Concurrent Training für Kraftsportler

Kraft und Cardio richtig kombinieren

Können Kraftsportlerinnen und -sportler Ausdauertraining betreiben und dennoch stark und muskulös bleiben? Entgegen vieler Fitnessmythen lautet die Antwort auf diese Frage: Ja! Allerdings sollten einige Punkte in der Planung und Durchführung beachtet werden, um erfolgreich Kraft und Ausdauer zu verbessern.

Die Kombination von Kraft- und Ausdauertraining im Rahmen einer Trainingsplanung wird als Concurrent Training bezeichnet und stellt für viele Personen, deren Ziel die Verbesserung der allgemeinen körperlichen Fitness ist, die gängigste Trainingsform dar (Garber et al., 2011). Besonders Athletinnen und Athleten, deren Sportart eine hohe Ausprägung von Kraft und Ausdauer erfordert (z. B. Rudern), verfolgen im Training das Ziel, beide Fähigkeiten optimal zu entwickeln. Obwohl schon lange bekannt ist, dass leistungsorientiertes Krafttraining und ergänzendes Ausdauertraining kein Widerspruch sind und die Kombination sogar den Muskelaufbau begünstigen kann (Kazior, 2016), stehen insbesondere Kraftsportlerinnen und -sportler einem ergänzenden Ausdauertraining teils nach wie vor skeptisch gegenüber.

Unterschiede zwischen Kraft- und Ausdauertraining?

Beim Ausdauertraining werden aufgrund der relativ langen Belastungsdauer und der geringen Kraft, die notwendig ist, primär die langsam zuckenden Muskelfasern des Typ I rekrutiert. Diese zeichnen sich aufgrund ihres histologischen Aufbaus durch ihre hohe Ermüdungswiderstandsfähigkeit aus. Auf metabolischer Ebene spielt für länger anhaltende Belastungen die aerobe Energiebereitstellung unter Verwendung von Sauerstoff eine leistungsdeterminierende Rolle. Trainingsanpassungen durch Ausdauertraining betreffen daher in erster Linie die Organsysteme, die Sauerstoff aufnehmen, transportieren und verarbeiten, und können über die Messung der VO2max quantifiziert werden. Im Gegensatz zu Ausdauerbelastungen müssen beim Krafttraining hohe Kraftwerte in relativ kurzen Zeiträumen realisiert werden. Aufgrund ihrer Fähigkeit, schnell und kräftig zu kontrahieren, werden bei diesen Anforderungen vor allem Typ-II-Muskelfasern rekrutiert. Die Höhe der zu realisierenden Kraft hängt unter anderem von der Anzahl und der Frequenz der kontrahierenden motorischen Einheiten ab. Regelmässiges Krafttraining bewirkt daher einerseits eine erhöhte Rekrutierung und Frequenzierung motorischer Einheiten und sorgt andererseits durch eine Erhöhung des Muskelquerschnitts (Hypertrophie) für zusätzliche kontraktile Proteinstrukturen innerhalb der Muskelzelle.

KRAFT- UND AUSDAUERTRAINING MÜSSEN AUFEINANDER ABGESTIMMT UND NICHT ISOLIERT BETRACHTET WERDEN.

Was ist der sogenannte Concurrent-Training-Effekt?

Berücksichtigt man die unterschiedlichen motorischen, metabolischen und zellulären Anforderungen bei Kraft- und Ausdauertraining liegt der Rückschluss nahe, dass es durch eine Kombination beider Trainingsformen zu konträr gerichteten Wechselwirkungen kommen kann, die die Trainingsanpassungen negativ beeinflussen. Dieses Phänomen wird auch als Interferenz oder Concurrent-Training-Effekt bezeichnet und kann vor allem den Kraft- und Muskelmasseaufbau einschränken. Dennoch sollte dies nicht zu der pauschalen Schlussfolgerung führen, Ausdauertraining habe einen negativen Effekt bei allen Personen, die stärker oder muskulöser werden möchten. Wie neuere Untersuchungen zeigen, ist das Auftreten ungewünschter Interferenzeffekte nicht davon abhängig, ob Kraft- und Ausdauertraining kombiniert werden, sondern in erster Linie davon, wie das Belastungsgefüge aussieht und das Concurrent Training letztlich umgesetzt wird.

