Fit im Alter zu sein bedeutet heute mehr als nur mobil zu bleiben. Immer mehr Seniorinnen und Senioren wünschen sich, nicht nur körperlich aktiv, sondern auch selbstbewusst und innerlich gestärkt durch das Leben zu gehen. Besonders das Gruppentraining ist als Methode zum Empowerment älterer Personen prädestiniert.
Gesund altern heisst nicht nur, möglichst lange mobil zu bleiben – es bedeutet auch, mit Selbstvertrauen, Lebensfreude und Autonomie durch die späten Lebensjahre zu gehen. In diesem Zusammenhang gewinnt das Konzept des Empowerments zunehmend an Bedeutung. Gruppenfitnessangebote, die gezieltes körperliches Training mit psychologischer Stärkung verbinden, weisen enormes Potenzial auf: Durch Gruppentraining, das Kraft, Ausdauer, Mobilität und Koordination gleichermassen berücksichtigt, lassen sich sowohl physische als auch psychosoziale Ressourcen stärken. Neben körperlichen Effekten führt das Training so auch zu einem gestärkten Selbstbild, mehr Teilhabe und grösserer Lebensqualität.
Salutogenese als theoretischer Rahmen
Zur Erklärung dieser Wirkzusammenhänge bietet das salutogenetische Modell nach Aaron Antonovsky (1997) eine hilfreiche Perspektive. Im Zentrum steht das Kohärenzgefühl (siehe Abbildung 1) – ein Gefühl innerer Stimmigkeit, das durch drei Kernkomponenten definiert wird:
- Verstehbarkeit,
- Handhabbarkeit,
- Sinnhaftigkeit.
Menschen, die verstehen, was in ihrem Körper geschieht, die das Gefühl haben, mit den Herausforderungen des Alters umgehen zu können, und die in ihrer Aktivität einen Sinn erkennen, sind nachweislich gesünder und widerstandsfähiger gegenüber körperlichen und seelischen Belastungen (Antonovsky, 1997). Genau hier setzen empowerment-orientierte Gruppenfitnessangebote an: Sie machen Körperwahrnehmung erfahrbar, vermitteln Erfolgserlebnisse im Bewegungsalltag und schaffen soziale Einbindung – ein Zusammenspiel, das den Sinn von Aktivität weit über das Training hinausträgt.
Empowerment als Gesundheitsstrategie
Der Begriff Empowerment stammt ursprünglich aus der sozialen Arbeit, hat jedoch längst auch Einzug in die Gesundheitsförderung gehalten. Im Mittelpunkt steht das Ziel, Menschen in ihrer Selbstwahrnehmung, Selbstverantwortung und Selbstwirksamkeit zu stärken. Für die Zielgruppe 60 plus bedeutet das: Körperliche Aktivität wird zum Mittel der Persönlichkeitsstärkung.
Mit Bewegungsanleitungen und gezieltem Training lässt sich so das Vertrauen in den eigenen Körper erhalten oder zurückerlangen – unabhängig von Einschränkungen oder Alter. Eine Studie an 144 älteren Menschen (60 bis 85 Jahre), die ein sechsmonatiges Bewegungsprogramm absolviert hatten, belegt zum Beispiel die Effektivität von Empowerment durch gezieltes Training. Das untersuchte Programm vereinte Kraft-, Gleichgewichts- und Mobilitätstraining mit motivierenden empowerment-Elementen (soziales Umfeld, Zielsetzung, Selbstregulation). Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die lediglich eine Broschüre über die Bedeutung körperlicher Aktivität erhalten hatte, führte das Training zu einer deutlichen Steigerung der Selbstwirksamkeit (Fang et al., 2024).
