Janina Egli zählt zu den vielversprechendsten Talenten im Schweizer Frauenfussball. Mit gerade einmal 16 Jahren feierte sie ihr Debüt in der Nationalliga A, heute führt sie die U19-Nationalmannschaft zeitweise als Kapitänin aufs Feld. Doch wie erlebt eine junge Leistungssportlerin diesen rasanten Aufstieg – sportlich, mental und ganz persönlich? Janina Egli spricht im Interview über ihren Karriereweg und ihre Rolle als Frau im Spitzensport.
FITNESS TRIBUNE: Janina, du hast mit 16 Jahren in der höchsten Schweizer Liga debütiert. Wie hast du diesen Schritt erlebt, und was war rückblickend entscheidend, dass du so früh auf diesem Niveau spielen konntest?
Janina Egli: Ich habe schon sehr früh, mit vier Jahren, angefangen Fussball zu spielen. Ich habe da immer bei meinem älteren Bruder und den Jungs mitgespielt. Dass ich schon so früh in der höchsten Liga spielen würde, war eigentlich nicht geplant. Ich bin nach acht Jahren beim FC Zürich zum Grasshopper Club Zürich gewechselt. Dort hat mich die Trainerin mit den Jungs trainieren sehen – und mich daraufhin in die Mannschaft aufgenommen.
Du hast also immer schon sowohl mit Jungs- als auch mit Mädchenteams trainiert. Welche Unterschiede hast du dabei festgestellt – und wie haben diese Erfahrungen deine Entwicklung geprägt?
Also erst einmal ist es wichtig, überhaupt viel zu trainieren und viel Spielerfahrung zu sammeln. Aber von dem Training mit den Jungs habe ich schon sehr profitiert. Spielerisch sind die Jungs mit 13 oder 14 Jahren meist schon weiter entwickelt und auch das Tempo ist viel höher. Das hat mir sehr viel gebracht. Vor allem lernst du, klüger zu spielen, wenn dein Gegner dir körperlich überlegen ist. In diesem Alter steht die Taktik zwar noch überhaupt nicht im Mittelpunkt, aber später kannst du dir das zunutze machen. Mittlerweile machen es die Trainer auch schon bewusst so, dass sie Mädchen, wenn sie Talent erkennen, auch gezielt zusammen mit den Jungs trainieren lassen. Am Ende denke ich, dass davon beide Seiten einen Vorteil haben.
Dein Motto lautet: „Niente è facile, e nulla è impossibile“ – nichts ist einfach, und nichts ist unmöglich. Wie begleitet dich dieser Leitsatz durch deinen sportlichen und schulischen Alltag?
Ja, das ist tatsächlich mein Motto! Neben dem Fussball mache ich eine vierjährige KV-Ausbildung [Grundbildung zum Kaufmann /zur Kauffrau; Anm. d. Red.] an der United School of Sports und bei der POLY-RAPID AG. Ich kann es selbst kaum glauben, aber in zwei Monaten bin ich damit fertig. Auch meine sportliche Karriere läuft bisher sehr gut. Das fällt mir aber nicht einfach in den Schoss. Ich muss dafür hart arbeiten und sehr diszipliniert sein. Das fängt beim Tagesablauf an und reicht bis zur Ausbildung, zum Training und zur Ernährung. Mein gesamtes Leben ist auf meine Leidenschaft, den Fussball, ausgerichtet. Das musst du wirklich wollen. Daher das Motto.
Wie gelingt dir der Spagat zwischen Schule und Profifussball – und welchen Mehrwert bringt dir diese Ausbildung?
Es gibt nur wenige Schulen in Zürich, die eine Ausbildung und eine Profikarriere im Sport gleichzeitig ermöglichen. Die Schule, an der ich bin, ist genau darauf ausgelegt. In den ersten beiden Jahren der Ausbildung bin ich neben dem Training zur Schule gegangen und habe den theoretischen Teil der Ausbildung absolviert. Seit knapp zwei Jahren gehe ich nun neben dem Training zur Arbeit und absolviere so den praktischen Teil der Ausbildung. Ich muss also nicht gleichzeitig zur Schule gehen, arbeiten und trainieren. Diese Aufteilung hilft mir enorm dabei, alles unter einen Hut zu bekommen. Dafür bin ich sehr dankbar.
Vor diesem Hintergrund: Im Fussball ist der Konkurrenzkampf um die wenigen Plätze gross, auch die Gefahr vor einer schweren Verletzung besteht. Hast du einen Plan B zum Profifussball?
Meiner Meinung nach ist es gerade im Frauenfussball wichtig, neben der sportlichen Karriere unbedingt auch beruflich einen Plan B zu haben. Es gibt so viele Faktoren – Verletzungen, mentale Herausforderungen oder auch mannschafts- bzw. vereinsbezogene Konstellationen –, die eine Profilaufbahn von jetzt auf gleich beenden können. Da möchte ich einfach über eine berufliche Qualifikation eine Absicherung haben.