Concurrent Training für Kraftsportler – die Studienlage

Frühe wissenschaftliche Studien zum Thema Concurrent Training kamen häufig zu dem Ergebnis, dass ein ergänzendes Ausdauertraining Hypertrophie und Kraftsteigerung negativ beeinflusst (Hickson, 1980). Bei vielen Studiendesigns wurde jedoch die Bedeutung des Gesamttrainingsvolumens nicht ausreichend berücksichtigt. So hat Hickson beispielsweise jeweils Kraft- und Ausdauertrainingsprogramme an fünf Tagen pro Woche mit einem Concurrent Training verglichen, das die Kombination aus beiden Programmen darstellte und somit ein deutlich höheres Trainingsvolumen abbildete wie Kraft- oder Ausdauertraining allein. Wilson et al. (2012) untersuchten für ihre Metaanalyse 21 Studien zu diesem Thema und kamen auch zu dem Ergebnis, dass Interferenzeffekte häufig auf das deutlich höhere Trainingsvolumen beim Concurrent Training im Vergleich zu isoliertem Kraft- oder Ausdauertraining zurückzuführen sind und keine Folge der Kombination der Trainingsformen selbst sind. Zudem stellten die Autoren fest, dass zusätzliches Ausdauertraining zwar die Entwicklung der Schnellkraft hemmen kann, es jedoch in puncto Kraft- und Muskelmasseaufbau zu keiner geringeren Anpassung kommt als beim reinen Krafttraining.

Fyfe, Bishop und Stepto (2014) betonen in ihrer Übersichtsarbeit, dass sich keine generalisierende Aussage zur Effektivität von Concurrent Training treffen lässt, da der Ausgestaltung des Belastungsgefüges eine so entscheidende Rolle bei der Auslösung von Trainingsanpassungen zukommt. Für Kraftsportlerinnen und -sportler gilt es daher, vor allem die Intensität, den Umfang und die Häufigkeit des Ausdauertrainings im Hinblick auf das Krafttraining anzupassen.

Auf Basis einer systematischen Analyse von über 40 Studien kamen Schumann et al. (2022) ebenfalls zu dem Schluss, dass Concurrent Training weder den Muskelaufbau noch die Entwicklung der Maximalkraft negativ beeinflusst, jedoch einen negativen Einfluss auf die Steigerung der Schnellkraft haben kann. Die gefundenen Effekte gelten unabhängig von der Trainingserfahrung, dem Alter und der Art des Ausdauertrainings (Radfahren vs. Laufen). Interessanterweise fanden die Autoren im Gegensatz zu anderen Studien (Gao & Yu, 2023; Murlasits, Kneffel & Thalib, 2018) keinen Einfluss der Reihenfolge, wenn Ausdauer und Kraft im Rahmen einer einzelnen Trainingseinheit trainiert werden. Sie empfehlen jedoch das Kraft- und Ausdauertraining idealerweise im Abstand von mindestens drei Stunden zu absolvieren, um mögliche Interferenzeffekte zu minimieren.

CONCURRENT TRAINING HAT KEINEN NEGATIVEN EINFLUSS AUF DIE EFFEKTIVITÄT VON KRAFTTRAINING.

Individuelle Beanspruchung bei Concurrent Training

In diesem Zusammenhang ist auch die Frage interessant, inwiefern ein Ausdauertraining die Trainingsqualität in einer darauffolgenden Krafttrainingseinheit beeinflussen kann. Mathieu, Robineau, Piscione und Babault (2022) stellten fest, dass vier Stunden nach einem hochintensiven Sprint-Intervalltraining bei erfahrenen Athleten die objektiv gemessene Trainingsqualität im Krafttraining nicht schlechter war als ohne vorangegangenes Ausdauertraining. Hervorzuheben ist, dass die Athleten jedoch eine höhere subjektive Beanspruchung angaben, wenn das Ausdauertraining laufend stattfand. Radfahren hatte hingegen keinen Einfluss auf das subjektive Empfinden im nachfolgenden Krafttraining.

