Handy-«Vollalarm» beim Fitnesstraining!

Erinnern Sie sich? Vor etlichen Jahren war der Kraftraum noch eine handybefreite Zone. Heute ist der Trainingsraum handyverseucht. Ich bin immer wieder überrascht, wie viele Mitglieder während ihres Workouts ihr Smartphone «streicheln». Zahlreiche Studiobesucher texten minutenlang, während sie trainieren, und versperren so anderen Mitgliedern das besetzte Trainingsgerät. Was nicht weiter schlimm ist, da diese anderswo auch an Ihrem Smartphone hängen. Online zu sein ist modern. Ist es beim Training aber auch ein Gewinn? Ich habe da grosse Zweifel und präsentiere Ihnen meine Argumente.

Im vollgepackten und bewegungsarmen Alltag ist das Fitnesstraining auch ein «Rendezvous» mit sich selbst. Deswegen sollten Sie beim Training auf guten Empfang achten – und zwar auf Empfang für die Sinne und nicht für das Handy.

Ein kluges Training ist immer auch ein «Festival der Sinne». Begrenzen Sie das Krafttraining nicht nur auf die Überwindung von Widerständen. Reduzieren Sie den Muskel nicht nur darauf, ein «blindes» Kraftorgan zu sein. Er ist mit einer Fülle von Rezeptoren (z. B. Muskel- und Sehnenspindeln) ausgestattet und somit ein hochsensibles Organ. Deshalb ist ein effektives Muskeltraining auch eine sensomotorische «Hochzeit», bei der man sich wach(er), bewusst(er), frei(er) und lebendig(er) fühlen kann. Beim Training geht es auch besonders um die AUFmerksamkeit nach innen. Mit der digitalen Dauerablenkung findet aber eine Verlagerung nach aussen statt. Fragen Sie sich ernsthaft: Sind diese Aussenreize wichtiger als meine Empfindungen? Fitnesstraining ist eben mehr als Fett verbrennen, Muskeln aufbauen oder Schnelligkeit verbessern.

Das sind grossartige Benefits. Doch das Training bietet mehr, wenn man bereit ist, das zu erkennen. Achtsamkeit im Krafttraining lohnt sich besonders, weil es ein physiologisches Erlebnis sein kann. Etwas zugespitzt: Krafttraining ist ein intensives «Date» mit sich selbst.

Gewöhnlich dauert eine Fitnesstrainingeinheit eine Stunde. Wenn ich es in dieser kurzen Zeit nicht schaffe, das Smartphone wegzulegen, dann ist das eine selbst initiierte «Versklavung». Ihr Fitnesstraining sollte aber eine «Insel» der digitalen Unerreichbarkeit sein. Offline zu sein, ist ein Luxus, den Sie sich gönnen sollten. Ständige Erreichbarkeit ist weder beruflich noch privat ein «Gütesiegel». Nur digitale «Sklaven» sind immer online. Prüfen Sie den vorigen Satz, bevor Sie ihn vorschnell ablehnen.

Einspruch: «Aber die anderen machen das doch auch!» Abgelehnt. Verwechseln Sie modern nicht mit gut. Manche Trainierende hängen an den Smartphones wie an Herz-Lungen-Maschinen. Dafür gebe ich kein Beifall, sondern bekunde mein Beileid. Wenn Ihr Training ein Premiummoment sein soll, dann sollten Sie buchstäblich abschalten, vom Alltag, vom mentalen Stress, aber vor allem das Kleingerät. Deswegen: Smartphone aus und Training an.

Wir müssen smarter als unsere Smartphones sein. Die digi-talen Kleingeräte sind «invasiv» und im Nu überall dabei, beim Training, beim Essen, während des Spaziergangs, auf dem Klo, im Bett, in der Warteschlange und ganz schlimm: beim Autofahren. Wenn ein moderner Mensch ein wünschenswertes Leben führen will, braucht er auch «digitale Selbstverteidigung». Statt Reflex braucht es Reflexion.

Ich mag mit meinen Ansichten «older than Old School» sein. In meinen Teenagerjahren habe ich noch Liebesbriefe geschrieben und Mixtapes aufgenommen. Und ja, das war im letzten Jahrhundert. Die Tapes mit meinen Lieblingsliedern und die Liebesbriefe brauchten viel Zeit und Hingabe. Und Hingabe ist ein Geschenk, das wir uns jeden Moment selbst machen können – auch im Jahr 2024. Das Kostbarste, was wir haben, ist unsere Lebenszeit. Es ist ein wundervolles Kompliment, wenn Sie das Handy ausschalten, um ganz da zu sein. Für sich, für das Training, für das Gegenüber und vor allem für Ihre Lieblingsmenschen. Nur wenn wir «voll da» sind, besteht die Möglichkeit, dass wir «Grossgrundbesitzer von Lebenszeit und Lebensqualität» sein können.

Die Freiheit, das Smartphone wegzulegen, ist unbezahlbar. Doch diese Selbstdisziplin ist nicht angeboren. Vor allem nicht mit einem Gerät, das mit Dopamin dealt und Daueraufmerksamkeit fordert. Das Handy wegzulegen, ist zu Beginn schwierig und anfangs leiden alle Betroffenen unter Entzugserscheinungen. Doch das vergeht und schon bald beginnt ein «zufriedenes Glück der digitalen Entgiftung».

Deswegen «streicheln» Sie während des Fitnesstrainings nicht Ihr Handy. Das ist bloss Flucht in die Sucht. Und wenn Sie es doch tun, dann fragen Sie sich ehrlich: Sind diese Infos wichtig für mein Training? Nur ein schwaches Gehirn braucht ständige Berieselung. Wenn Ihr Training ein edles Ritual sein soll, dann ist die Zeit am Handy ein grobes Verbrechen. Oder haben Sie Roger Federer oder Rafael Nadal bei einem ihrer Tennisspiele je am Handy gesehen? Man kann es auch im Group Fitness beobachten: Fänden Sie es normal, wenn z. B. während einer BODY-PUMP®-Lektion die Mitglieder zwischen den Übungen auf ihre Smartphones starren? Eben. Wieso also im Fitnesspark? Ist hier Hingabe und Konzentration überflüssig? Man merkt: Wenn alle im Krafttraining verrückt sind, dann scheint jeder normal. Auch hier: Prüfen Sie den Gedanken, bevor Sie ihn ablehnen.

Fazit

Seien Sie schlauer als Ihr Smartphone. Trainieren Sie «offline». Das «Streicheln» des Handys während des Trainings ist etwas, das Sie sich nicht antun müssen. Modern bedeutet nicht zwingend gut. Das Kostbarste, das ein Mensch hat, ist seine Lebenszeit. Bleiben Sie aufmerksam im Training und aufmerksam für Ihre Lieblingsmenschen. Das wahre Leben findet analog statt.

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Eric-Pi Zürcher

Über den Autor
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Eric-Pi Zürcher

Der eidg. diplomierte Fitness-Instruktor und Swiss-Olympic-Konditionstrainer hat bereits als Trainer, Cheftrainer und Centerleiter in diversen Betrieben rund um Bern gearbeitet. Auch als Personal Trainer war er jahrelang selbstständig. Seit über 12 Jahren ist er hauptamtlich als Fitnesstrainer für den FC Thun tätig. pierzuercher@gmail.com
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