Hinzu kommt, dass man in der Schweiz in der Regel nicht allein vom Frauenfussball leben kann. Das ist hier noch anders als in Ländern wie Spanien oder in Deutschland etwa. Und selbst dort liegen zwischen den Gehältern bei den Frauen und den Männern Welten. Wenn meine aktive Karriere einmal vorbei ist, sehe ich mich als Coach. Ich will Trainerin werden, seit ich zehn Jahre alt bin. Ich betreue bereits ein Mädchenteam und werde mich in diesem Bereich sicherlich auch noch fortbilden. Aber auch die Trainerposten sind begrenzt und es ist nicht sicher, dass alles so kommen wird, wie ich mir das vorstelle. Mit der KV-Ausbildung habe ich somit immer etwas, auf das ich bei Bedarf zurückgreifen kann. Wobei es mir im Moment schon schwer fällt, mich dauerhaft im Büro zu sehen. Dennoch gibt es mir ein gutes Gefühl, zu wissen, dass ich diese Option habe.
Wie sieht dein Trainingsalltag als Fussballprofi aus – und welchen Stellenwert haben Themen wie Regeneration und Verletzungsprophylaxe für dich?
Unter der Woche, von Montag bis Freitag, ist mein Alltag sehr strukturiert. Ich stehe um sechs Uhr auf und arbeite bis zwölf Uhr im Büro. Anschliessend ist von 14.00 bis 19.00 Uhr Training. Dazu gehören neben den Einheiten auf dem Platz Krafttraining und Videoanalyse. Hinzu kommen Stabilitäts-, Koordinations- und Mobilitätstraining. Letzteres machen wir aber im Regelfall nicht im Team, sondern jede Spielerin gestaltet das für sich selbst. Es gibt auch Tage, da ist das Training auf morgens und abends aufgeteilt, je nach Belastung und Trainingsschwerpunkt.
Wie gestaltest du dein individuelles Training ausserhalb der Mannschaft – insbesondere im Bereich Fitness, Ernährung und mentaler Vorbereitung?
Ich persönlich finde, dass die Ernährung in der strukturierten Trainingsplanung noch viel zu wenig Beachtung findet. Gerade im Frauenfussball wird das so gut wie überhaupt nicht thematisiert. Bei den Männern ist das schon etwas anders, aber auch noch nicht optimal. Dabei geht es ja nicht unbedingt um Gewichtsreduktion oder -kontrolle, sondern um Themen wie Regeneration, Entzündungsprozesse und Leistungsfähigkeit. Deshalb habe ich mir aus Eigeninitiative einen Ernährungsberater gesucht, der mich betreut – das hat mir nochmal einen richtigen Schub gegeben. Bis dahin war es mir gar nicht bewusst, was Ernährung bei der Leistungsfähigkeit ausmachen kann. Mentale Unterstützung erhalte ich vor allem durch meine Familie. Bisher kann ich mit dem Leistungsdruck sehr gut umgehen. Ich reflektiere selbst viel – und immer, wenn mich etwas beschäftigt, spreche ich vor allem mit meinem Vater und meinem Onkel darüber. Das hilft mir am meisten. Glücklicherweise kann ich auch mit Rückschlägen recht gut umgehen. Ich gebe mir einen Tag Zeit, um negative Emotionen zuzulassen und richte dann bewusst den Blick nach vorne und schaue, welche Lehren ich daraus für die Zukunft ziehen kann.
Mittlerweile bist du Nationalspielerin und auch schon Kapitänin in der U19. Was verlangt diese Doppelrolle mental und physisch von dir ab?
Auf dem Spielfeld eigentlich gar nichts. Da sind wir alle ein Team und es geht nur um das Spiel. Auf dem Platz macht es keinen grossen Unterschied, ob du die Kapitänsbinde trägst oder nicht. Neben dem Spielfeld sind meine sozialen Kompetenzen hingegen mehr gefragt. Ich schaue nach allen Spielerinnen und versuche, für jede eine Ansprechpartnerin zu sein. Ich muss das Team auf und neben dem Platz zusammenhalten. Für mich ist das eine ganz tolle Erfahrung, aus der ich auch menschlich sehr viel mitnehmen kann. Und natürlich ist es jedes Mal eine ganz besondere Ehre, als Erste im Nationaltrikot und mit der Kapitänsbinde gemeinsam mit der Mannschaft im Stadion einzulaufen.
Gab es Situationen, in denen du dich als junge Frau im Fussball besonders beweisen musstest? Wie bist du mit solchen Momenten umgegangen?
