Neue Studienergebnisse
Fünf Jahre Corona, fünf Jahre Post-COVID-Syndrom. Viele Betroffene leiden nach wie vor an den Langzeitfolgen einer Corona-Infektion. Eine kürzlich in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlichte Studie der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (2024) zeigt, wie ein symptombasiertes Training diesen Menschen helfen kann.
Husten, Schnupfen, Halsschmerzen – die Symptome einer COVID-19-Erkrankung ähneln oft denen einer Grippe. Obwohl eine Corona-Infektion meist nach einigen Wochen überstanden ist, klagen einige Patienten selbst nach milden Verläufen auch Wochen und Monate später über anhaltende Symptome. Sind die Beschwerden drei Monate nach der Infektion noch präsent und halten mindestens zwei Monate an, spricht man vom Post-COVID-Syndrom (PCS). Laut WHO (2023) sind zehn bis 20 Prozent nach einer Corona-Infektion vom PCS betroffen. Zu den Spätfolgen werden mehr als 200 Krankheitssymptome gezählt, zu deren häufigsten die Fatigue gehört (Gheorghita et al., 2024). Die genauen Ursachen der relativ neuen Erkrankung sind unklar, daher liegt der Fokus der Behandlungsansätze aktuell vor allem auf Symptommanagement.
Fatigue als Hauptsymptom
Betroffene leiden oft unter anhaltender Erschöpfung, die auch durch Erholung und Schlaf nicht gemindert wird. Dies beeinträchtigt die Lebensqualität erheblich, da viele Menschen mit PCS im Alltag stark eingeschränkt sind. Zudem kann körperliche und geistige Überforderung bei einigen Betroffenen die Symptomatik verschlimmern. Den Forschern der DHfPG war es in ihrer Studie daher besonders wichtig, durch individualisierte, symptomorientierte Belastung eine regelmässige Trainingsdurchführung zu ermöglichen.
Neue Studienergebnisse wecken Hoffnung
„Es gab vor unserer Studie schon erste Daten, die auf die Effektivität der Sport- und Bewegungstherapie bei PCS hingewiesen haben. Allerdings gab es noch keine Evidenz zur konkreten Trainingsgestaltung und zur Frage, wie ein symptomorientiertes Training bei PCS-Fatigue sicher und effektiv durchgeführt wird“, sagt Andreas Barz, wissenschaftlicher Mitarbeiter der DHfPG und einer der Autoren der Studie. Die randomisiert-kontrollierte Studie, die in Kooperation zwischen der DHfPG und Medizinern des Universitätsklinikums des Saarlandes (UKS), Deutschland, durchgeführt wurde, liefert nun erste Ergebnisse mit praxisrelevanten Empfehlungen.
Methodik der Studie
Um möglichst vielen Betroffenen die Teilnahme zu ermöglichen und eine hohe Generalisierbarkeit der Ergebnisse zu erzielen, verzichteten die Wissenschaftler bewusst auf eine Laborstudie. Stattdessen trainierten die Teilnehmenden in ausgewählten Fitness- und Gesundheitseinrichtungen im Saarland. Die 19 teilnehmenden Einrichtungen wurden vorab geschult und führten die Datenerhebung und Trainingsintervention standardisiert durch. Teilnehmen konnten Betroffene mit Post-COVID-Fatigue zwischen 18 und 79 Jahren. Interessenten wurden durch Hausärzte sowie öffentliche Medien über die Studie informiert und konnten sich online registrieren. So war eine einfache Zuteilung der Probanden zu einer wohnortnahen Einrichtung möglich. Eine ärztliche Voruntersuchung schloss mögliche gesundheitliche Kontraindikationen aus. Personen mit schweren Funktionseinschränkungen konnten nicht teilnehmen. Vor und nach der Trainingsintervention wurden unter anderem die Fatigue, die gesundheitsbezogene Lebensqualität sowie die Handgriffkraft und Ausdauer ermittelt.