Krafttraining als Schlüssel zur Autonomie
Krafttraining stellt einen zentralen Bestandteil eines auf die Bedürfnisse älterer Menschen zugeschnitten Trainingsprogramms dar. Der altersbedingte Muskelabbau – auch Sarkopenie genannt – beginnt ab dem 50. Lebensjahr und nimmt mit dem Alter zu. Studien belegen, dass gezieltes Krafttraining die Muskelkraft selbst bei älteren Menschen noch deutlich steigern kann und so die Funktionskapazität im Alltag erhöht. Dabei spielen Krafttraining an den Geräten, Kabelzügen und mit Freihanteln ebenfalls eine zentrale Rolle: Diese Trainingsformen ermöglichen eine individuelle, kontrollierte Belastungsgestaltung im Bereich Muskelhypertrophie und der intramuskulären Koordination, die gezielt auf die Bedürfnisse älterer Menschen abgestimmt werden kann.
Eine randomisierte Studie mit inaktiven über 60-Jährigen zeigte: Teilnehmende eines gruppenbasierten Krafttrainingsprogramms (zweimal wöchentlich, acht Wochen) verbesserten ihre Beinkraft, Balance, Beweglichkeit und Schlafqualität signifikant gegenüber einer Walking- und Kontrollgruppe (Baker et al., 2021).
Gerade das gemeinsame Training mit anderen führt bei älteren Menschen nicht nur zu einer Steigerung der Leistungsfähigkeit, sondern erhöht im Sinne des Empowerments auch Selbstvertrauen und Lebensqualität. Wer spürt, dass er wieder sicher aufstehen, sich stabil halten oder Aufgaben selbstständig bewältigen kann, erlebt ein gestärktes Gefühl von Selbstwirksamkeit. Zudem hat der Kontakt mit Trainern und anderen Teilnehmern auch positive Effekte auf das Selbstwertgefühl. Das Training wird so zu einer Quelle von Stärke – über die Muskulatur hinaus.
Ausdauertraining: Leistungsfähigkeit und Lebensfreude
Auch das Ausdauertraining spielt eine wichtige Rolle im Empowerment-Prozess. Regelmässige Aktivitäten wie Walking, aerobes Gruppentraining oder rhythmische Bewegung zu Musik verbessern nicht nur die Herz-Kreislauf-Gesundheit, sondern auch die Stimmungslage. Ausdauertraining aktiviert nachweislich das Belohnungssystem im Gehirn, senkt das Risiko für depressive Symptome und stärkt die kognitive Leistungsfähigkeit (Blumenthal et al., 1999). Wenn ältere Menschen in der Gruppe erleben, dass sie über längere Zeit aktiv bleiben können – sei es beim gemeinsamen Tanz oder beim Stationstraining –, entsteht ein Gefühl von Stolz und Zugehörigkeit. Gemeinsames Konditionstraining fördert demnach sowohl die körperliche Ausdauer als auch das positive Selbstbild.
Mobilität und Beweglichkeit: Bewegungsfreiheit erhalten
Mobilitätstraining ist ein weiterer, oft unterschätzter Aspekt in der Arbeit mit älteren Menschen. Ausreichend hohe Beweglichkeit in Kombination mit der Fähigkeit zur segmentalen Stabilisation sind zentrale Voraussetzungen für funktionale Selbstständigkeit – etwa beim Bücken, Drehen oder Aufstehen. Durch gezielte Übungen zur Gelenkmobilisation und Dehnung erlangen die Teilnehmenden wieder mehr Kontrolle über ihren Körper. Eine systematische Übersichtsarbeit von Treacy et al. (2022) zeigt, dass mobilitätsförderndes Training – darunter auch Muskelkrafttraining und Intervall-Ausdauertraining – die Mobilität und funktionellen Fähigkeiten bei Personen (älter als 70 Jahre) in Pflegeeinrichtungen verbessern kann.