Im Leistungssport musst du dich letztlich immer beweisen – unabhängig von deinem Geschlecht. Das gilt für Männer genauso wie für Frauen. Schwierige Situationen kommen da immer wieder vor. Das hängt häufig auch vom jeweiligen Trainer ab. Der eine sieht das Potenzial in dir und fördert dich sehr und der andere eben nicht. Die zwischenmenschliche Komponente spielt hier natürlich auch eine Rolle. Mit solchen Situationen musst du umgehen können. Das ist aber nicht nur im Fussball so, sondern auch im Handball, beim Eishockey oder im Tennis – eigentlich in jeder Sportart. Im Individualsport ist es meist einfacher, die Situation zu lösen und den Trainer zu wechseln. Das ist im Mannschaftssport deutlich schwieriger. Da hast du als einzelne Spielerin keinen Einfluss darauf, wer Trainer ist – also musst du dich vielleicht noch etwas mehr anstrengen. Andere Optionen hast du nicht, ausser dann eben die Mannschaft oder sogar den Verein zu wechseln.
Im Leistungssport stehen oft Männer im Vordergrund – in der medialen Aufmerksamkeit, in Förderprogrammen oder im Trainerteam. Wie nimmst du das wahr – und was braucht es deiner Meinung nach, um echte Chancengleichheit zu fördern?
Die Entwicklung geht auf jeden Fall in die richtige Richtung. Die Super League der Männer wird jeden Sonntag im SRF übertragen oder zumindest mit den Resultaten etc. thematisiert. Bei den Frauen war das bisher nur selten der Fall.
Mittlerweile gibt es aber auch hier bei jedem Spiel eine Aufnahme, die man sich im Livestream anschauen kann – zwar ohne Kommentar, aber immerhin. So können auch meine Familie und Freunde meine Auswärtsspiele mitverfolgen. Und sogar im SRF zeigen sie die Highlights von der Women’s Super League. Das ist zumindest schon mal ein guter Anfang, um den Frauenfussball sichtbarer zu machen. Aber da gibt es natürlich noch viel Luft nach oben.
Was ich mir persönlich wünsche: Dass auch die Frauen öfter im Stadion spielen und nicht nur auf dem normalen Trainingsplatz. Das würde dem Frauenfussball einen anderen Stellenwert geben und ihm eine andere Wertschätzung und Wahrnehmung verleihen. Beim kommenden Titelkampf gegen YB Bern dürfen wir beispielsweise im Letzigrund in Zürich spielen [Zürich hat das Spiel mit 1:0 gewonnen; Anm. d. Red.]. Im Stadion ist es einfach ein ganz spezielles Feeling.
Wenn du in die Zukunft blickst: Welche sportlichen und persönlichen Ziele verfolgst du – und was bedeutet es dir, deinen eigenen Weg im Spitzensport zu gestalten?
Ich werde jetzt 19 Jahre alt, das heisst: Die Zeit in den U-Mannschaften ist abgeschlossen. Mein nächstes Ziel ist es, einen fixen Stammplatz in meiner Mannschaft zu bekommen. Irgendwann möchte ich dann auch meine Erfahrungen im Ausland sammeln – zum Beispiel in Deutschland, Spanien oder Italien. Das muss aber nicht sofort sein. Viele glauben, sie müssten möglichst früh ins Ausland wechseln. Ich persönlich sehe das nicht so. Ich möchte erst einmal hier weitere Erfahrungen sammeln und dann sehe ich weiter.
Ein weiteres Ziel ist natürlich, für die A-Nationalmannschaft zu spielen. In diesem Juli findet die Frauen-Europameisterschaft hier in der Schweiz statt. Bei diesem grossen Ereignis im eigenen Land im Kader zu sein, wäre selbstverständlich ein Traum. Bis dahin sind auch noch ein paar Spiele und ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Aber wenn es dieses Jahr nicht klappt, dann eben in vier Jahren.
Du hast es angesprochen: Vom 2. bis 27. Juli 2025 findet die Fussballeuropameisterschaft der Frauen in der Schweiz statt. Welche Chancen rechnest du den Schweizerinnen als Gastgeberinnen aus?
Wir haben mit Norwegen, Island und Finnland eine sehr physische Gruppe. Aber spielerisch können wir da auf jeden Fall mithalten. Wenn die Schweizerinnen ihr Spiel durchbringen können, ist es durchaus möglich, die anderen Mannschaften zu schlagen. Ich drücke auf jeden Fall fest die Daumen – und wer weiss, vielleicht kann ich ja sogar einen Teil dazu beitragen.
Über die Interviewpartnerin
Janina Egli spielt bei Grashopper Club Zürich und ist U19-Nationalspielerin. Die 19-Jährige macht neben ihrer Profikarriere eine Ausbildung zur Kauffrau an der United School of Sports. Sie strebt einen festen Stammplatz in der Schweizer Fussballnationalmannschaft der Frauen und anschliessend eine Trainerkarriere an.