Kolumne von René Stoss: Hightech allein reicht nicht

Technologie darf nicht den Menschen ersetzen, sondern muss ihn stärken. Wer in der Fitnessbranche zukünftig erfolgreich sein will, muss auch digital agieren – dabei jedoch menschlich bleiben. Ein Appell für die Wahrung von Empathie in einer Zeit, in der der Fokus zunehmend auf Maschinen liegt. 

Liebe Macherinnen und Macher der Fitnessbranche – die Zukunft klopft nicht mehr an. Sie steht mitten in unserem Studio. Während Algorithmen personalisierte Trainingspläne erstellen und KI-basierte Tools jeden Fortschritt sekundengenau erfassen, stellt sich auch eine unbequeme Frage: Wo bleibt der Mensch in all dem? Die einen blicken euphorisiert auf die technologisierte Zukunft, die anderen verspüren bei diesem Thema eine grosse Angst und Unsicherheit. Meine Meinung dazu: Technik kann messen und planen – doch nur Menschen können langfristig begeistern und echte, emotionale Verbindung schaffen. Wer morgen führend sein will, muss heute digital UND menschlich denken.

Digitalisierung? Ja, bitte! Aber nicht ohne Haltung

Ein Blick auf die aktuellen Zahlen zeigt: Die Digitalisierung erfasst die Fitnessbranche mit voller Wucht. Virtuelle Kurse, Online-Coachings, Wearables, KI-Analyse, vernetzte Studiobereiche oder SMART-Gyms – all das ist längst keine Zukunftsmusik mehr. Laut den ACSM-Fitnesstrends (Newsome et al., 2024) gehören „Wearable Technology“ und „Fitness-Apps“ zu den Top-Trends für das Jahr 2025. Gleichzeitig wächst bei unseren Kunden der Bedarf nach individueller Betreuung und mentaler Unterstützung. Der Mensch verlangt mehr als nur Daten – er will verstanden werden.

Gerade nach den prägenden Erfahrungen der Pandemie, in der viele den Wert persönlicher Begegnungen und sozialer Kontakte neu entdeckt haben, gewinnen Soft Skills, Empathie und echte Kommunikation wieder an Bedeutung. Die Technik liefert die Tools – aber der Mensch ist entscheidend.

Wer führt, muss entscheiden: Technik als Werkzeug oder Ersatz?

Meine strategische Stossrichtung ist klar: Technologie darf nicht den Menschen ersetzen – sie muss ihn unterstützen. Technologie wird den Menschen nicht ersetzen – sie wird ihn ergänzen. Ein digitalisiertes Studio mit seelenlosem Service verursacht geringere Kosten – wird aber auch niemandem in Erinnerung bleiben. Unternehmer müssen sich daher fragen: Dient die Innovation wirklich dem Kunden? Oder ist sie nur ein Gimmick? Geht es mir darum, dem Kunden eine bessere Leistung zu bieten? Oder möchte ich einfach nur Kosten und Arbeit einsparen? Eine intelligente Kombination aus Hightech und Hightouch ist ein möglicher Schlüssel zu einem nachhaltigen Unternehmenserfolg. Was am Ende den Unterschied ausmacht, ist nicht noch ein weiteres „fancy Tool“, sondern das Bewusstsein: Kein Algorithmus kann etwas ersetzen, was eine motivierte Fachkraft mit echter Leidenschaft und offenem Herzen bewirkt.

Szenen aus dem Studioalltag: Wenn das Tablet nicht motiviert Stellen Sie sich vor: Ein Mitglied betritt Ihr Studio. Er scannt sich ein, wird vom System erkannt, sein Plan automatisch geladen. Getränke und Supplements zieht er aus dem Automaten und bezahlt bequem mit TWINT. Alles effizient, alles korrekt – aber auch kühl. Dann begegnet er Mila auf der Trainingsfläche. Sie lächelt, macht einen Witz, fragt nach der gerade stattgefundenen Abifeier seiner Kinder und dem Fortschritt beim Schultertraining. Der Kunde lacht, fühlt sich wertgeschätzt, ist motiviert – und bleibt. Diese Interaktionen machen den Unterschied. Sie kosten 30 Sekunden – und bringen einen treuen Stammkunden. Digitalisierung kann Prozesse erleichtern, aber echte und nachhaltige Kundenloyalität entsteht durch Beziehung. Mitarbeiterinnen wie Mila sind keine Kostenstelle – sie sind Ihr Wettbewerbsvorteil.