In einer weiteren Übersichtsarbeit wurde ebenfalls festgestellt, dass beim Concurrent Training mit Lauftraining – im Gegensatz zum Radfahren – die Hypertrophieeffekte reduziert sind (Lundberg, Feuerbacher, Sünkeler & Schumann, 2022). Allerdings betraf dies ausschliesslich Typ-I-Fasern, die ohnehin eine geringere Rolle bei der Erhöhung des Muskelquerschnitts spielen.

Was gilt es in der Trainingsplanung und -praxis zu beachten?

Generell sollten sich Trainierende wie Trainer darüber im Kla- ren sein, dass sich die Gesamtbelastung des Athleten bzw. der Athletin erhöht, wenn ein bestehendes Krafttraining durch zusätzliches Ausdauertraining ergänzt wird. Dies muss unbedingt im Rahmen der Ernährungsstrategie sowie des Regenerationsmanagements berücksichtigt werden, um Übertraining und ein ungewolltes Kaloriendefizit zu vermeiden.

AUSBLEIBENDE TRAININGSEFFEKTE KÖNNEN DIE FOLGE VON ZU HOHER GESAMTBELASTUNG SEIN.

Gerade wenn noch keine Ausdauertrainingserfahrung vorliegt, empfiehlt es sich, die Einheiten mit zeitlichem Abstand zum Krafttraining zu planen und zunächst mit geringem Umfang und moderater Intensität zu beginnen (z. B. zwei bis drei Mal pro Woche 30 bis 45 Minuten). Individuelle Präferenzen sollten zwingend berücksichtigt werden, um die Trainingsmotivation hochzuhalten. Zudem sollten Athletinnen und Athleten auch darüber aufgeklärt werden, dass sich durch Concurrent Training die subjektive Anstrengung im Krafttraining möglicherweise etwas erhöht, dies jedoch nicht mit re- duzierter Trainingseffektivität gleichzusetzen ist.

Fazit

Das Concurrent Training wirkt sich nicht negativ auf den Trainingsfortschritt von Kraftsportlerinnen und -sportlern aus. Entscheidend hierfür ist jedoch, dass Ausdauer- und Krafttraining sinnvoll aufeinander abgestimmt werden und das Concurrent Training nicht bloss die Kombination zweier eigenständiger Trainingsprogramme darstellt. Effektive Trainingsplanung erfordert Know-how und Erfahrung in beiden Bereichen und muss unbedingt an individuellen Voraussetzungen und Zielen der Athleten orientiert sein.

Literaturliste

Gao, J. & Yu, L. (2023). Effects of concurrent training sequence on VO2max and lower limb strength performance: A systematic review and meta-analysis. Frontiers in physiology, 14, 1072679. https://doi.org/10.3389/fphys.2023.1072679

Lundberg, T. R., Feuerbacher, J. F., Sünkeler, M. & Schumann, M. (2022). The Effects of Concurrent Aerobic and Strength Training on Muscle Fiber Hypertrophy: A Systematic Review and Meta-Analysis. Sports Medicine (Auckland, N.Z.), 52 (10), 2391–2403. https://doi.org/10.1007/s40279-022-01688-x

Schumann, M., Feuerbacher, J. F., Sünkeler, M., Freitag, N., Rønnestad, B. R., Doma, K. et al. (2022). Compatibility of Concurrent Aerobic and Strength Training for Skeletal Muscle Size and Function: An Updated Systematic Review and Meta-Analysis. Sports Medicine (Auckland, N.Z.), 52 (3), 601–612. https://doi.org/10.1007/s40279-021-01587-7

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte info@fitness-tribune.com.

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Andreas Barz

Über den Autor
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Andreas Barz

Andreas Barz ist Sportwissenschaftler mit Schwerpunkt Gesundheitssport. Er ist als Dozent, Autor und Tutor an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) sowie als Referent an der BSA-Akademie tätig. Als passionierter Ausdauersportler nimmt er unter anderem an Langdistanztriathlons teil. www.dhfpg-bsa.de
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