Die zusammengefassten Ergebnisse randomisierter Studien deuten unter anderem auf Verbesserungen im Timed „Up and Go“-Test hin. Die Freiheit, alltägliche Bewegungen ohne Einschränkungen auszuführen, wird unmittelbar spürbar. Diese Erfahrung fördert das Vertrauen in die eigene körperliche Integrität und reduziert gleichzeitig das Bedürfnis nach Fremdhilfe – ein zentrales Element des Empowerments im Alter.
Koordination und Gleichgewicht: Sicherheit im Alltag
Nicht zuletzt ist auch das Koordinationstraining ein unverzichtbarer Baustein im empowerment-orientierten Gruppenfitnesskonzept. Altersbedingte Einschränkungen der Gleichgewichtsfähigkeit erhöhen das Sturzrisiko – mit erheblichen gesundheitlichen und psychosozialen Folgen. Durch spielerische Gleichgewichtsübungen, koordinative Bewegungsaufgaben oder duale Anforderungen (z. B. Bewegung und Denkaufgabe) können sowohl die körperliche als auch die kognitive Reaktionsfähigkeit verbessert werden. Studien belegen, dass regelmässiges Koordinationstraining Stürze im Alter signifikant reduzieren kann (Sherrington, Tiedemann, Fairhall, Close & Lord, 2011). Noch wichtiger jedoch: Wer sich sicher bewegt, fühlt sich selbstständig – auch im öffentlichen Raum. Die gewonnene Sicherheit bringt neue Lebensräume zurück und reduziert Angstverhalten, das häufig mit Immobilität einhergeht.
Soziale Dynamik als Verstärker: Gruppenfitness wirkt doppelt
Die besondere Stärke des Empowerments liegt im Gruppenformat selbst. Gemeinsames Training fördert nicht nur Bewegung, sondern auch Motivation, Freude und soziale Bindung. In der Gruppe entsteht ein geschützter Raum, in dem sich ältere Menschen gegenseitig stärken, inspirieren und anspornen können. Der soziale Vergleich wirkt motivierend, gemeinsame Erfolgserlebnisse stärken das Wirgefühl. Vor allem aber: Wer sich gesehen, gehört und verstanden fühlt, wird mit grösserer Wahrscheinlichkeit langfristig aktiv bleiben. Kursleitende haben die Chance, einen sicheren Raum zu gestalten, in dem sich ältere Menschen gegenseitig motivieren und aktivieren.
Fazit
Gruppenfitness stellt ein wirkungsvolles und zukunftsorientiertes Konzept für die Gesundheitsförderung im Alter dar. Die Kombination aus gezieltem Training der vier Säulen – Kraft, Ausdauer, Mobilität und Koordination – mit einer bewusst gestalteten sozialen Umgebung aktiviert sowohl körperliche als auch psychosoziale Ressourcen. Der salutogenetische Ansatz liefert dafür eine fundierte theoretische Basis. Wenn Bewegung zur Quelle von Selbstwirksamkeit, Sicherheit und Sinn wird, stärkt das nicht nur die Muskeln, sondern auch das Selbstbewusstsein. Gruppenfitness wird so zur Plattform, auf der ältere Menschen erleben: Ich kann – noch immer, oder wieder.
Auszug aus der Literaturliste
Fang, J., Ren, J., Wang, J., Qiu, X., Zhang, S., Yuan, S., Wu, L., & Xie, L. (2024). Combining motivational and exercise intervention components to reverse pre-frailty and promote self-efficacy among community-dwelling pre-frail older adults: a randomized controlled trial. BMC geriatrics, 24(1), 896.
Sherrington, C., Tiedemann, A., Fairhall, N., Close, J. C. T. & Lord, S. R. (2011). Exercise to prevent falls in older adults: an updated meta-analysis and best practice recommendations. NSW Public Health Bulletin, 22(3-4), 78–83.
Treacy, D., Hassett, L., Schurr, K., Fairhall, N. J., Cameron, I. D., & Sherrington, C. (2022). Mobility training for increasing mobility and functioning in older people with frailty. The Cochrane database of systematic reviews, 6(6), CD010494.
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