Qualifikation bleibt das Fundament – auch in der digitalisierten Welt

In einer Welt, in der Apps Trainingspläne schreiben und Sensoren jede Bewegung überwachen, entsteht leicht der Trugschluss, Fachpersonal werde überflüssig. Das Gegenteil ist der Fall! Gerade weil Technik vieles übernimmt, werden sowohl die fachliche als auch die menschliche und soziale Kompetenz noch wertvoller. Nur gut ausgebildete Trainerinnen und Trainer können Inhalte kritisch hinterfragen, Tools sinnvoll einordnen und eine individuelle, persönliche Betreuung bieten. Die Digitalisierung kann zwar Arbeit abnehmen – aber nicht das Denken und schon gar nicht das Fühlen. Fachwissen bleibt der Anker, Soft Skills sind der Treiber. Es braucht beides: Know-how, um auf Augenhöhe mit der Technik zu agieren, und Empathie, um echte Beziehungen zu gestalten. Die Qualifikation der Mitarbeitenden ist kein Kostenpunkt – sie ist Ihr Zukunftskapital.

Leadership in Zeiten der Mensch-Maschine-Symbiose

Was heisst das für Ihre Positionierung? Ganz einfach: Qualifizieren und schulen Sie Ihre Mitarbeitenden in Technik UND Kommunikation. Fördern Sie Fachkompetenz, digitales Know-how UND emotionale Intelligenz. Machen Sie Ihr Studio zum Ort, an dem Technologie reibungslos funktioniert, Innovationen Platz finden und gleichzeitig Menschlichkeit spürbar ist. Nutzen Sie den technologischen Fortschritt gerade eben nicht einfach nur, um Personalkosten einzusparen, sondern schaffen Sie den Raum dafür, dass Ihre Mitarbeiter den entscheidenden Unterschied im Beziehungsaufbau zu Ihren Mitgliedern machen. 

Gezielt miteinander kombiniert sind Mensch und Technologie mehr als die Summe der einzelnen Teile. Setzen Sie dabei auch auf ein Führungsteam, das strategisch denkt, empathisch handelt und mutig entscheidet. Die Zukunft gehört denen, die über den Tellerrand hinausdenken – und dabei den Menschen nicht vergessen.

Technik inspiriert. Menschen begeistern.

Die digitale Transformation ist gleichzeitig ein Sprint und ein Marathon mit Hürden. Aber die wichtigste Etappe bleibt: die emotionale Bindung. Investieren Sie in Tools – aber vor allem in Teams. Fördern Sie Mitarbeitende, feiern Sie Menschlichkeit, leben Sie Führung. Dann wird aus Ihrem Studio nicht nur ein Ort der Technologie – sondern ein Zentrum der Zukunft, denn: Digitalisierung gewinnt Herzen nur mit Herz!


Literaturliste

Newsome et al. (2024). 2025 ACSM Worldwide Fitness Trends: Future Directions of the Health and Fitness Industry. ACSM´s Health & Fitness Journal, 28 (6), 11-25.

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René Stoss

Über den Autor
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René Stoss

Der Geschäftsführer der Soledor AG stammt aus Basel und ist seit vielen Jahren ein absoluter Branchenkenner sowie gefragter Experte. Von 1986 bis 2014 war er Geschäftsführer der Inko Sports AG. Der leidenschaftliche Skifahrer und ehemalige Kampfsportler trainiert natürlich auch regelmässig im Fitnesscenter und folgt seinem Lebensmotto „Take the risk or lose the chance!“
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