Varianten, die sozusagen über der Eisdecke aufgetaucht sind: Das Abkühlen nach dem Saunabaden im Tauchbecken bei Fliesswassertemperaturen von ca. +8 °C ist bestens bekannt und allgemein beliebt.

Der Finne springt nach dem Schwitzbad gern in den See mit Temperaturen unter 0 °C. In Wellnessbereichen sehen wir Schneekabinen mit ca. 0 bis 3 °C. In einigen Fitnesscentern und Clubs gibt es Kryokammern mit Temperaturen unter –100 °C, in der Therapie Kältekammern mit –170 °C.

Wie kann der Trainierende profitieren?

In der Rehabilitation, auch bei Leistungsportlern, propagiert man den nachgewiesenen Nutzen wie folgt: Entzündungshemmung, Abschwellung oder Schmerzstillung, Bekämpfung chronischer Krankheiten wie Rheuma, Arthritis, Neurodermitis oder neuronaler Störungen, Linderung von Schmerzen und Entzündungen, die durch Verletzungen und/oder Verspannungen auftreten. Sogar Leitungssteigerungen sind zu vermelden und es können vor allem Heilungsprozesse beschleunigt werden.

Ist das denn überhaupt gesund?

Wir finden Eisbäder in Sportvereinen, zumindest bei den Profi-vereinen. Es kommt zur Nutzung nach dem Match oder einem härteren Training. Eine Schneekabine wurde schon mitten im Trainingsraum gesehen. Der Sinn hier: schnellere Erholung der Muskulatur, Abbau von Laktat in den Muskeln. Im Profisport ist das eine gängige Anwendung und schon ein fester Bestandteil in der Trainingsplanung. Ausserdem positiv: Der Körper reagiert auf die Kälte mit der Mobilisierung von Abwehrkräften und der Ausschüttung von Endorphinen. Mittlerweile finden wir auch Umfrageergebnisse zum Thema.

Meine im Winter 2022/2023 gestartete, unveröffentlichte Bäder-Umfrage unter Geübten ergab:

  • Infektneigung gesenkt – 40 %
  • Keine Veränderung – 25 %
  • Linderung von Beschwerden am Bewegungsapparat – 14 %
  • Erhöhung des allgemeinen Wohlbefindens – 10 %
  • Generelles Frieren weniger geworden – 6 %
  • Stabilerer Kreislauf – 4 %
  • Asthma bronchiale gebessert – 1 %

Von einem „einfach geilen Gefühl“ sprechen viele der regelmässig Kaltbadenden.

Sicher ist das nicht etwas für jeden von uns. Wer nur etwas Skepsis hat, fragt natürlich vorher auch einen Arzt oder Gesundheitsfachmann und tastet sich langsam an die anspruchsvolle Art, im Winter im See einzutauchen. Vom Körper wird eine extrem hohe Energieleistung abgerufen – es ist somit eine echte Herausforderung.

Kontraindikationen sind:

  • Kälteantikörpererkrankung
  • Vaskulitis (Entzündung der Gefässe)
  • Lymphödeme
  • arterielle Durchblutungsstörungen
  • periphere Durchblutungsstörungen

Eigentlich nichts Neues

Schon im 18. (Siegmund Hahn) und im 19. Jahrhundert (Pfarrer Sebastian Kneipp) zeigten diese Herren die „Kraft des Wassers“ auf. Letzterer heilte sein bedrohliches Lungenproblem mit Selbstversuchen durch häufiges Baden in der Donau. „Dreimal die Woche bei ca. 10 °C im Winter wie im Sommer. Die Kälte mochte sein, wie sie wollte.“ Diese Anwendungen waren auch eine Basis für die nachher so populären Kneippkuren und die Kneippsche Lehre. Kneipp formulierte damals: „Müde zum Fluss, erfrischt und gestärkt zurück. Der Geist wird denkfähiger und der Appetit bessert sich“ – so seine Feststellungen und Folgerungen zum Kaltbaden im „Heilmittel Wasser“. Wir finden Kneippsche Anwendungen oder auch Hauffsche Armbäder meist im Wald und an Kurorten, die sogenannten Tretbäder. Wir müssen also nicht einmal weit fahren.

Schneekabinen sind seit einiger Zeit ein Trend in Spa-Anlagen. Eine relativ kostspielige Installation zur Rückkühlung nach dem Schwitzbad – aber beliebt.

Schon sehen wir aber auch einen falschen Gebrauch vom Namen einer gut etablierten und klar definierten Badeform – dem Saunabad. Auf Messen sind Produktbezeichnungen wie „Eissauna“ und „Schneesauna“ zu finden – ein regelrechter Nonsens und inhaltlich sogar ein Widerspruch.

Wichtige Tipps für Eisbadeinsteiger: wärmende Kopfbedeckung, eventuell Handschuhe, spezielle Badeschuhe im Wasser

An Land für die Minuten nach der Rückkehr: wärmende Gymnastikübungen, warmer Tee und warme Kleidung

Es geht nur gut vorbereitet und geübt!

Dann kann das auch richtig motivieren.

Auf in die kalten Fluten!

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Detlef H. Hubbert

Über den Autor
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Detlef H. Hubbert

Detlef H. Hubbert ist Diplom-Sportlehrer und war Betreiber einer Saunaanlage. Er hat 25 Jahre Erfahrung in der Planung und Realisation von Wellnessanlagen. Detlef H. Hubbert ist Fachjournalist bei FSJ und sportpress.ch.
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