Individualisiertes und symptomorientiertes Fitnesstraining
Nachdem die ersten Trainingseinheiten gemeinsam mit qualifizierten Trainerinnen und Trainern durchgeführt worden waren, konnten die Teilnehmenden während der achtwöchigen Intervention ihre Trainingsbelastung an die tagesaktuelle Fatigue anpassen. Vor jedem Training wurde die Fatigue auf einer Skala von null (keine Fatigue) bis zehn (stärkste vorstellbare Müdigkeit) abgefragt und die Trainingsempfehlung entsprechend angepasst.
Die Teilnehmer trainierten zwei- bis dreimal pro Woche mit kombiniertem Kraft- und Ausdauertraining. Das Krafttraining wurde als Ganzkörpertraining an Maschinen wie Beinpresse und Latzug durchgeführt; für das Ausdauertraining standen verschiedene Ergometer zur Wahl. Die Belastungsintensitäten wurden über das subjektive Anstrengungsempfinden (RPE) auf der zehnstufigen OMNI-Skala gesteuert. Aufgrund der Fatiguesymptomatik wurde besonders darauf geachtet, dass die Teilnehmenden das Training weiter modifizieren konnten, wobei der Fokus auf Regelmässigkeit statt auf Belastungs-progression lag.
Positive Trainingseffekte auf Fatigue, Lebensqualität und Leistungsfähigkeit
Dr. Joshua Berger, Mitarbeiter der DHfPG und Co-Autor der Studie, fasst die Ergebnisse zusammen: „Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigte die Trainingsgruppe signifikante Verbesserungen der Fatigue, der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und der körperlichen Leistungsfähigkeit. Zudem fanden wir keine Anzeichen, dass das Training eine anhaltende Zustandsverschlechterung verursachte.“ Diese Erkenntnisse unterstreichen die Bedeutung individualisierten Trainings in der Krankheitsbewältigung des PCS. Laut den Autoren geben sie Sport- und Bewegungstherapeuten klare Handlungsempfehlungen für die Betreuung von Personen mit PCS.
Fitnessstudios und Trainerteam als zentrale Akteure
„Unsere Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung individualisierter Trainingsbetreuung und -steuerung bei chronischer Fatigue. Damit dies in der Praxis gelingt, braucht es qualifizierte Fachkräfte, die das Krankheitsbild kennen und Betroffene individuell betreuen können“, so Andreas Barz. In der Studie wurde dies gewährleistet: Alle Trainerinnen und Trainer waren Studierende oder Absolventen eines bewegungsbezogenen Studiums und wurden vorab umfassend geschult.
Neben ihrer Relevanz für die Fachwelt zeugen die Ergebnisse von der steigenden Dienstleistungsqualität und Professionalisierung der Fitness- und Gesundheitsbranche. Laut den „Eckdaten der Schweizer Fitnesswirtschaft 2024“ (swiss active, 2024) positionieren sich 35,4 Prozent der Anlagen im Bereich Gesundheit. Dass Fitnesstraining neben präventiven auch therapeutische Effekte hat, zeigt sich an den Studienergebnissen. Fünf Jahre nach den ersten pandemiebedingten Studioschliessungen verdeutlichen sie die Rolle der Branche für die öffentliche Gesundheit. Fitness- und Gesundheitsanlagen bieten ein flächendeckendes Netzwerk mit qualifiziertem Personal, das Trainingsprogramme nach wissenschaftlichen Kriterien realisiert.
Fazit
Die Ergebnisse unterstreichen die symptomlindernde Wirkung, die ein individualisiertes Fitnesstraining bei PCS erzielen kann. Die Studie zeigt auch, dass evidenzbasierte Trainingsprogramme in Fitness- und Gesundheitseinrichtungen nach hohen Qualitätsstandards realisiert werden.
Auszug aus der Literaturliste
Barz, A., Berger, J., Speicher, M., Morsch, A., Wanjek, M., Rissland, J. et al. (2024). Ef-fects of a symptom-titrated exercise program on fatigue and quality of life in people with post-COVID condition – a randomized controlled trial. Scientific Reports, 14, 30511.
World Health Organization. (2023). Coronavirus disease (COVID-19): Post COVID-19 condition. Verfügbar unter https://www.who.int/news-room/questions-and-answers/item/coronavirus-disease-(covid-19)-post-covid-19-condition
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